Der RND Shelford Channel orientiert sich mit seinem Mic Pre, seinem Equalizer und seinem Kompressor offenkundig an den legendären Schaltungen, die Rupert Neve in den 60er und 70er Jahren in dem südlich von Cambridge gelegenen Örtchen Shelford entwarf
. Alleine der Gedanke an die Zahlenkombinationen 1073, 1064, 1081 oder auch 2254 reicht aus, um unter Tontechnikern erhöhten Speichelfluss, ausgeprägte Hitzewallungen und vorübergehende Schwächeanfälle auszulösen – und das nicht zu Unrecht, denn die ehrwürdigen Kisten aus der Vintage-Ära haben den Klang aufgenommener Musik entscheidend mitgeprägt.
Das originalgetreue Klonen der alten Hardware überlässt Altmeister Neve allerdings mit echter britischer Gelassenheit den Anderen. Statt die Schaltungen vergangener Tage bis ins kleinste Detail zu kopieren, lässt sich der Shelford Channel vielmehr als ein modernes Stück Studio-Equipment verstehen, das im 21. Jahrhundert zuhause ist und eine entsprechend erweiterte Funktionalität zeigt, an den wesentlichen und klangformenden Stellen aber die Prinzipien der altbewährten Technik einsetzt. Fest steht: Es wird spannend, und der Punkt, dass bonedo eines der ersten Magazine ist, die das Teil zum Test bekommen haben (Seriennummer des Testgeräts: 4!), mindert das keineswegs!
Details
Verwandtschaften in der Shelford-Serie
Im Shelford 5051 (EQ/Kompressor) und Shelford 5052 (Preamp/EQ) hat der Shelford Channel zwei direkte Verwandte im Format des RND-Modulstandards, die bereits seit 2013 erhältlich sind. Die Vermutung, dass es sich bei der hier vorliegenden großen Kanalzug-Variante nur um eine Zusammenstellung der gleichen Komponenten handeln könnte, trifft aber nicht zu. Der Equalizer wurde zwar direkt übernommen und auch die Silk-Schaltung am Ausgangsübertrager ist bereits von vielen anderen RND-Prozessoren bekannt. Beim Mic Pre und dem Kompressor handelt es sich aber um neue Komponenten, die speziell für den Shelford Channel entworfen wurden.
Mic Pre mit Transformer-Gain
Der Mikrofonvorverstärker im Inneren des Shelford Channel basiert auf dem Design des klassischen 1073 und kombiniert eine diskrete Class-A Stufe mit einem Übertrager, der für die ersten 15 dB der insgesamt 72 dB Gain zuständig ist. Dass dies nicht nur technische Gründe hat, ist offensichtlich, denn die klangfärbende Wirkung der Übertrager in den alten Preamps ist ein wesentlicher Bestandteil dessen, was den unverwechselbaren Charakter des berühmten Neve-Sounds ausmacht.
Die Regelung der Verstärkung läuft über eine Kombination aus einem in 6dB-Schritten gerasteten Gain-Switch und einem zusätzlichen Trim-Poti, das ein feineres Aussteuern um maximal +/- 6 dB erlaubt. Auch hier macht sich eine sanfte Rasterung bemerkbar, was übrigens auch für alle anderen Potis des Kanalzugs gilt. Phantomspeisung und Phasenumkehr lassen sich ähnlich wie beim Protico II über entsprechende Leucht-Taster aktivieren, die ganz nebenbei ein klares Statement abgeben, dass der Shelford Channel bewusst nicht versucht, die 70er Jahre möglichst originalgetreu nachzuempfinden. In gleicher Weise lässt sich hinter dem Preamp ein Highpass-Filter (sanfte 12 dB pro Oktave) zuschalten, dessen Grenzfrequenz stufenlos zwischen 20 Hz und großzügigen 250 Hz geregelt werden kann.
Der Instrumenteneingang auf der Vorderseite kommt mit einem zusätzlichen Thru-Ausgang, über den das DI-Signal abgegriffen und beispielsweise an einen Amp weitergeleitet werden kann. Generell entspricht der Eingang weitgehend der DI-Box RNDI, wobei der Eingangsübertrager des Shelford Channel auch hier durchlaufen wird und seine Färbung mit ins Spiel bringt.
Best of Neve: Inductor EQ
Der auch einzeln im 500er-Format als RND 551 erhältliche Inductor EQ basiert auf den Schaltungen des 1064 für das Tiefenband und des 1073 für das Mitten- und Höhenband. Die Funktionen der Urahnen wurden allerdings erweitert, und so lassen sich die Low- und High-Shelf-Bänder zu Peak-Bändern umschalten, und auch für das Mittenband gibt es eine Zusatzfunktion zum Verringern des (generell proportional angelegten) Q-Faktors. Das Höhenband wird vom Hersteller als ein Hybrid bezeichnet, was damit zusammenhängt, dass es über einen entsprechenden Taster von 8 kHz auf 16 kHz umgeschaltet werden kann und dabei vom induktionsbasierten Prinzip des EQs auf das „modernere“ kondensatorbasierte Prinzip wechselt.
Dass es sich beim Inductor EQ nicht um einen versuchten Nachbau der Originale handelt, stellen alleine schon die Zielfrequenzen klar, denn diese unterscheiden sich leicht von den Originalen und breiten sich etwas weiter in Richtung Bass und Höhen aus. Für unsere heutige Zeit scheint das durchaus angemessen. Vor allem fällt aber natürlich auf, dass die etwas schrullige Eigenschaft der Urahnen, deren Tiefenbänder auf der rechten Seite und Höhenbänder auf der linken Seite sitzen, nicht übernommen wurde. Beim Inductor EQ sind die Bänder so angeordnet, wie man das heutzutage eben macht, und zwar mit steigender Frequenz von links nach rechts.
Diodenbrücken-Kompressor mit Parallelpfad
Nach dem induktionsbasierten EQ stampft direkt der nächste Dinosaurier aus der sinnbildlichen Kreidezeit der Tontechnik um die Ecke: Der interne Kompressor basiert auf den Diodenbrücken-Schaltungen der frühen Geräte von Rupert Neve und nimmt sich konkret den 2254 zum Vorbild. Auch in dieser Hinsicht wurde die Vintage-Technik auf den neuesten Stand gebracht, und das ist auch gut so, denn der originale 2254 produzierte verhältnismäßig viel Rauschen und war in Sachen Timing recht unflexibel. Dem ursprünglich fixen Attack von 5 Millisekunden (für den Kompressor-, nicht den Limiter-Part des Originals) stellt die Shelford-Variante eine variable Ansprechzeit zwischen 180 Mikrosekunden und 75 Millisekunden gegenüber, die über den Timing-Switch in sechs Schritten (inklusive „Auto“) angepasst werden kann. Wird der zusätzliche Fast-Modus aktiviert, dann verkürzen sich diese Zeiten noch einmal um 30 Prozent, wobei der Kompressor generell je nach anliegendem Signal mit einem gewissen Spielraum reagiert – echt analog eben.
Zum Einstellen der Ratio stehen sechs Möglichkeiten zwischen 1,5:1 und 8:1 zur Auswahl, und die gute alte Frage, ob der Kompressor im Signalfluss vor dem EQ liegen oder ihm folgen sollte, darf man sich dank eines Pre-EQ Tasters selbst beantworten. Ein ganz dicker Pluspunkt ist zudem der Blend-Regler! Wer wünscht es sich nicht, ganz ohne Routing-Hick-Hack und theoretisch sogar schon bei der Aufnahme mit Parallelkompression arbeiten zu können?
Über einen Sidechain-Insert auf der Rückseite lässt sich ein EQ in den Detektor-Weg des Kompressors einschleifen, um das Key-Signal zu entschlacken. Das Gleiche ist allerdings auch auf Knopfdruck mit dem internen Highpass-Filter aus der Preamp-Sektion möglich. Solange es darum geht, den Kompressor vor übermäßigem Zugriff bei basslastigen Signalen zu bewahren, reicht dies völlig aus. Etwas verwirrend kann der Punkt sein, dass sich das Lämpchen im Taster des Highpass-Filters selbst abschaltet, sobald die Sidechain-Funktion (HPF to S/C) aktiviert wird. Nach einer kurzen Kennenlernphase hat man sich aber schnell daran gewöhnt.
Silk und Zweifachabgriff am Ausgangsübertrager
Kurz bevor ein Audio-Signal den Shelford Channel verlässt, passiert es den Ausgangsübertrager, der mit der bereits aus mehreren Gräten von RND bekannten Silk-Schaltung ausgestattet ist. Über das zugehörige Texture-Poti lassen sich Sättigungseffekte hinzufügen, die je nach gewähltem Modus eher die Hohen Mitten und Höhen (Rot) oder den Bassbereich (Blau) betreffen.
Eine sehr schöne Sache ist der duale Output des Shelford-Channel. Neben dem üblichen Line-Out steht ein weiterer Ausgang zur Verfügung, über den das Signal in um 6 dB abgesenkter Form ausgespielt wird. Dies erlaubt es, die Vorstufe bzw. den kompletten Kanalzug heißer anzufahren und einen stärker gesättigten Sound zu erzeugen, ohne die Wandler am Audio-Interface zu übersteuern.
Erlebnispark x sagt:
#1 - 02.01.2017 um 10:58 Uhr
Meine Frage zu den Soundbeispielen wäre: Kommt dieser dezidierte Vintage Sound durch das Mikrofon oder den Channel Strip zustande? Es wäre irgendwie schön, wenn man zu solch einem Test ein zweites Mikrofon etwas moderneren Sounds für die Erstellung der Hörproben verwenden könnte. Übrigens: Eine bessere Sängerin habe ich bisher bei keinem anderen Test hören können, da passt auch das Neumann perfekt zu :-).
Alexander Aggi Berger (bonedo) sagt:
#1.1 - 04.01.2017 um 11:36 Uhr
Ein freundliches Hallo in den Erlebnispark X :) Zuerst einmal vielen Dank für dein Kompliment. Ich habe das direkt an die Sängerin weitergegeben. Und klar, das Neumann bringt hier schon seinen Charakter mit ein, und letztendlich hört man eben immer die Kombination aus allen Gliedern der Kette. Ich habe im Laufe des Tests recht viel mit anderen Preamps und Mikrofonen experimentiert, aber diese Aufnahmen habe ich alle mit meiner eigenen Stimme gemacht. Folglich ist die Gefahr groß, dass du nie einen schlechteren Sänger.. ich denke, du weißt, was ich sagen will :) Bei den Aufnahmen für den Test haben sich umfangreichere Vergleiche leider nicht ergeben.
Antwort auf #1 von Erlebnispark x
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenErlebnispark x sagt:
#1.1.1 - 05.01.2017 um 21:35 Uhr
Vielen Dank für die Antwort, Aggi! Klar, den Beitrag eines solchen Geräts zum Sound erfährt man halt erst, wenn man so einen Channel Strip dann mal im eigenen Setup ausprobiert. Ich war nur sehr, na ja, erstaunt über diesen doch klaren Vintage Druck bei den Aufnahmen, und das meine ich vollkommen wertungsfrei und hatte mich daraufhin gefragt, welche der beiden Komponenten der Spezialist im Bunde ist.
Habe es der Sängerin auch noch mal über die SoundCloud-Seite mitgeteilt, aber so kann ich ja doppelt versichert sein, dass sie das Kompliment erhält :-)
Antwort auf #1.1 von Alexander Aggi Berger (bonedo)
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