Praxis
Das extrem niedrige Gewicht fällt natürlich absolut positiv sofort auf, wenn man sich den Sadowsky aus der NYC-Serie zu erstem Mal umhängt. Für Bassisten, die mehrmals in der Woche auf einer Bühne stehen, kann der Gewichtsfaktor ja durchaus eine entscheidendes Argument für oder gegen einen Bass sein. Keine Frage: der federleichte NYC Standard kann hier natürlich ordentlich punkten! Mein Testbass besitzt allerdings auch eine minimale Neigung zur Kopflastigkeit, weil der leichte Korpus zu wenig Gegengewicht zum Hals und den Mechaniken an der Kopfplatte bilden kann. Mit “minimal” meine ich allerdings “wirklich minimal” – mit einem aufgerauten Gurt hängt der Bass daher dennoch super komfortabel und in der richtigen Spielposition am Körper. Kein wirkliches Problem, ich wollte es nur erwähnt haben. Bei einem Instrument jenseits der 5000-Euro-Marke ist ein wenig Pedanterie ja auch durchaus erlaubt, wie ich finde.
Pedantisch scheint auch Mr. Sadowsky vorzugehen, wenn es um die Optimierung seiner Bässe in Sachen Spielkomfort geht. Selbst im Boutique-Bass-Sektor ist es leider noch immer nicht selbstverständlich, dass ein Instrument derart tadellos eingestellt in die Hände des Kunden gelangt, wie es bei meinem Testbass der Fall ist! Die Bünde wurden perfekt abgerichtet, die Bundenden akkurat abgerundet, die Sattelkerben so tief wie möglich gefeilt, und der Hals ist mit einer minimalen Krümmung justiert worden. All diese Faktoren führen dazu, dass man den Bass mit einer sehr niedrigen und komfortablen Saitenlage spielen kann, ohne lästiges Bundrasseln zu ernten. Jeder Ton auf dem Griffbrett klingt klar und ohne Nebengeräusche aus. Ich kann dem handgefertigten Edelbass aus New York deshalb wirklich eine absolut traumhafte Bespielbarkeit attestieren. Das extrem geringe Gesamtgewicht, die perfekte Bundierung, das akkurate Setup und nicht zuletzt das vergleichsweise schlanke Halsprofil sorgen dafür, dass man sich auf dem Bass auf Anhieb wohlfühlt.
Bisher überzeugt mich der kostspielige Jazz Bass aus dem “Big Apple” auf ganzer Linie, und das scheint sich auch beim Kapitel “Sound” nicht zu ändern. Der NYC Standard macht nämlich schon trocken gespielt einen sehr guten Eindruck. Seine Ansprache ist pfeilschnell und super direkt, alle Töne auf dem Griffbrett klingen völlig gleichmäßig aus; Flageoletts springen einen förmlich an. Hier macht sich offensichtlich die gezielte Auswahl von stark schwingenden Hölzer bezahlt, die von einem erfahrener Instrumentenbauer vom Format eines Roger Sadowsky so kombiniert werden können, dass am Ende eine extrem resonante Gesamtkonstruktion entsteht.
Was bei einem E-Bass aber letztendlich zählt, sind die Performance und der Sound am Verstärker. Damit ihr euch einen Eindruck von den Klangeigenschaften machen könnt, habe ich den schmucken Sadowsky-5er in der Thomann Edelbass-Abteilung mit meinem kompakten Reise-Recording-Setup, bestehend aus einem iPad und dem Apogee One Interface, aufgenommen.
In den ersten beiden Clips hört ihr den Bass mit neutraler EQ-Einstellung und voll aufgedrehter Tonblende in normaler Fingerstyle-Spieltechnik. Im ersten Beispiel spiele ich den Bass im Passivbetrieb, für das zweite Beispiel habe ich den Sadowsky-Preamp aktiviert.
Was wir hören, ist aufgrund der Verwandtschaft zum klassischen Fender Jazz Bass ein durchaus vertrauter Jazz-Bass-mäßiger Sound. Der Sadowsky kommt allerdings schon im passiven Betrieb deutlich moderner daher als das traditionelle Vorbild und besitzt andere Gewichtungen im Klangbild. Er liefert ein ungeheuer voluminöses Fundament mit fetten Tiefbässen und klingt im oberen Bereich deutlich aggressiver als ein “normaler” Jazz Bass. Für die aggressive Note sind zum einen sehr präsente Hochmitten im Sound verantwortlich, zum anderen liefern die brummfreien Sadowsky-Tonabnehmer nicht den glasigen und offenen Höhenschimmer von richtigen Singlecoils – sie klingen stattdessen etwas gedeckter und komprimierter. Dafür hat man mit den Humbuckern eben in jeder Situation Ruhe, selbst wenn man einen der beiden J-Tonabnehmer im Solobetrieb fährt.
Mit Aktivierung des Preamps werden die durchsetzungsstarken Höhen noch ein Spur deutlicher betont und der Bassbereich wird straffer und aufgeräumter wiedergegeben, präsentiert sich nach unten allerdings auch nicht mehr ganz so offen wie im Passivbetrieb. Dieser moderner “gescoopte” Jazz-BassSound mit donnernden Bässen und durchschlagenden Höhen ist letztendlich exakt der Sadowsky-Signaturesound, den viele Bassisten weltweit so sehr schätzen!
Ein derart moderner Sound eignet sich natürlich hervorragend zum Slappen. Für den nachfolgenden Slap-Clip habe ich sowohl die Bässe, als auch die Höhen am Preamp deutlich geboostet und die Tonblende selbstverständlich voll aufgedreht.
Die EQ-Einstellung verstärkt den typischen fetten Sadowsky-Sound noch einmal ordentlich, weil beide Center-Frequenzen sehr tief angesetzt sind. Der Bassregler greift bei 40 Hz und sorgt für zusätzliche Tiefbasswucht, und die Höhen bringen bei 4 kHz noch mehr Transparenz und Aggressivität in das Klangbild. Ein toller Slapsound, ich persönlich mag allerdings auch gerne Slapsounds mit einer Portion Tiefmittenpunch, der direkt auf die Magengrube zielt. Mein Testbass zeigt sich im unteren Mittenbereich allerdings etwas zurückhaltend und klingt deshalb nicht ganz so warm und “punchy”, wie man es von einem Bass mit Erlekorpus vielleicht erwarten würde. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das extrem niedrige Gewicht des Bodies hier ein Rolle spielt.
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Der NYC Standard 5 kann aufgrund seiner Jazz-Bass-Tonabnehmerkonfiguration natürlich auch mit der typischen Flexibilität des Klassikers glänzen. Virtuose Fusion-Spieler verwenden beispielsweise gerne den Bridge-Tonabnehmer im Solomodus, weil sich der stark mittenbetonte Sound bei schnellen Passagen besser durchsetzt. Für den Sound des Bridge-Pickups habe ich den Bassregler deutlich aufgedreht, um den Verlust der tiefen Frequenzen zu kompensieren. Gleichzeitig werden die Höhen mit der Tonblende etwas abgemildert.
Eine klasse Variation des knurrigen Jaco-mäßigen Jazz-Bass-Sounds, wie ich finde! Auch hier könnte ich mir allerdings vorstellen, dass eine Dosis warmer Tiefmitten das Klangbild durchaus noch abrunden könnte.
Wer auf vintage-artigere Klänge steht, blendet einfach komplett auf den Hals-Tonabnehmer und dreht die Tonblende ganz zu, wie ich es beim nächsten Audio-Beispiel gemacht habe. Ein dezenter Bassboost am Onboard-Preamp macht den Precision-ähnlichen Sound etwas voluminöser.
Zu guter Letzt hört ihr den NYC Standard Fünfsaiter in einem Rock/Pop-Kontext. Für den super soliden und sehr gut ortbaren Fingerstyle-Sound habe ich die Bässe wieder leicht angehoben und die Höhen mit der Blende etwas abgemildert. In diesem Beispiel ist die mächtige transparente H-Saite des Basses sehr gut zu hören. Roger Sadowsky beweist mit meinem Testbass ein weiteres Mal eindrücklich, dass für eine klar klingende und homogen integrierte H-Saite nicht zwangsweise eine ultralange 35-Zoll-Mensur vonnöten ist.
Hannes Huefken sagt:
#1 - 26.04.2016 um 15:34 Uhr
Sehr interessant, dieses Ding. Hab das Gefühl, mit dem Bass könnte ich das letzte Quentchen Geilomatizität aus meinem Sound herausholen.
Die Satin-Serie kostet ja ungefähr die Hälfte! Weiß jemand, ob die sich lohnt, gegenüber zum Beispiel einem Sandberg VM5, den ich schon habe und der nicht ganz so aufgeräumt klingt, aber dafür ordentlich knurrt und nochmal die Hälfte davon kostet?