Praxis
Man hat bekanntlich nur einmal die Chance, einen guten “ersten Eindruck” zu kreieren. Die Wirkung dieses magischen Momentes entfaltet sich quasi innerhalb von wenigen Sekunden. Wenn wir das auf ein Instrument übertragen, dann umschreibt dieser Eindruck die typischen ersten Sekunden, welche vom ersten Erspähen bis zum zwangsläufig folgenden Berühren des Objektes der Begierde vergehen. Wie kann man objektiv erklären, was sich dabei in uns abspielt? Wie soll man Emotion kategorisieren? Es ist, als wolle man “Liebe auf den ersten Blick” oder auch “angewiderte Abneigung” ausschließlich mit chemischen Abläufen im Körper erläutern. Möglich ist es zwar, aber dennoch bleibt da dieser schwer verbalisierbare Augenblick, an dem sich seit Beginn der menschlichen Sprache Scharen von Philosophen und Schriftstellern immer wieder aufs Neue versuchen.
Ich selbst war ja lange Zeit lang kein Freund von “aged” (also künstlich gealterten) Instrumenten. Dies lag vor allem daran, dass ich immer der Meinung war, ein Instrument müsse seine Geschichte mithilfe seiner Besitzer selber schreiben. Ein “aged” Instrument bekommt sozusagen eine “fremde Biografie” eingestempelt, hat aber in Wahrheit nichts von dem erlebt, was man ihm da “eingehämmert” hat. Das ist natürlich sehr philosophisch. Meine Abneigung war aber auch Folge der Tatsache, dass die meisten künstlichen “Ageings” gerade zu Beginn dieses Trends schlicht nicht besonders überzeugend aussahen. Ein paar Macken am Korpus, an der Tischkante erzeugt, machen eben noch lange kein schickes Vintage-Instrument.
Wenn ich aber natürlich eine Leidenschaft verstehe und auch teile, dann ist es die Faszination für die Vintage-Optik, das Design vergangener Tage und das Flair, welches sich darin spiegelt. Da kann ich ebenso eine Liebe für gut gelungene Retro-Modelle entwickeln, wie für halb vergammelte Originale. Ich habe diesbezüglich daher auch meine Meinung zu “ge-aged-ten” (tolles “Denglisch”, oder?) revidiert: Es ist eben letztlich alles eine Frage der Ausführung!
Gerade die Firma Sandberg hat im Lauf der letzten Jahre eigene perfektionierte Aging-Techniken entwickelt, die zu sehr authentisch wirkenden und daher überzeugenden Ergebnissen führen. Der Sandberg Forty Eight Metallic Red Hardcore Aged ist definitiv ein Beweis dafür. Kerben, Lackabschürfungen, Korrosion an den Metallteilen – alles wirkt so, als wäre es über viele Jahre hinweg nach und nach entstanden. Lediglich der Hals wirkt dafür etwas zu sehr in Schuss. Aber das ist auch gut so, denn was wäre ein künstlich gealtertes Instrument mit einem Hals, der mit unangenehmen Kerben auf der Rückseite oder im Griffbrett versehen ist? Der Oldtimer sollte schließlich immer noch fahren können und ein Retro-Modell sollte obendrein in einigen weniger sichtbaren Bereichen auf dem aktuellen Stand der Technik sein. Beides ist beim Forty Eight der Fall! Optisch in der Vergangenheit angesiedelt, bietet der Bass “unter der Haube” neuzeitlichen Komfort. Der Hals bietet gewohntes Sandberg California-Feeling, mit einem relativ kräftigen, aber dennoch bequem zu greifenden Oval-Shaping. Insgesamt ist der Bass sehr angenehm spielbar, allerdings mit der Einschränkung, dass die Bequemlichkeit am 17. Bund ihr Ende findet, denn ab hier beginnt ja bereits der Hals-/Korpusübergang. Der Bass ist also nicht nur optisch, sondern auch ergonomisch so ausgerichtet, dass allzu hohe Regionen musikalisch eher zweitrangig eingestuft werden. Wie man das musikalisch definiert, bleibt jedem selbst überlassen. Jazz- und Fusionfreunde werden wohl ohnehin weniger zum Zielpublikum gehören!
Am Körper hängt der Bass überaus spielfreundlich, die Schwerpunktverlagerung durch den weit in den Korpus eingelagerten Hals äußert sich vor allem durch erfreuliche Abwesenheit jeglicher Kopflast. Die tiefen Griffbrettlagen befinden sich zudem näher am Körper. Das heißt, man muss den Arm der Greifhand nicht so weit nach außen lagern wie bei herkömmlichen Instrumenten mit gleicher Mensurlänge.
Die Zupfhand kann sämtliche Spieltechniken bequem ausführen. Das Gefühl wirkt dabei filigraner, als es die Optik des Basses vermuten lassen würde. Die ab Werk aufgezogenen 40/100-Saiten wirken relativ weich, aber durchaus passend für den Bass. Ich könnte mir jedoch auch vorstellen, dass stärkere Saiten mit dem Forty Eight ebenfalls gut harmonieren. Von der gefühlten Ergonomie empfinde ich den Sandberg-Bass vor allem prädestiniert für die Plektrumtechnik. Auch soundlich bewegt er sich hier auf einem sehr interessanten Terrain und sein Sound ist dann der aggressiveren Note zuzuordnen. Im Folgenden hört man die drei primären Schaltungsvarianten im Passiv-Modus:
Hier zum Vergleich Soundfiles im Aktiv-Modus mit angehobenen Bässen und Höhen:
Aber der Sandberg Forty Eight kann auch ganz anders, wenn man will. Hier ein Beispiel mit zahmeren Tönen, angeschlagen mit Fingern. Ein Begleitbass im Hintergrund bedient sich des Halstonabnehmers, der angenehm rund und warm im Playback sitzt, während ein Solobass mit beiden Tonabnehmern mit einer dezenten Hifi-Nuance in den Höhen dynamisch sehr ausgewogen über das gesamte Griffbrett hinweg wirkt. Wenn man die Saiten etwas härter anschlägt, bekommt der Ton einen leichten Hauch von Stanley Clarke, den man sehr gezielt steuern kann, da die Saitenlage sehr flach eingestellt ist. Wer generell gerne mit hartem Attack spielt, wird eventuell andere Ergebnisse erzielen, indem er die Saiten etwas höher eingestellt.
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Die etwas ungewöhnliche Position der beiden Tonabnehmer, insbesondere die des weit hinten platzierten Halstonabnehmers, kreiert einen großen Freiraum für die rechte Hand zwischen Halsende und Halstonabnehmer. Das ist geradezu eine Einladung für die Slaptechnik und in der Tat fühlt sich der Forty Eight sehr gut an, wenn es in die Region dieser Spielweise geht. Klanglich wirkt er dabei etwas schlanker als Bässe mit weiter vorne gelagertem Halstonabnehmer. Aber dieser Sound ist durchaus interessant! Hier ist sie in der aktiven Variante mit angehobenen Bässen und Höhen zu hören:
Allerdings finde ich, dass die Klangeigenschaften des Forty Eight vor allem von Vorteil sind, wenn man sie mit verzerrten Sounds kombiniert. Dadurch dass der Bass speziell im Aktiv-Modus sehr bissige Höhen zeigen kann, in den Bässen nicht dumpf klingt und einen natürlichen, kräftigen Anteil an oberen Mitten aufweist, kann man ihn durch maximale Verzerrung schicken und erhält dennoch präzise Ergebnisse. Da versagen viele Bässe mit milderen Soundeigenschaften häufig hoffnungslos.
Spätestens das letzte Beispiel sollte die Botschaft überzeugend nach außen tragen: “Play it loud”!