Praxis
Kopfhörer spielen eine immer größere Rolle
Headphones werden in Produktionen immer wichtiger, schließlich sind sie insgesamt preiswerter, mobiler, emmissionsärmer und von Raumakustik unabhängiger als Lautsprechersysteme. Insofern stellt sich die Frage eigentlich kaum, ob ein hochwertiger, externer Kopfhörerverstärker gerechtfertig ist – er ist es. Allemal praktisch ist es, dass der Rupert Neve Designs RNHP drei verschiedene Eingänge besitzt, die ausgewählt werden können (und noch dazu knackfrei laufen). Besonders dann, wenn eben etwas über ein Consumergerät gegengecheckt werden soll. Ich wüsste natürlich einige Setups, bei denen man sich zwei getrennt voneinander auswählbare +4dB-Eingänge wünschen würde. Und klar, viele Amps bieten diverse Extras, die auch dem Neve gut zu Gesicht stehen würden. Ich denke da nicht einmal an Crossfeed-Funktionen, sondern beispielsweise an einen Mono-Switch.
Der RNHP hat genug Leistung für moderne Kopfhörer
Mit seiner Leistung schafft der RND RNHP es spielend, modernen Kopfhörern einen entnormen Schalldruck zu entlocken. Besonders natürlich solche, die dem Signal wenig entgegensetzen, also besonders 32- oder gar 16-ohmige, können richtig laut spielen. Mein alter AKG 240DF hingegen hat dem Amp ein wenig zu viel zu arbeiten gegeben. Das ist bei 600 Ohm pro Seite allerdings auch kein Wunder. Auch mit niederohmigen Kopfhörern muss man nicht befürchten, bei hohen Pegeln über Gebühr Zerrung zu erhalten. Ich möchte trotzdem an dieser Stelle zu Vorsicht mit dem Gehör mahnen. Erfreulich leise ist dagegen das Rauschen. Auch wenn die Quelle nicht sonderlich hoch gepegelt ist und der RNHP viel aufholen muss, ist der Rauschteppich so gering, wie man es sich von einem Gerät dieser Preisklasse wünschen kann. Diese Aussage gilt wie einige, die folgen werden, nur eingeschränkt für den Miniklinken-Eingang – wer ausprobieren will, welchen negativen Einfluss die analoge Schnittstelle auf den Klang haben kann, der hat mit dem RND-Verstärker eine hervorragende Möglichkeit, dies herauszufinden.
Räume beurteilen? Klappt gut!
Rupert Neves Kopfhörerverstärker trägt seine genauere Bezeichnung nicht einfach nur aus Marketinggründen, sondern passt tatsächlich. Die Präzision im Klang wird erreicht durch eine wirklich sehr gute Dynamik und trockene Impulswiedergabe, von der besonders ebenfalls „schnelle“ Kopfhörer profitieren. Dadurch ist die Auflösung in den Höhen enorm, was beispielsweise die Beurteilung von Raumrückwürfen mit einer hohen Genauigkeit ermöglicht. In diesen Punkten gibt es nur ein System, welches diesbezüglich (wie eigentlich immer) die Nase vorn hat… und zwar mein Stax-Elektrostat mit seinem proprietären Speise-/Verstärkungsteil. Und wo ich gerade von Räumen spreche: Die Ortungsschärfe ist deutlich höher als bei der Art Headphone-Amp, die etwa in norlame Audio-Interfaces eingebaut sind. Auch beim Crosstalk und beim Channel Matching spielt der RNHP also weit vorne mit.
Nicht so bauchig und wummerig wie viele HP-Outs
Der Frequenzgang ist unauffällig. Und das meine ich positiv. Keine künstliche Höhenanhebung, um Transparenz vorzugaukeln, keine Bassanhebung für den „dicken“ Sound: Der RNHP ist ausgewogen. Die Kopfhörerausgänge meines iMacs und meines MacBooks, sowie die von Audiointerfaces der Einsteiger- und der Mittelklasse klangen allesamt etwas bauchiger, aber eben auch wummeriger. Mithalten konnte diesbezüglich erst der ifi iDSD, das ist ein portabler DA-Wandler mit hochwertigem Kopfhörerverstärker. Einziger signifikanter Unterschied ist, dass der ifi in den Höhen etwas mehr reibt, kratziger und dadurch etwas weniger clean und transparent klingt als der Neve. Nicht zuletzt dadurch ist der RND ein Stück langzeittauglicher, weil er nicht so sehr anstrengt – im Tonstudio ein gewichtiges Argument.
Kopfhörerausgang eines guten DA-Wandlers kann fast mithalten
Überrascht hat mich allerdings der Vergleich mit dem Lavry DA11. Eigentlich ist das ein hochwertiger DA-Wandler, der quasi als „Dreingabe“ einen Kopfhörerausgang besitzt, doch konnte dieser fast mit dem RNHP (gespeist über den Line-Out des Lavrys) mithalten, nur beim Thema Detailliertheit hatte der Neve ein winzig kleines Stückchen die Nase vorn. Das freilich rückt das Preis-Leistungsverhältnis des RNDs in ein anderes Licht, denn wirklich „günstig“ ist dieser nicht.