Praxis
Klanglich zeigt sich ein homogenes Gesamtbild
Es geht mir ja auch so: Man denkt, wenn man von den beiden Kapseln hört, sofort an Filter, Phasenprobleme, Ripple und ganz viele andere schlimme Sachen. Allerdings sind auch bei hochwertigsten Lautsprechern Zwei- oder Mehrwegesysteme im Einsatz, Breitband findet sich hingegen fast nur im Niedrigpreissegment. Dennoch hatte ich auch eine entsprechende Befürchtung. Diese hat sich allerdings beim Erstkontakt mit dem Klang des CU-41 in Wohlgefallen aufgelöst. Die Stimmen vor dem äußerst schnellen Mikrofon klingen außerordentlich klar und natürlich, nie spitz oder kantig, aber dennoch konturiert und präsent. Jeder Bestandteil des Klanges ist stimmig, das Gesamtbild immer homogen. Es entsteht kein Eindruck mangelnder Natürlichkeit, typischer Großmembran-Höhen oder Einbrüche im Frequenzgang. Nichts dergleichen. Ich erinnere mich an meinen ersten Satz zu dem Signal aus den Lautsprechern: “Das Mikro klingt aber verdammt gut.” Und darunter kann ich gerne jedem meine Unterschrift geben. Mit allen drei Vornamen, denn das Sanken hatte wirklich eingeschlagen wie eine Bombe. Mein Kollege und ich saßen wirklich mit ungläubigen Gesichtern im Regieraum, ich sogar mit offenem Mund. Auch alle Sänger waren von dem unscheinbaren Mikrofon überrascht und fanden sich natürlich und wohlklingend abgebildet.
Befürchtete Phasenprobleme sind kein Thema
Selbst im absoluten Nahbereich kann man sich Phasenprobleme durch die räumlich getrennten Kapseln nicht einmal einreden – diesbezüglich ist das CU-41 absolut unproblematisch. Und diese Nahbereichaufzeichnung ist eine der Aufgaben, die das unauffällige Sanken wie kein zweites Mikrofon bewältigt. Wo sonst der Proximity-Effekt sein Unwesen treibt, bleibt das CU treu bei seinem Frequenzgang. Das tut vielen Stimmen gut, denn der Griff zum Hochpassfilter oder Low-Shelf ist sowieso oft einer der Standards, wenn Großmembran-Mikrofone zum Einsatz kommen. Dies hat einerseits Gründe der Klangbalance, damit der Gesang sich nicht mit den Grundtönen andere Instrumente bekriegt, aber auch ganz simple ästhetische, denn oft genug wirkt der Proximity-Effekt unnatürlich und dem Signal aufgesetzt. Es scheint am akustischen Design der Doppelkapsel zu liegen, dass das japanische Mikrofon zudem noch erfreulich unempfindlich gegenüber Popplauten ist. Im direkten Vergleich mit üblichen Großmembran-Kondenser-Druckgradientenempfängern mag das Signal auf den ersten Blick vielleicht etwas höhenreich wirken, doch man stelle sich das Signal einmal im Mix vor – ich vermisse den Bassbereich bei nahen Stimmen im Regelfall nicht wirklich. Farbe, Seidigkeit und “Verschmierung” können bei Bedarf ja noch über die Auswahl des Preamps oder die weitere Bearbeitungskette entstehen. Das CU-41 durch Neve-Preamp und LA2A? Hmm… lecker.
Ein konstanter Klang bei verschiedenen Abständen zur Schallquelle ist gewährleistet
Das besondere Arbeitsprinzip des fernöstlichen Wandlers ermöglicht eine hohe Klangkonstanz bei verschiedenen Abständen zur Schallquelle. Soll der Raumanteil im Signal vergrößert oder verkleinert werden, reicht es im Grunde, den Abstand zu variieren. Dies ist am ehesten vergleichbar mit der Arbeit mit DE-Kugeln, allerdings bleibt das Klangbild von Direktschall und Reflektionen beim CU-41 aufgrund seiner hohen Frequenzgang-Konstanz über einen breiten Einsprechbereich geradezu erschreckend gleich: Es scheint sich wirklich ausschließlich das Verhältnis zu ändern. In den Audiofiles kann man dieses Phänomen besonders gut erkennen. Wo ich gerade von Druckempfängern spreche, möchte ich noch von meinen Erfahrungen mit anderen Signalen als Gesang sprechen: Auch die Art und Weise, wie das CU-41 im absoluten Low-End arbeitet, erinnert mich am ehesten an Kugeln. So trocken und linear kenne ich eine Übertragung sehr niederfrequenter Signale von Druckgradientenempfängern nicht.
Die Aufforderung an Sänger, einmal beim Singen in gleichem Abstand um das Mikrofon herumzulaufen, wird sicher selten über die Talkbackwege der Tonstudios dieser Welt geschickt. Im Test war es ein erstes Ausloten, ob die Versprechen der Japaner ernst zu nehmen sind. Auch wenn die Sänger im Studio ungläubig geschaut haben – das Ergebnis war umwerfend! Hört euch bitte dazu die Files an (diese sind übrigens nicht mit “bewegtem” Vokalisten, sondern mit um die Membran gedrehtem Mikrofon aufgenommen). Bei vielen anderen Mikrofonen – selbst bei hochwertigen Kugeln – werden seitlich eintreffende Signale ordentlich zerhackt.
Allrounder mit Charakter
Es ist ja oft gar nicht das Problem, dass benachbarte Signale übersprechen, sondern dass dieses Leaking häufig eine geradezu widerliche Signalqualität aufweist. “In die Off-Axis hinein-equalizen” geht mit einem Mono-Mikrofon nicht, Bearbeitungen mit dem EQ führen im Regelfall dazu, dass das Hauptsignal negativ verändert wird. Ein derart hochwertiges Signal aus der Off-Axis ist mir bislang höchstens bei echten Achter-Mikros zu Ohren gekommen, mit dem CU klingt das alles wie separat und bewusst abgenommen. Bedenkt man die enormen Anwendungsgebiete für Nieren (die ja nicht umsonst die höchste Verbreitung haben), wird klar, dass das CU-41 wirklich ein Allrounder zu sein scheint – wenn auch besonderen Charakters. Selbst falls im Inneren mit ganz einfachen akustischen Tricks gearbeitet wird, das Ergebnis ist an einer Vielzahl typischer Signalquellen absolut umwerfend. Und sei es “nur” Rauminformation, die seitlich auf das Sanken trifft. Aufgrund des ausfallenden Proximity-Effekts ist das Mikrofon auch für Sprache im Broadcast und bei Hörspielen geeignet; diesbezüglich ist höchstens Rivalität von den deutlich preiswerteren, aber mit dem dynamischen Wandlerprinzip arbeitenden Mikrofonen der RE20-Familie zu erwarten, deren Off-Axis zudem deutlich anders aussieht.
Für sehr breitbandige und feine Studioarbeit dieser Art sind Sankens CU-Wandler schlicht konkurrenzlos. Vielen Sängern raubt es Performance, dass sie vom Tontechniker in einem bestimmten Abstand und Winkel vor dem Mikrofon festgenagelt werden, damit die Klangfärbungen minimal bleiben. Hat ein Rocksänger einen großen Bewegungsdrang, ist es manchmal auch im Studio die beste Entscheidung, ihm ein Bühnenmikrofon in die Hand zu drücken und ihn in dieser gewohnten Situation wild rockend durch den Aufnahmeraum flitzen zu lassen. Wedgemonitor zum Beinhochstellen und Lead-Gitarrist zum gegenseitigen Anposen dazu – fertig ist die gute Gesangsspur.
Mit dem CU-41 hat man nun aber die Möglichkeit, Vokalisten mehr Raum vor dem klassischen Studiomikrofon zuzugestehen! Endlich darf der große, dicke Rapper vor dem Mikrofon im Takt hin- und herschwanken, wie er es von Battles vor dem Getto-Blaster gewohnt ist, ohne dass sich das Signal signifikant ändert. Unwichtig? Mitnichten, denn es ist unsere Aufgabe als Tontechniker, die bestmögliche Performance einzufangen. Wenn uns die Technik spezialisierte Werkzeuge anbietet, die das verbessern können und dabei nicht nerven: Her damit!
Für dich ausgesucht
Das CU-41 verdient mehr Aufmerksamkeit
Klang und Anwendungsmöglichkeiten des Sanken haben mich nicht nur begeistert, sondern wirklich völlig ausflippen lassen. Es ist schlicht und einfach eines der besten und praktischsten Mikrofone, die ich jemals kennengelernt habe. Dabei ist es mir nach wie vor schleierhaft, wie es angehen kann, dass das CU-41 bei dieser Qualität und Nützlichkeit seit über einem viertel Jahrhundert erhältlich sein und doch einen derart geringen Bekanntheitsgrad besitzen kann. Auch ich muss mir hier an die eigene Nase fassen. Ich würde mich wirklich freuen, von diesem Mikrofon häufiger zu hören und es in Equipmentlisten zu entdecken. Es wäre nicht nur dem Mikrofon angemessen, sondern würde ganz sicher schlicht und einfach in der Musikproduktion dafür sorgen, dass Probleme einfacher gelöst werden und ein Quäntchen mehr Qualität erreicht werden kann, davon bin ich wirklich zutiefst überzeugt.
Auch wenn man den beiden besonderen Eigenschaften des Sanken keine große Bedeutung zugestehen will: Selbst um diese reduziert bleibt es ein Mikrofon mit hervorragendem Frequenzgang, enormer Transparenz, hoher Übersteuerungsfestigkeit und geringem Eigenrauschen. Zugegeben, besonders schön ist es nicht. Dass die Beschichtung des Korbes im untersten Bereich an der Nahtstelle zum Korpus so dick aufgetragen ist, dass das Verlaufen ein paar Korbgitter verschließt, ist ein Schönheitsfehler. Interessanterweise habe ich diesen auch auf Produktfotos des Herstellers ausmachen können!
Tonmichl sagt:
#1 - 21.03.2012 um 13:14 Uhr
wo habvt ihr das ding denn ausgegraben? aber interessant, hört man ja sons nix von.
rubbersoul sagt:
#2 - 01.07.2017 um 13:48 Uhr
Sanken ist ein hervorragender Hersteller, den ich bisher auch nicht auf dem Schirm hatte. Aufgefallen ist mir Sanken bei einem Youtube Video Sloop John B
https://www.youtube.com/wat...
Hier singt Al Jardine und sein Sohn über das Sanken.
Wie bei den Japanern üblich (siehe auch AT4060a, und die 50er Reihe) ist alles perfekt verarbeitet, und es klingt auch noch extrem gut.Allerdings sind die Audiofiles suboptimal, der Raum hallt schon sehr, auch bei 10cm Abstand. Mehr Kontinuität in der Wahl der Aufnahmesituation wäre toll :)Dennoch toller Test!
rubbersoul sagt:
#3 - 01.07.2017 um 13:50 Uhr
Auch hier, sehr passend für die Lead Vocals ...
https://www.youtube.com/wat...
Nick (Redaktion Recording) sagt:
#3.1 - 03.07.2017 um 09:03 Uhr
Hallo Rubbersoul,danke für die vielen Kommentare und den Link zum Video, das darf man als Mikrofonfreund eigentlich gar nicht anschauen, wenn man zart besaitet ist. :-D Das Sanken (Vocals und Gitarre!) dort ist wohl ein CU-55. Die Zweikapselversion ist vor kurzer Zeit rausgekommen, die hatten wir hier im Test: https://www.bonedo.de/artik.... Ganz "tot" sind die Räume beim Aufnehmen nie, um auch die nicht axialen Signale mit einzubeziehen. Das CU-41 wurde im Rahmen eines Testmarathons im SAE Institute aufgenommen, deswegen ist der Sound dort etwas anders.Beste Grüße,
Nick (Redaktion Recording)
Antwort auf #3 von rubbersoul
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