Praxis
Trotz der Parameter-Vollausstattung macht es einem der Rupert Neve Portico II Master Buss Processor ziemlich leicht, zügig zu guten Resultaten zu kommen, ohne dass man dabei den Faden verliert. Das Layout der Frontplatte ist übersichtlich gelöst, und das ist auch gut so, denn es wollen nicht weniger als 20 Potis und 19 Schalter organisiert werden. Dabei kommt dem Master Buss Processor zugute, dass in alle Schalter farbige LEDs integriert wurden, so dass man wirklich immer und überall über den Betriebsmodus des Gerätes bestens informiert ist.
Was die Funktionen (beziehungsweise die Parameterbereiche) betrifft, so gibt es zwei Kritikpunkte. Die kürzeste Attackzeit ist mit 20 Millisekunden ganz schön lang; das ist nicht weiter wild, solange man wirklich „nur“ Summenbearbeitung mit dem Master Buss Processor machen möchte. Aber für den Einsatz auf Subgruppen wären schnellere Attackzeiten erstens in technischer Hinsicht gar kein Problem gewesen und zweitens sehr wünschenswert. Hier limitert Rupert Neve Designs das mögliche Anwendungsfeld des Gerätes also unnötig. Auf der Wunschliste stünde zudem noch ein stufenlos durchstimmbares Sidechainfilter. Aber das ist kein Kritikpunkt, denn über die – leider nur unsymmetrischen – Sidechain-Inserts hat man hier alle Freiheiten.
Bei der Rackmontage sollte man überlegen, ob man nicht ober- und gegebenenfalls auch unterhalb des Gerätes etwas Platz zur Luftzirkulation lässt. Die ±36V Versorgungsspannung für die üppigen Class-A-Schaltkreise merkt man nämlich auch daran, dass das Gerät doch recht warm wird. Die Lüftungslöcher im Gehäusedeckel erscheinen mir ausreichend, aber man sollte sie eher nicht mit einem direkt darüber montierten Gerät blockieren. Auch eine andere Zahl vedeutlicht diese Wärmeentwicklung: Die Leistungsaufnahme des Master Buss Processors ist mit 85 Watt für ein 19“-Gerät ungewöhnlich hoch. Und die Abwärme muss eben irgendwo hin… Auch dies ist aber nicht als schwerwiegender Kritikpunkt zu verstehen. Wenn es um Headroom und Impulswidergabe geht, dann hilft viel eben viel.
Nun aber zum Hauptthema, dem Klang! Der Master Buss Processor präsentiert sich mit einem transparenten und offenen Signalweg, ganz so, wie wir das von einem aktuellen RND-Prozessor erwarten. Wenn man das Gerät nicht (via „Silk“-Option) absichtlich in die Knie zwingt, dann bleibt der Klang auch bei ordentlichem Kompressionshub sehr stabil, wobei man dem Master Buss Processor tatsächlich stets typische VCA-Comp-Attribute entlocken kann. Die Kompression ist knackig, ordentlich konturiert, kann im Feed-Forward-Modus teilweise gar ein bisschen ins Analytische spielen. Dabei fehlen dem RND-Comp aber die ruppige Mittigkeit eines SSL-Kompressors und auch der ultimative Bass-Punch eines API 2500. Vielmehr klingt das Gerät stets eher luftig und offen, mit einer leichten Tendenz zum seidig verrundeten Klang – es handelt sich hier definitiv eher um einen Schöngeist als um einen raubauzigen Charakter!
Im Rahmen dieser recht weit gesteckten Möglichkeiten laden die zahlreichen zusätzlichen Funktionen dazu ein, das Ergebnis wie gewünscht zu verfeinern. Je nach Setting und Anwendungsgebiet fallen diese Unterschiede subtil bis drastisch aus, das liegt ganz am jeweiligen Audiomaterial – und je stärker die Pegelreduktion, desto deutlicher treten natürlich auch die Klangunterschiede der verschiedenen Optionen zu Tage. Dank des Featuresets eignet sich der Master Buss Processor für schlichtweg alle Anwendungsgebiete, die nicht durch die geringster Attackzeit von langen 20 ms von vornherein ausgeschlossen sind. Funktionen wie die Feedback-/Feed-Forward-Umschaltung sorgen dabei für erwartungsgemäße Klangresultate: auf der einen Seite etwas präziser, auf der anderen etwas weicher schwingend. Äußerst effektiv gibt sich aber die Silk-Funktion: Hier lässt sich eine deutliche Obertonanreicherung spielerisch und haarfein dosieren, die beiden Modi („Red“ und „Blue“) sorgen für einen sehr plakativen Klangunterschied: Während der blaue Modus das Signal spürbar dringlicher und aggressiver in den Präsenzen macht, sorgt „Red“ für eine sämige Fülle in den oberen Bässen und Tiefmitten – man also zwei mächtige Tools an der Hand, mit denen man das Ergebnis eher frischer oder eher wärmer machen kann.
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Beachtet man die grundsätzlich gebotene Vorsicht, dass man es mit Stereobasiseffekten nicht übertreiben sollte, dann macht auch die Depth/Width genannte M/S-Matrix einen sehr guten Job. Auch eine (leichte) Anhebung des Seitensignals ist eine gute Methode, um einem Signal mehr Fülle zu verleihen. Und über diese Basisfunktion geht diese Sektion ja deutlich hinaus, da man sowohl in der Mitte als auch in der Seite auf Wunsch frequenzselektiv zu Werke gehen kann. So kann man etwa Wärme-Frequenzen des Pianos in der Seite anheben und gleichzeitig in der Mitte spitze Cymbals etwas reduzieren. Aufgrund der EQ-Presets sind hier allzu feinen Operationen natürliche Grenzen gesetzt, aber hilfreich kann dieses Add-On allemal sein, zumal man ja auch noch den Kompressor in die M/S-Matrix integrieren kann und dann Mitte und Seite auch in der Zeitdomäne unabhängig voneinander kneten kann.
BoomBoomBass sagt:
#1 - 16.12.2014 um 13:46 Uhr
Hallo,
warum ist die unsymmetrische Sidechain
nachteilig? Könnte man das Send-Signal
direkt an eine DAW senden und so auch eine
M/S Recording machen oder ist die
Audioqualität der SC degradiert?SG