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Ruiniert gute Spieltechnik das Feeling am Instrument?

Ein Instrument spielen und Musik im Allgemeinen setzt sich meist aus zwei Komponenten zusammen, einer künstlerischen und einer handwerklichen.
Beides lässt sich erlernen und er-üben, das wissen vor allem die Klassiker nur allzu genau. Dennoch begegnen mir gerade im Jazz/Rock/Pop-Bereich sowohl in persönlichen Gesprächen als auch in den sozialen Medien immer wieder Diskussionen, die Technik und Musikalität auf zwei unterschiedlichen Seiten der Waagschale sehen, die sich sogar gegenseitig bekämpfen.

(Bild: © Shutterstock.com sun ok 1056175586)
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Inhalte
  1. 1. Was ist Technik?
  2. 2. Wozu braucht man Technik?
  3. 4. Welchen Zusammenhang hat Technik und Feel für den kreativen Musiker?
  4. Fazit:


Allzu leicht werden Musiker mit einer hervorragenden Technik dabei als unmusikalisch abgestempelt, meist von Instrumentalisten, die sich mit dem Üben von Technik weniger auseinandersetzen wollen oder können. Trifft diese Aussage zu und welche Bedeutung hat Technik und Feeling in ihrem Zusammenspiel eigentlich? Diese Frage und einiges mehr wollen wir genauer ergründen!

Quick Facts: Spieltechnik vs. Feeling

Technik bedeutet weitaus mehr als nur “schnell” spielen: Sie schließt alle Elemente der Instrumentenbeherrschung und des musikalischen Grundvokabulars ein. Eine solide Technik ist für viele Spielsituationen eine Grundvoraussetzung und in Form von Geschwindigkeit ein tolles Stilmittel z.B. in der Improvisation, wenn sie musikalisch angewendet werden kann.
Feeling kann sich auch dort offenbaren, wo nicht alles technisch perfekt ist. Allerdings gibt es auch sehr viele Beispiele technisch perfekter, aber trotzdem sehr emotionaler Musik.
Als Dienstleister sollte ich mein Handwerk beherrschen, denn Technik ist das Vehikel, mit dem ich eine Idee auf meinem Instrument umsetze. Deshalb muss meine Technik immer so gut sein, wie es meinem Anspruch an die Umsetzung meiner Vision entspricht.

1. Was ist Technik?

Schon beim wichtigsten Punkt der Diskussion gibt es verschiedene Auffassungen, denn Technik bedeutet bei Weitem mehr als einfach nur “schnell” spielen zu können.
Eine gute Technik beinhaltet z.B. einen schönen Ton, oder sich über Artikulationsmethoden wie Vibrato, Anschlagsposition und Anschlagsart Gedanken zu machen. Auch die richtige Intonation gehört dazu, zum Beispiel beim String-Bending, das zu den “technischen” Fertigkeiten gehört, die man erlernen kann. Zugriff auf ein breites Arsenal an Tonfarben zu haben und verschiedene Skalen, Pentatonics, Arpeggios etc. zu beherrschen und anwenden zu können sind technisch-handwerkliche Fertigkeiten, für die man nicht zwangsläufig Musikalität, aber sehr wohl Fleiß benötigt. Übrigens: Auch fortgeschrittene, “intuitive” und weniger analytische Spieler haben diese Elemente parat – ob sie wissen, wie sie heißen oder ob sie diese eher durch Gehör und Bauch erlernt haben, spielt dabei keine Rolle.

2. Wozu braucht man Technik?

Diese Frage ist äußerst kurios und wird in vielen Genres erst gar nicht gestellt, weil sie dort albern klingen würde – die Ausnahme ist Rock/Pop/Jazz und wir Gitarristen sind bekanntermaßen häufig ganz vorne dabei.
In der Klassik werden Künstler von Kritikern zerrissen, wenn Werke mit mangelnder Technik, Intonation oder Akkuratesse vorgetragen werden. Das heißt, dass für das Spielen in gewissen Kreisen deren Beherrschung schlichtweg vorausgesetzt und auch nicht in Frage gestellt wird, weil Musikalität und Technik bei guten Künstlern ähnlich hoch ausgeprägt sind. Da hier alles sehr stark an das Repertoire geknüpft wird, ist die Rechnung ganz einfach: Wenn du die notwendige Technik nicht hast, wirst du das eine oder andere Bach-Werk eben nicht spielen können. Ende der Diskussion.
In der Popularmusik verhält es sich anders, und die Fähigkeit bzw. Möglichkeit, zum Beispiel “schnell” zu spielen, ist keine Voraussetzung dafür, ein toller Solist oder Improvisateur zu sein. Die Musikgeschichte ist voll von Beispielen dafür, von Blues über Jazz bis hin zu moderner Popularmusik.
Betrachtet man die Geschwindigkeit als isoliertes Element, wird diese häufig als Gradmesser der Virtuosität gesehen, weil sie ein tatsächlich messbarer Wert in der Musik ist, der Vergleiche möglich macht. 16tel bei 120 bpm sind eben schneller als bei 90 bpm. Die Frage stellt sich, welchen Sinn diese Vergleiche machen, und vor allem, wenn sie das, was in dieser Geschwindigkeit gespielt wird, vollkommen ignorieren. Schnelle Skalensequenzen oder chromatische Linien machen noch keinen guten Musiker und Kritiker der Technokraten haben insofern natürlich recht: Wer viel Geschwindigkeitstechnik übt, hat dadurch meist weniger Zeit, sich anderen Herausforderungen zu widmen, die unter Umständen wichtiger sind. Geschwindigkeit als primäres Ziel und als Selbstzweck ist sinnlos – damit bekommt man vielleicht ein “Thumbs Up” in den sozialen Medien und die erste Reihe von Gitarristen im Konzertsaal sind fünf Minuten verzückt, aber Jobs und Respekt unter wahren Kennern gewinnt man damit eher selten.
Nichtsdestotrotz ist Geschwindigkeit ein Stilmittel, das sehr wirkungsvoll sein kann, und es stellt sich die Frage, warum man es außen vorlassen und sich nicht seines Effekts bedienen sollte?
Der Hörer denkt nicht primär in Kategorien technischer Fertigkeit, sondern ist vielmehr ergriffen von dem furiosen und fließenden Höreindruck – eine interessante Kolorierung auf der großen Palette musikalischer Stilmittel. Dass nicht jeder Musiker davon Gebrauch macht, auch wenn seine Fähigkeiten es erlauben würden, fällt in die Kategorie individueller Ausdrucksweise. Den meisten Gitarristen, die ein gewisses Renommee genießen, ist es wichtig, über eine sehr gute Technik zu verfügen, denn die macht es ihnen erst möglich, ihre große Musikalität und ihr Feeling auf dem Instrument umzusetzen.

3. Wie transportiert sich “Feeling”?

In unserem Kontext ist Feeling ein sehr vager Ausdruck, der vermitteln soll, dass beim Zuhörer/Zuschauer eine ganz bestimmte Emotion ausgelöst wird. Die stellt sich beispielsweise bei mir ein, wenn ich den Eindruck bekomme, dass der Künstler gerade wirklich “meint”, was er spielt, und dies selbstbewusst und authentisch vorträgt – ganz gleich, ob es mit oder ohne gute Technik vonstatten geht: Denkt man an Sänger wie Bob Dylan oder Mark Knopfler, deren Gesangstechnik beileibe nicht perfekt ist, oder an alte Aufnahmen aus den 50er und 60er Jahren, die heutigen Kriterien an Perfektion und editierter Tightness nicht gerecht werden, muss man doch eingestehen, dass viele dieser Aufnahmen extrem musikalisch und emotional sind und gerade wegen ihrer Unvollkommenheit großen Charme besitzen. Auf der anderen Seite gibt es extrem akkurate Künstler wie Prince, Michael Jackson, Steely Dan, Sting und viele mehr, deren Musiker technisch auf höchstem Niveau agieren, denen aber deshalb niemand die Fähigkeit absprechen würde, “Feeling” zu transportieren.
Wenn ich als Künstler eine Vision verfolge und eine Botschaft habe, ist der Inhalt oft bedeutsamer als das Mittel, und wenn ich den Nerv meiner Zuhörer treffe, kann ich es auch ohne große Technik sehr weit bringen. Natürlich ist es wichtig, einige grundlegende musikalische Handwerkselemente verstanden zu haben und sich in deren Rahmen wie z.B. Rhythmik und Tonalität sicher zu bewegen.
Sehe ich mich jedoch eher als Mitglied einer Band, als Begleitkünstler oder Studiomusiker, werde ich um eine solide Technik nicht herumkommen, und damit meine ich nicht primär die Geschwindigkeit. Der Drummer muss den Rhythmus halten, der Sänger muss intonieren können und der Gitarrist muss Timing und Griffbrett beherrschen. Ebenso wie manche Musiker mangelnde Musikalität hinter ihrer Technik verstecken, verbergen andere ihre mangelnde Übedisziplin hinter dem Begriff “Feeling”. Hier nutzt es auch nichts, als Gitarrist den Rockstar zu markieren, wenn man sein Instrument kaum beherrscht und kein Bending trifft, oder als Sänger die große Geste und das Kleinterzvibrato aufzulegen, wenn ich es nicht schaffe, auch nur eine einzige Note richtig zu intonieren. Hier gilt: “less emotion, more intonation” – zurück ins Übezimmer!

4. Welchen Zusammenhang hat Technik und Feel für den kreativen Musiker?

Letztendlich kann man die Entstehung von Musik wie eine Reise durch die verschiedenen Stationen einer Fabrik sehen. Im Kopf entsteht die Idee, diese wird auf das Instrument übertragen, die Schallwellen treffen auf das Ohr des Zuhörers und werden in das Gehirn geleitet, wo sie je nach Musik und Individuum unterschiedliche Emotionen auslösen.
Mein Wunsch als Musiker muss es sein, meine Visionen so unverfälscht wie möglich in Klang umzusetzen. Die Spieltechnik ist das Werkzeug, das mir dies erlaubt. Ist mir meine Vision wichtig, dann möchte ich ihrer Umsetzung auch so wenig Steine wie möglich in den Weg legen. Deshalb muss meine Technik immer so gut sein, wie es nötig ist, meine Vorstellung zu realisieren. Vielleicht höre ich nur langsame und einfache Melodien, dann reicht mir sicherlich ein Mindestmaß an Technik. Höre ich jedoch komplexe, mehrstimmige Läufe, so muss auch mein Anspruch an die Spieltechnik höher sein. Demnach bestimmt der Künstler selbst, wie hoch der technische Anteil an seiner Kunst ist.

Fazit:

Eine gute Technik ist kein Ausschlusskriterium für Feeling, sondern kann im Gegenteil die Voraussetzung dafür sein, Visionen umzusetzen. Möchte ich mit meiner Musik Menschen bewegen, dann funktioniert das nicht ohne ein Mindestmaß an technischen Fähigkeiten wie einer halbwegs akkuraten Intonation oder Timing-Sicherheit. Die beste Idee ist ohne Bedeutung, wenn ich nicht in der Lage bin, sie der realen Welt darzubieten. Aber auch die beeindruckendsten technischen Fähigkeiten sind ohne Wert, wenn ich sie nicht vernünftig in einen musikalischen Kontext einbringen kann. Fakt ist, dass ein musikalischer Gitarrist seine Musikalität nicht verliert und sich darüber hinaus neue Möglichkeiten erschließt, wenn er sich eine gute Technik aneignet. In diesem Sinne: Arbeitet am besten an beiden Baustellen, um das Facettenreichtum des Musikerdaseins zu verstehen.

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