Praxis
Trocken angespielt gibt das Instrument einen recht hellen Ton mit schnellem Antritt von sich. Der Bassbereich klingt drahtig und sehr aufgeräumt. Verarbeitung und werkseitige Voreinstellung sind vorbildlich, die Gitarre kommt mit einer ausgeglichenen Saitenlage, bei der die Saiten bei normalem Anschlag nicht schnarren. Also kein Flitzefinger-Flachbrett, aber wer das bevorzugt, hat den Hals schnell mit ein paar Handgriffen eingestellt. Der Steg bietet eine sehr gute Auflagefläche für die rechte Hand, wodurch das Palm-Mute-Spiel in sehr feinen Nuancen dosiert werden kann. Es ist klar: Die Gitarre ist für den modernen Spieler aus dem Heavy-Bereich konzipiert, der schlanke Hälse und Pickups mit hoher Ausgangsleistung bevorzugt.
Trotz allem geht es erst einmal an die unverzerrten Sounds zur Erforschung der Klangunterschiede der einzelnen Pickup-Kombinationen. Dafür steht ein Sovtek MIG-50 bereit, dessen Signal an ein Universal Audio OX (Cab Simulation) weitergeleitet wird. Danach geht es über den Digital-Out ins Audio-Interface.
Die beiden Pickups haben ordentlich Schmackes und können einen Amp oder Overdrive schon zum Zerren überreden, wo “normale” Humbucker noch für absolut unverzerrte Sounds sorgen. Mit dem Voicing 2, das durch Ziehen der entsprechenden Potis angewählt wird, hat man eine zusätzliche klangliche Option mit einem etwas schlankeren Ton und weniger Gain. Generell klingen die Pickups, wie zu erwarten war, sehr modern, worunter ich einen transparenten und etwas höhenbetonten Sound mit sehr klaren Bässen verstehe. Die Pickups unterstützen dabei sehr gut den Grundklang des Instruments.
Schaltet man ein Overdrive-Pedal (hier Walrus Audio Ages) zwischen Amp und Gitarre, gibt es auch bei niedrigen Gain-Einstellungen noch leicht angezerrte Sounds, wie es im folgenden ersten Beispiel zu hören ist. Die Klangübertragung der Pickups ist sehr gut, hier geht nichts verloren, egal, an welcher Position angeschlagen wird. Ob in der Nähe des Halses oder am Steg, die Fishman Fluence Pickups übertragen diese Sounds sehr detailgetreu. Sie gehören definitiv nicht zu den Plattmachern, die einfach nur ein lautes Signal von sich geben. Im zweiten Beispiel hört ihr den Test zur Anschlagsdynamik, diesmal mit einem etwas höheren Zerrgrad. Wird ein Mid-Gain-Sound an Amp oder Pedal aufgelegt, ist hier noch einiges an Steuerung des Zerrgrades über die Anschlagsdynamik drin. Klar, bei Gitarren mit niedrigerem Output ist die Bandbreite noch etwas größer, aber das ist auch nicht das Kerngeschäft dieser Gitarre, die ja generell erst einmal satt zerren soll. Dass man trotzdem noch gut mit der Dynamik arbeiten kann, wird natürlich gerne mitgenommen.
Wir wechseln nun zu den härteren Gangarten. Der Friedman BE-OD steht bereit und hier ist als erstes die Steuerung des Zerrgrades über den Volume-Regler an der Gitarre im Fokus. Mit ihm geht es mal eben aus einem hochverzerrten Ton nur mit dem Volume an der Gitarre in einen leicht angezerrten Sound, um dann schnell auf den ruhigen Mittelteil des Songs zu wechseln, bevor das Gewitter wieder losgeht. Das funktioniert mit der Evil Twin wunderbar, hier sorgt die Option von Voicing 2 für einen etwas geringeren Zerrgrad, was ihr auch im ersten Beispiel hört. Zuerst ist der Hals-Pickup mit Voicing 2 und weit heruntergedrehtem Volume an der Reihe, dann der Steg-Pickup mit Vollgas und Voicing 1. Danach geht es wieder zurück zum Hals-Pickup. Auch wenn man das Volume-Poti an der Gitarre zurücknimmt, sinkt die Gesamtlautstärke nicht drastisch – der Regelweg des Potis gefällt mir ausgesprochen gut. Im zweiten Beispiel hört ihr das zweite Voicing vom Bridge Pickup, das auch mit High-Gain-Sounds gut eingesetzt werden kann. Der Klang ist dabei im Vergleich zu Voicing 1 etwas klarer und im Höhenbereich eine Nuance spitzer – eine gute Alternative, wenn man bei Aufnahmen zwei Gitarrenparts etwas unterschiedlich klingen lassen möchte oder im Bandkontext mit zwei Gitarristen. Natürlich kann auch mit dem Tone-Regler gearbeitet werden, denn der macht das Signal nicht komplett muffig, sondern greift eher dezent ein und das passt auch völlig zum Gesamtkonzept. Der Hals-Pickup zum Beispiel ist in der Lage, mit komplett zurückgenommenem Tone-Poti einen recht weicher Leadsound zu erzeugen, den ihr im dritten Beispiel hören könnt. Als Zerrgenerator ist ein Okko Diablo im Einsatz, der mit der Gitarre einen sehr ansprechenden und singenden Leadsound erzeugt. Die Gitarre hat ein wirklich ausgezeichnetes Sustain.
Für dich ausgesucht
Wir kommen zur Zielgeraden und natürlich zum Kerngeschäft unserer Testkandidatin, nämlich moderne High-Gain-Sounds, gerne mit Mid-Scoop und hohem Gain-Setting. Hier darf die Gitarre eine Runde mit dem (Diezel) Herbert tanzen, der für einen kernigen Grundsound sorgt – eine sehr gut passende Kombination. Die PT SLS Evil Twin bringt das Distortion-Pedal zu satten Zerrsounds, die aber weder im Bassbereich zu mulmig sind noch in den Höhen zu spitz. Auch wenn ich an der Klangregelung am Distortion oder Amp drehe, braucht es schon einen einigermaßen energischen Zugriff, bis die Sounds zu extrem werden. Das spricht wiederum für die gute Abstimmung der Pickups. Im ersten Beispiel geht es stimmungsmäßig in den Keller (Drop C), denn Downtunings sind absolut unproblematisch. Auch bei der Gitarre, denn an der Bridge wackelt nichts und man kann relativ zügig umstimmen, dazu sorgen Locking Tuner und ein gut justierter Sattel für relativ große Stimmungsfestigkeit. Auch bei Drop C gibt es keine Probleme mit der tiefen E-Saite, das Tracking ist sehr gut und schnelle Anschläge sind auch in diesem Tuning gewährleistet. Die Wiedergabe des Bassbereichs ist ebenfalls absolut unproblematisch. Im zweiten Beispiel hört ihr den üblichen Akkordtest – Jazz Chords mit hoher Verzerrung – und da gibt es auch nur Positives zu berichten. Jeder Akkord und Anschlag ist trotz immensem Zerrgewitter auf den einzelnen Saiten klar und deutlich zu hören. Den Abschluss macht ein kleines Beispiel mit Flanger-Effekt am Anfang, ebenfalls im Drop C-Tuning.