Rupert Neve Designs Mic Pre Portico 511 für das API-500-Format ist bei uns im Test. Zweifelsohne gehört Rupert Neve zu den größten Legenden unserer Branche. Bereits in den 40er-Jahren hat der Brite Rupert Neve mit Audioschaltungen experimentiert, allerdings ging es dabei vornehmlich um Radios. In den 50ern gründete er eine Firma für Röhrenverstärker und Lautsprecherboxen, um 1960 schließlich baute er sein allererstes Mischpult – eine Einzelanfertigung auf Röhrenbasis.
Als sich im Laufe der 60er-Jahre die Transistortechnik etablierte, schwenkte Rupert Neve um: Er baute Mischpulttechnik zunächst auf Basis von Germaniumtransistoren, gegen Ende des Jahrzehnts dann auch mit Siliziumbauteilen. Nur wenige Jahre in dieser äußerst fruchbaren Schaffensperiode genügten, um eine der größten Legenden der Studioequipment-Branche zu kreieren. Um 1970 kamen Mischpulte mit Neves Kanalmodulen 1066 und 1073 auf den Markt, wenig später folgte deren Luxusversion 1084. Mischpulte, die mit diesen Eingangskanälen bestückt sind, zählen noch heute zu den am meisten begehrten Tracking-Konsolen, Vintage-Kassetten müssen beim Kauf mit Gold aufgewogen werden. Doch schon um 1975 verkaufte Rupert Neve seine Firma und machte sich fortan mit einer Consulting-Firma (ARN Consultants) selbständig. In den 80er-Jahren designte er Schaltungen für Focusrite und in den 90er-Jahren für Amek. Doch es sollte eine ganze Zeit dauert, bis er wieder unter eigenem Namen tätig sein sollte. Seit 2005 firmiert ARN Consultants als Rupert Neve Designs. Aus dem zunächst überschaubaren Angebot an 9,5“-Geräten der „Portico“-Serie ist mittlerweile eine enorme Produktpalette geworden, die im gegenwärtigen Flaggschiff, der ausgewachsenen Class-A-Konsole 5088 gipfelt. Dem 500-Markt kann sich der Hersteller nicht verschließen, daher ist eine ganze Palette von RND-Modulen auch für APIs Kassettenstandard erhältlich.
Details
Portico auf API-500 portiert
Der Portico 511 ist ein Mikrofonvorverstärker, der die schaltungstechnischen Qualitäten der Designs Rupert Neves auch in der Form einer kleinen 500-Kassette rüberbringen soll. Laut Wahl-Texaner Neve war es keine ganz triviale Aufgabe, seine Schaltungen an die räumlichen und netzteiltechnischen Limitierungen des 500-Standards anzupassen. Ob dies gelungen ist, werden wir selbstverständlich im Laufe dieses Testes klären.
Grobes Gain, feines Trim
Zunächst einmal die harten Fakten: Im Kern handelt es sich beim RND 511 um einen Class-A-Transistorpreamp, der maximal 72 dB Gain zur Verfügung stellt und mit ein paar Interessanten Funktionen aufwarten kann. Ein Drehschalter erlaubt in 6dB-Schritten die grobe Voreinstellung der Verstärkung zwischen 0 und 66 dB. Anschließend übernimmt ein mittengerastertes Poti das Feintuning in einem Bereich von ±6 dB. Der 511 bietet +48 V Phantomspeisung ebenso wie einen Schalter zur Phaseninvertierung. Zudem stehen noch zwei weitere Funktionsgruppen zur klanglichen Anpassung bereit: Ebenfalls per Schalter kann ein Hochpassfilter aktiviert werden, das bei einer Flankensteilheit von 12 dB/Oktave stufenlos zwischen den Frequenzen 20 und 250 Hz justiert werden kann. Es bietet sich also nicht nur für die Entfernung von Trittschall an, es kann auch zur Kompensation des Nahbesprechungseffektes eingesetzt werden und sogar so hoch eingreifen, dass man Signale förmlich klanggestaltend ausdünnen kann.
Seidigkeit nach Wunsch
Am Ausgang schließlich arbeitet die sogenannte „Silk“-Schaltung, die in praktisch allen Geräten von Rupert Neve Designs zum Einsatz kommt. Hier müssen wir etwas weiter ausholen: Rupert Neves aktuelle Designs sind auf Smoothness bei großer Bandbreite ausgelegt, ähnlich wie die Vorverstärker im aktuellen Flaggschiff von AMS-Neve, der 88R-Konsole. Das bedeutet in diesem Fall: saubere, offene Class-A-Schaltungen, die auf hohe Bandbreite und hohen Dynamikumfang hin optimiert wurden – mithin also auf ein Klangbild, das eher auf große Signaltreue als auf krasse Färbungen hin entwickelt wurde. Nun sind Neves klassische Designs der 1066/1073/1084-Familie ja vor allem auch für ihren speziellen Sound gerühmt, für das satte „Eisen“ im Klang, also das leicht reibelig-samtige Sättigungsverhalten der Audio-Übertrager, die in diesen Modulen zum Einsatz kommen. Rupert Neves aktuelle „Silk“-Schaltung wurde entwickelt, um der smooth-sauberen Portico-Schaltungstechnik doch noch einen guten Schuss Hochprozentiges zu verleihen. Genauer gesagt: Das „Texture“-Poti in der Silk-Schaltung reduziert die Gegenkopplung am Ausgangsübertrager, dessen klangfärbende Eigenschaften damit zunehmend von der Leine gelassen werden. Im Klartext: Der 511 bietet schaltungstechnisch nicht nur eine saubere Übertragung mit hoher Signaltreue an, sondern man kann diesem Grundklang praktisch stufenlos „Neve-Sound“ injizieren, bis die gewünschte Dosis erreicht wurde.
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Viele LEDs, solide Hardware
Sämtliche Schaltfunktionen werden mit LEDs untestützt, und dazu bietet der Preamp noch eine LED-Kette mit acht Segmenten für die Pegelanzeige sowie eine weitere Power-LED, die leuchtet, sobald der 500-Frame unter Strom gesetzt wurde. Zu den Äußerlichkeiten gehören weiterhin noch das in Crème gehaltene Design, die visuell und haptisch schönen Aluminium-Potikappen sowie ein Gehäuse mit vollständig geschlossener Bauform.
Ein echter und ein “virtueller” Übertrager
Lüftet man den Deckel, so wird der Blick frei auf einen sehr sauber gefertigten Mix aus konventionellen und SMD-Bauteilen. Beherrschendes Element der Schaltung ist sicherlich der proprietäre Ausgangsübertrager. Ein Eingangsübertrager ist nicht vorhanden, stattdessen setzt auch der 511 auf den von anderen RND-Geräten bereits bekannten „Transformer-like Amplifier“ (T.L.A.), welcher am Eingang über ein spulenbasiertes Filter zur Unterdrückung von Gleichspannung vefügt und „obenrum“ erst bei 150 kHz dicht macht.
Kein alter Wein in neuen Schläuchen
Insgesamt wird deutlich, dass Rupert Neve keineswegs in der ersten Hälfte der 70er-Jahre stehengeblieben ist, also in dem Zeitraum, in dem er seine größten Klassiker entwickelte. Der RND ist in allen Parametern ein „modernes“ Gerät, auf der Höhe der Zeit konzipiert und gefertigt, insofern kein Retro-Teil, sondern definitiv ein Bekenntnis zur Jetztzeit.