Praxis
Die Hi-Hat-Becken sind über die gesamte Fläche sehr gleichmäßig abgedreht, wobei die Tiefe der Rillen zur Kuppe hin abnimmt. Auf die Bezeichnungen „Top“ und „Bottom“ wurde, wie bei dem kanadischen Hersteller üblich, verzichtet. Dafür erkennt man aber am XS20-Logo, welches Becken wohin gehört. Beim Top-Becken ist das Logo auf der Oberseite, beim Bottom auf der Unterseite aufgedruckt. Darüber hinaus ist das Bottom natürlich auch spürbar schwerer, sodass man auch ohne die kleine „Hilfestellung“ keine Probleme mit der Zuordnung haben sollte. Und da ich das Gewicht immer gerne ganz genau weiß, mussten die Kandidaten auch diesmal die übliche Prozedur des Wiegens über sich ergehen lassen. Das Ergebnis lautet in diesem Fall: Top 1095 Gramm, Bottom 1340 Gramm. Auch wenn es auch keine allgemeinen Richtlinien für die Gewichtsbezeichnungen gibt, bewegen sich die Becken damit meines Erachtens eher am oberen Ende der „Medium“-Kategorie. Folglich ist ein Sound mit guten Allround-Eigenschaften bei starkem Durchsetzungsvermögen zu erwarten.
Bei getretener Spielweise offenbart sich dann auch tatsächlich ein satter, kräftiger Chick-Sound mit sehr guter Präsenz im oberen Frequenzbereich. Öffnet man die Hi-Hat kurz nach dem Treten, sodass beide Becken ausklingen können, so offenbart sich ein harmonischer Gesamtsound. Die tonale Abstimmung der Becken ist also gelungen. Angecrasht reagieren die Hi-Hats trotz des Gewichts sehr direkt, sodass die typischen Open-Closed-Pattern mühelos zu spielen sind. Halboffen gespielt kommt der helle Klangcharakter deutlich zum Vorschein, wobei die Becken aber nie metallisch, sondern immer sauber und kontrolliert klingen. Und auch bei geschlossener Spielweise dominieren die feinen Höhen, gleichzeitig ist aber auch der untere Frequenzbereich gut vertreten. Die Becken scheinen eine Art eingebauten „Loudness“-Effekt zu haben: oben und unten etwas mehr, in der Mitte etwas weniger. Durch das reduzierte Mittenspektrum mangelt es ihnen zwar ein wenig an Charakter, aber gerade im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten dürfte das kaum ins Gewicht fallen, denn dort können die Hi-Hats mit ihren brillanten Sound vollends überzeugen.
Das 20“ Medium Ride zeigt das gleiche Abdrehmuster wie die Hi-Hat-Becken und ist mit 2600 Gramm gewichtsmäßig mit einem Zildjian A Custom Medium Ride vergleichbar. Durch die verhältnismäßig kleine Kuppe ist der Spielkomfort natürlich etwas eingeschränkt, aber vermutlich standen die klangtechnischen Aspekte bei dieser Entscheidung im Vordergrund.
Als ich das Becken zum ersten mal angespielt habe, geisterte sofort der Begriff „sweet“ in meinem Kopf herum. Und wenn der Name „Sweet Ride“ nicht schon vergeben wäre – dieses Becken hätte ihn verdient. Da fällt mir übrigens gerade eine Istanbul-Werbebroschüre aus den 80ern ein, in der auf einem Becken einige Stücke dieser rosafarbenen türkischen Süßigkeit “Lokum” (oder “Turkish Delight”) lagen. Vielleicht eine Anregung für die nächste Sabian-Kampagne ? Wie wäre es mit Becken in kanadischem Ahornsirup ?? O.K., Quatsch beiseite und zurück zu den Fakten. Das XS20-Ride entfaltet jedenfalls einen seidenweichen, filigranen Sound, der eher im hohen Bereich angesiedelt ist und durch sein relativ langes Sustain wunderbar tragende Qualitäten hat. Der Stick-Sound ist kristallklar und wird unterlegt von einem vollmundigen, harmonischen Grundrauschen, das bei normaler Spielweise immer kontrollierbar bleibt. Wenn man etwas kräftiger rein langt, kann das Becken zwar leicht aufschaukeln, aber für die Prügelknaben hat Sabian in der XS20-Serie ja auch das Rock Ride im Angebot. Aufgrund der leichten Ansprache kann man schöne Crash-Akzente während des Ride-Spiels setzen, ohne dass diese gleich alles komplett dicht machen. Der Bell-Sound ist trotz der kleinen Kuppe erstaunlich kräftig und setzt sich gut durch. Alles in allem ist das 20“ Medium Ride ein sehr schönes Allround-Becken für Rock- und Pop-Musik.
Das 18“ Medium Thin Crash ist mit 1580 Gramm eigentlich eher Medium als Thin. Ich habe zum Vergleich mal mein 18“ Paiste Signature Full Crash, ein klassisches Medium-Becken, gewogen und festgestellt, dass es mit 1500 Gramm sogar leichter ist als das XS20. Insofern finde ich die Bezeichnung „Medium Thin“ etwas irreführend. Aber da beim Beckenkauf sowieso immer die Ohren entscheiden sollten, ist dieses Detail nicht allzu gravierend. Von der Optik her entspricht das 18“ Medium Thin Crash den anderen Becken der Serie: gleiches Profil, gleiche Bearbeitung. Aufgrund der Größe und Masse spricht es natürlich nicht übermäßig schnell an, aber dafür setzt das Becken, wenn es „da“ ist, ein klares Statement. Der Sound ist sehr voluminös mit einem langen Sustain, wodurch es sich auch für lautere Rockmusik eignen dürfte. Bei kräftigem Anschlag ist der Attack-Sound hell und explosiv mit großer Projektion. Interessanterweise dominiert aber in der Ausklangphase ein etwas dunklerer, warmer Klangcharakter, der zwar nicht mit einem handgehämmerten Becken zu vergleichen ist, aber gegenüber den Hi-Hats und dem Ride mit ihren hellen Sounds doch überrascht. Gerade beim Spiel mit Mallets tritt diese dunklere Note schön hervor. In meinen Augen ist den Sounddesignern bei Sabian mit diesem Becken eine perfekte Symbiose aus hellem Attack und dunklem Grundsound gelungen. Aufgrund seines angenehmen Klangcharakters kann ich mir das 18“ Medium Thin Crash, mit dünnen Sticks gespielt, auch als Crash-Ride in ruhigerer Musik vorstellen. Genau wie das Ride ist dies also ein Becken mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten.
Das 16“ Medium Thin Crash erscheint vom Spielgefühl her etwas leichter als das 18“ Modell. Es wiegt 1090 Gramm und ist damit vergleichbar mit einem Zildjian A Custom Crash. Bezüglich der Tonhöhe liegt es aufgrund des geringeren Durchmessers natürlich höher als das 18“ Crash, bildet aber zu diesem eine gute tonale Ergänzung. Vom Gesamtcharakter her klingen die beiden Becken allerdings recht unterschiedlich. Das 16“ Becken bietet eine raschere Ansprache und klingt deutlich heller als das 18“ Modell. Allerdings ist die Dynamik nach oben hin etwas begrenzt und das Sustain verhältnismäßig kurz geraten. Dadurch setzt sich das Becken in lauterer Musik nicht so gut durch, wie man es aufgrund der Tonhöhe vermuten könnte. Wenn es um pures Volumen geht, wäre das Rock Crash aus derselben Serie vermutlich die bessere Wahl, allerdings muss man da dann wieder Abstriche bezüglich der schnellen Ansprache machen. Nun bedeuten geringere Lautstärke und kompakterer Sound natürlich prinzipiell nichts Schlechtes. Das 16“ Medium Thin Crash klingt so, wie man es von einem ordentlichen Mittelklasse-Becken erwartet und kann den meisten B8-Becken dieser Preisklasse locker das Wasser reichen. Aber wenn man die beiden Größen im Zusammenhang hört, wird deutlich, dass das 18“ Becken einen komplexen, dynamischen, eigenständigen Sound hat, während das 16“ Modell eher eindimensional klingt. Diese besondere Mischung aus hell und dunkel, die das 18“ mitbringt, fehlt hier leider.