Rupert Neve Designs Portico II Master Buss Processor zum Review bei bonedo. Der Name Rupert Neve ist seit vielen Jahrzehnten mit der Premium-Liga verknüpft. Mit der Portico-II-Serie setzt die Engineer-Legende nun nochmals einen drauf: Sie markiert sozusagen den Maybach im Fuhrpark von Rupert Neve Designs.
Flaggschiff und Herzstück der Portico-II-Serie ist die ultradicke 5088-Konsole, ein Class-A-Pult, das Genießerherzen höher schlagen lässt, allerdings auch entsprechend viel kostet. Wer den Class-A-Edelsound dieser Konsole genießen möchte, aber weder Platz noch Budget (noch möglicherweise Bedarf) für solch ein Dickschiff hat, dem wird mit den 19“-Einheiten der Portico-II-Serie geholfen. Diese basieren auf der gleichen Schaltungstopologie, werden aber eben in etwas leichter verdaulichen Gehäusegrößen angeboten. Neben einem umfangreich ausgestatteten Channelstrip hat RND hier auch den Master Buss Processor im Programm, einen VCA-Stereokompressor mit zusätzlichen Stereo Field Editor (aka M/S-Matrix mit verschiedenen Einstellmöglichkeiten). Dieses Gerät wollen wir uns nun einmal genauer anschauen!
Details
Enormer Funktionsumfang
Bereits auf den allerersten Blick macht der Master Buss Processor klar, dass hier mit größtem Anspruch gearbeitet wurde. Das gesamte Erscheinungsbild der Portico-Geräte ist mittlerweile (und vor allem nach dem cremefarbenen Facelift) ausgesprochen wertig, die Vielzahl an Einstellmöglichkeiten positioniert den Master Buss Processor im Spitzenfeld dessen, was der Markt in Bezug auf diese Frage so hergibt. Mir fällt schlichtweg kein Parameter ein, den ich gerne kontrollieren würde, und der hier nicht vorhanden ist.
Voltage Controlled Amplifier
Aber der Reihe nach! Es handelt sich beim Master Buss Processor um einen VCA-Kompressor, anders ließe sich dieser Funktionsumfang auch kaum realisieren. Beide Stereokanäle sind absolut identisch aufgebaut und lassen sich wahlweise unabhängig voneinander oder verkoppelt betreiben. Erst einmal verfügt der Master Buss Processor über alle fünf Basis-Parameter, die wir bei so gut wie jedem VCA-Comp finden: Threshold (-30 bis +20 dB), Gain (0 – 20 dB), Attack (20 – 80 ms), Release (0,1 – 3 s) sowie Ratio (1:1 – 40:1). Auffällig ist hier vor allem der Attack-Parameter, dessen kürzester Wert mir immer noch ganz schön lang erscheint und ganz deutlich signalisiert, dass das Gerät (wie der Name ja auch schon sagt…) primär für die Bearbeitung von Summensignalen konzipiert wurde.
Umfangreiche Sidechain-Ausstattung
Der Sidechain lässt sich flexibel beeinflussen. Es steht hier ein Hochpass bei 250 Hz zur Verfügung, wahlweise kann mit Feedback- oder Feed-Forward-Kompression gearbeitet werden. Zudem beherrscht der Master Buss Processor Peak- und RMS-Detektion gleichermaßen, er spricht also entweder auf die tatsächlichen Spannungsspitzen des Eingangssignals an oder aber auf einen entsprechend dem ungefähren menschlichen Hörempfinden gemittelten Pegel. Falls das noch nicht reicht, so kann der Sidechain auch mit einem externen Signal (via der rückseitigen Send- und Return-Buchsen) gefüttert werden, wobei dieser Abgriff ebenfalls mit einem Schalter aktiviert werden kann. Manche Geräte verfügen ja nur über Schaltbuchsen, das ist hier also ebenfalls so komfortabel wie möglich gelöst.
Für dich ausgesucht
Mittels eines Blend-Potis beherrscht der Master Buss Processor die heute unvermeidliche Parallelkompression ohne zusätzlichen Patch- und Routingaufwand. Und schließlch bietet die Kompressorsektion noch einen zusätzlichen Einknopf-Limiter, dessen Funktionsweise sich gewissermaßen auf den eigentlichen Kompressor draufsetzt: Es handelt sich hier nicht um ein separates Regelelement, sondern im Prinzip um einen zweiten Sidechain, dessen Signal mit dem Kompressor-Sidechain kombiniert wird und somit denselben VCA ansteuert. Einstellen lässt sich lediglich die Ansprechschwelle des Quasi-Brickwall-Limiters – er verfügt nicht nur über eine adaptive Zeitkonstantenschaltung, die nicht nur vom Threshold-Parameter selbst, sondern auch noch vom Audosignal beeinflusst wird. Und zusätzlich wurde ein Softclipper in den Limiter integriert, um Transienten sicher abzufangen. Zumindest auf dem Papier ist dies also ein Rundum-Sorglos-Paket!
Darf nicht fehlen: Silk
Schließich lässt sich aus der Kompressor-Sektion heraus noch die sogenannte „Silk“-Schaltung aktivieren, die Rupert Neve praktisch allen seinen aktuellen Prozessoren spendiert. Diese liegen ja klanglich erst einmal auf der sauberen, transparenten Seite, haben zunächst wenig gemein mit den sämig-reibeligen Klangfärbungen, die seine legendären Vintage-Designs aus der 10XX-Familie auszeichnen. Mittels Silk kann dieser Klangcharakter aber in die aktuellen Prozessoren integriert werden, und zwar stufenlos zumischbar – die Porticos bieten also gewissermaßen das beste beider Welten. Technisch gesehen reduziert Silk die Gegenkopplung in den Ausgangsübertragern und lässt damit sukzessive deren klangfärbenden Eigenschaften von der Leine. Dieser Eeffekt lässt sich abschalten, stufenlos per Poti intensivieren, und zudem stehen mit „Blue“ und „Red“ noch zwei unterschiedliche Modi zur Verfügung: es werden hier jeweils unterschiedliche Frequenzbereiche betont, entweder tiefere Mitten oder höhere Frequenzen.
Mitte-Seite-Kompression möglich
Rechts von der Kompressorsektion liegen die Bedienlemente des Stereo Field Editors. Dies ist insofern etwas ungewöhnlich, als dass diese Sektion im Signalweg vor dem Kompressor liegt, gleich hinter den Eingangsübertragern. Aufgeteilt ist der SFE-Prozessor in die beiden Sektionen „Depth“ und „Width“, wobei sich dahinter schlicht die M- und S-Anteile des Stereosignals verbergen. Beide können getrennt im Pegel beeinflusst werden, das sich unter anderem in einer Veränderung der Stereobasisbreite niederschlagen kann. Diese Pegelveränderung kann falls erforderlich auch frequenzselektiv erfolgen, es stehen dazu jeweils vier EQ-Presets zur Verfügung (LF, LM, HM, HF). Per Schalter kann der Kompressor in die M/S-Matrix integriert werden. Dann bearbeitet erwartungsgemäß der linke Kanals das M- und der rechte Kanal das S-Signal.
Pegelanzeigen
Schließlich bietet der Master Buss Processor noch eine umfangreiche – und gutaussehende – Metering-Sektion, die über insgesamt vier Bargraph-Anzeigen für die Pegelreduktion und den Ausgangspegel verfügt. Der Netzschalter liegt auf der Frontplatte, auf der Rückseite gibt es zusätzlich noch einen Ground-Lift-Schalter. Wie bereits erwähnt, werden die Ein- und Ausgänge, die rückseitig an XLRs anliegen, mit Übertragern symmetriert. Leider wurden für die Sidechain-Inserts jedoch nur unsymmetrische Klinkenbuchsen vorgesehen – symmetrische Anschlüsse wären auch hier standesgemäß.
Blick unter die Haube
Dafür ist die Verarbeitung, die Bauteil-Ausstattung und auch die Schaltungskonzeption ansonsten aber so highendig, wie man das bei der Premium-Linie von Rupert Neve erwarten sollte – und bei diesem Kaufpreis übrigens auch muss. Es fallen die riesengroßen Ausgangsübertrager auf, die interessanterweise in Form von Ringkerntrafos daherkommen, und die laut Handbuch – was ich gerne glauben mag – die größten ihrer Art sind, die Mister Neve jemals verbaut hat. Die diskreten Transistor-Class-A-Schaltung werden vom großzügig dimensionierten Netzteil mit satten ±36 Volt versorgt. Das ist erheblich mehr als bei den meisten anderen Geräten, man darf demnach eine große Bandbreite der Audioschaltung erwarten, mit hoher Dynamik und hervorragender Impulswiedergabe. In der Fertigung verlässt sich RND zu einem guten Teil auch auf die SMD-Bauweise. In technischer Hinsicht ist der Master Buss Processor also ein Hybrid, der Vintage- und moderne Schaltungsaspekte miteinander verbindet. Hervorheben möchte ich noch, dass in alle Schalter eine LED-Beleuchtung integriert ist. Das sieht erstens gut aus, viel wichtiger ist jedoch, dass sich der Status aller Schaltvorgänge jederzeit hervorragend ablesen lässt.
BoomBoomBass sagt:
#1 - 16.12.2014 um 13:46 Uhr
Hallo,
warum ist die unsymmetrische Sidechain
nachteilig? Könnte man das Send-Signal
direkt an eine DAW senden und so auch eine
M/S Recording machen oder ist die
Audioqualität der SC degradiert?SG