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Ruiniert Youtube deine Karriere als Musiker?

Die Sozialen Medien und sicherlich allen voran YouTube gehören in den letzten beiden Jahrzehnten wohl zu den größten Gamechangern für Musiker. Wie zu jeder technischen Errungenschaft der Menschheitsgeschichte gibt es jedoch auch hier zwei Seiten der Medaille, gefolgt von der Erkenntnis, dass letztendlich jede neue Technik einen neuen Umgang und damit auch Verantwortung verlangt.

(Bild: © Shutterstock.com 699111907 Von PixieMe)
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Inhalte
  1. Die Freiheit des einen als Einschränkung des anderen
  2. Fehlervoyeurismus
  3. Breites Angebot vs. Fokus
  4. Vielfalt vs. Auffindbarkeit
  5. Neue Berufsmöglichkeiten
  6. Fazit


Im folgenden Artikel möchte ich euch auf ein paar Gedanken stoßen, die sowohl User als auch Künstler im Zusammenhang mit dieser Plattform seit Längerem umtreiben.

Quick Facts:

  • YouTube bedeutet einerseits große Freiheit für den Konsumenten, schränkt Künstler jedoch häufig ein, weil ihre Auftritte gefilmt und veröffentlicht werden.
  • Viele erfreuen sich an sogenannten “Fail”-Videos, obwohl Fehler etwas zutiefst Menschliches sind und nichts über die wahre Qualität eines Künstlers aussagen.
  • Das Überangebot an Musik und Tutorials bietet zwar eine große Auswahl, macht es aber gleichzeitig schwerer, wirklich Neues zu entdecken und seinen Weg zu finden.
  • Aber YouTube eröffnet Musikern mit vielen neue Berufsbildern auch Chancen, vom eigenen YouTube-Kanal über Tutorials, Werbevideos bis zum Internet-Journalismus.
  • Die Vorteile des Netzes und der diversen Plattformen überwiegen die Nachteile, wenn der Gesetzgeber und jeder für sich seiner Verantwortung bewusst ist.

1. Die Freiheit des einen als Einschränkung des anderen

Als Konsument genießt man durch YouTube natürlich immense Freiheiten. Jeder Song ist auffindbar, inklusive Spieltutorial, samt Diskussion darüber, und darüber hinaus findet man noch diverse Interpretationen und Cover-Varianten. Auch Livekonzerte aller unserer großen Stars sind nur noch einen Mausklick entfernt, und jedes beiläufig geführte Interview oder das Spielen auf einem Jam wird umgehend zu einem in Stein gemeißelten Dokument.
So interessant dies für den User ist, so sehr schränkt es den Künstler ein, und es ist keine Frage, dass dieser daraus seine Konsequenzen zieht. Pat Metheny brachte in einem Interview sein Bedauern darüber zum Ausdruck, wie er früher nach Konzerten noch bei Jazz-Sessions vor Ort eingestiegen, sich ausprobiert und eben auch “just for fun” mit anderen Musikern gespielt hat, dies nun aber nicht mehr will, da alles sofort zur Weltpremiere wird. Ähnlich bei anderen Bands oder Stand Up Comedians, die ihre Songs oder Sketche erst vor einem kleineren Publikum testen wollen, bevor sie in ein festes Programm übernommen werden – vieles davon wird durch sofort aufblitzende Handys unmöglich gemacht, denn nichts ist mehr ungezwungen oder beiläufig.
Vielleicht sollte sich hier der eine oder andere notorische Handy-Filmer ein paar Gedanken mehr darüber machen, ob der Schaden, den er auch für andere anrichtet, nicht unter Umständen größer ist als der Nutzen, den er aus dem qualitativ schlechten Video ziehen kann. Zumal es auch immer mehr Künstler gibt, die Handys auf Konzerten verbieten oder ihre Performance sogar abbrechen.

2. Fehlervoyeurismus

In Stars und Vorbildern sieht man gerne Figuren, die schon fast etwas gottähnliches, und unfehlbares haben. Gerade das Wissen, dass man jemanden bewundert, dessen spielerische Qualität, öffentliche Anerkennung und finanzieller Status für die meisten unerreichbar sind, übt altersunabhängig einen gewissen Reiz aus. Seine Idole dann live zu erleben, bei einem Event mit einer perfekten Show, das haargenau so nie wieder stattfinden wird und bei dem unkorrigierbare Fehler jederzeit möglich wären, stellt für das Publikum ein Spannungsfeld und Faszinosum dar.
Viele Menschen sind bedauerlicherweise stark fehlerfokussiert, und so werden nicht nur Ruhmesvideos, sondern mit Vorliebe Livemitschnitte als “Fail”-Videos ins Netz gestellt, in denen auch Stars sich mal verhaspeln. Und die Klickzahlen dieser Videos sprechen eine sehr deutliche Sprache, wenn es darum geht, wie gerne man Menschen scheitern sieht. Dann heißt es “Feuer frei” für Spottkommentare von Personen, die in der Anonymität des Netzes ungestört ihre Hasstiraden abliefern dürfen.
“If you don’t make mistakes, you aren’t really trying” lautet ein Satz von Coleman Hawkins, zu deutsch:“Wer nie Fehler macht, strengt sich nicht genug an”. Das Wundervolle an Musik ist – vor allem, wenn sie improvisiert wird – dass in der Regel weder Künstler noch Publikum hundertprozentig wissen, was in einer Aufführung alles passieren kann. Möglicherweise wird der Gig der beste oder auch der schlechteste, den man gerade abgeliefert hat, und das beinhaltet nun mal auch die Möglichkeit, dass etwas schiefgehen kann.
Dieses besondere Erlebnis wird naturgemäß zerstört, wenn Musiker dazu gezwungen werden, auf Nummer sicher zu gehen, sich Soli zurechtzulegen oder eben so weit unter ihrer Leistungsgrenze zu spielen, dass sie die Internet-Trolle nicht mit Stoff versorgen. Der Leidtragende ist auch hier in erster Linie der Konsument, aber auch die Kunst im Ganzen, die sich ja auch durch Grenzüberschreitung und Ausprobieren weiterentwickelt.
Einzelne Fehler sind irrelevant und sagen über die Qualität des Musikers gar nichts aus. Die Tatsache, dass auch die großen Heroes mal danebenlagen, sollte uns Musikern sogar etwas Druck nehmen und auch die Blockade zerstören, zu glauben, dass man es selbst durch Üben niemals so weit bringen wird. Grund für Spott und Häme sollte es jedenfalls nie sein!

3. Breites Angebot vs. Fokus

Jeder kennt das Phänomen: Man übt gerade fleißig an einem Topic, das man sich schon seit längerem vorgenommen hat, und plötzlich sieht man wieder ein Video von irgendeinem “Steve”, der etwas ganz anderes noch viel toller kann. Ruckzuck sind alle Vorhaben und der Übefokus verschwunden, weil man sich denkt: “Das ist cool, das müsste ich eigentlich auch noch üben”.
You Tube hat alle erdenklichen Spieltechniken, Songs und Tutorials direkt in unser Wohnzimmer gebracht, und das ist ein wahrer Segen. Allerdings nur, wenn man mit dem Angebot verantwortungsvoll und fokussiert umgehen kann. Denn so leicht es ist, jede erdenkliche Information zu erhalten, so leicht ist es auch, sich von einem vorgenommen Weg, der erfahrungsgemäß auch viel Zeit und Konzentration in Anspruch nimmt, abbringen zu lassen. Das Ergebnis ist, dass man tausend Dinge ein bisschen beherrscht aber eigentlich nichts richtig, wodurch Frust vorprogrammiert ist.
Hinzu kommt, dass es nach meiner Beobachtung, in der Musik keine Abkürzungen gibt: Wer gut sein will, muss sich intensiv mit seinem Stoff auseinandersetzen und gerade dabei ist der Weg das Ziel. Wer für alles Tutorials und Transkriptionen zurate zieht und nie selbst einen Song heraushört, beraubt sich der wichtigsten Lektionen, die ein Musiker erhalten kann und dem wichtigsten Zündfunken für die Motivation: etwas aus eigener Kraft geschafft zu haben.

4. Vielfalt vs. Auffindbarkeit

Gab es früher noch Plattenfirmen, die wie ein Filter bestimmt haben, welcher Künstler den Markt betreten “darf”, und die damit jeden Monat ein überschaubares Sortiment an Neuveröffentlichungen (wie sinnvoll die Auswahl war, sei dahingestellt) zusammengestellt haben, so hat heute jeder die Möglichkeit, seine kreativen Ergüsse ins Netz zu stellen. Immerhin gibt es einige Künstler, deren komplette Karriere nur oder zu einem großen Teil den sozialen Medien zu verdanken ist. Diese Entwicklung ist zu begrüßen, weil sie in gewisser Art und Weise eine Demokratisierung des Ruhms darstellt.
Allerdings macht es das Überangebot an Künstlern, aber auch an z.B. Tutorials extrem schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen und das wirklich Relevante auch tatsächlich zu entdecken – wie die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen. Insofern bedeutet die Vielfalt auch, dass man sich eine längere Zeit mit dem Angebot auseinandersetzen muss oder noch stärker auf die Empfehlungen Dritter angewiesen ist, um diese eine Band zu finden, die man schon immer hören wollte.

5. Neue Berufsmöglichkeiten

YouTube hat neben allen Problemen und Risiken jedoch zweifelsohne einen großen Markt für uns Musiker eröffnet und bietet damit Chancen für einen Berufsstand, der es nicht immer leicht hatte und hat, und das geht über das Promoten der eigenen Band und der eigenen Songs weit hinaus. Verdienst- und Karrieremöglichkeiten, die sich bieten, sind z. B. eigene YouTube-Kanäle, die sich mit Produktinformationen, Reviews, Tutorials oder einfach nur Gedanken rund um die Musik beschäftigen.
Auch die Arbeit für die Musikindustrie kann ein neues Betätigungsfeld sein, da das Internet in vielen Bereichen die Printmedien ablöst bzw. ergänzt hat und Werbung viel häufiger in Form eines Produktvideos als eines DIN A4-Inserats stattfindet.

6. Fazit

Bei allen Überlegungen rund um das Phänomen YouTube und Internet muss man sich eingestehen, dass den vielen kritischen Punkten doch eine ganze Anzahl an handfeste Fakten gegenübersteht, die diese Entwicklung in ihrer Gesamtheit eher positiv bewerten lässt, denn die Chancen und Möglichkeiten überwiegen die Probleme bei Weitem.
Prinzipiell bleibt es die Aufgabe einer Gesellschaft oder auch die des Gesetzgebers, die Nachteile auszugleichen. Dazu gehört meiner Meinung nach das konsequente Ahnden des Filmens auf Konzerten, wenn der Künstler das nicht wünscht, oder auch die adäquate Vergütung von Songs, wenn sie ohne die erforderlichen Rechte im Netz hochgeladen werden.
Viele andere Punkte liegen beim Konsumenten selbst und haben letztendlich alle mit Verantwortung und Respekt dem Künstler gegenüber sowie der “Netiquette” zu tun.
Fakt ist: Eine Entwicklung, die sich über Jahre etabliert hat, wird sowieso nicht ohne Weiteres wieder verschwinden. Deshalb bringt Jammern uns nicht weiter, sondern es liegt vielmehr in der Verantwortung des Einzelnen, dafür zu sorgen, dass für Künstler auch weiterhin ein lebenswertes Umfeld erhalten bleibt, denn die Konsequenzen haben am Ende des Tages beide Seiten zu tragen.

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