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Schmidt Synthesizer – eine Unterwerfung

Praxis

Vergiss alles, was du bisher OSC nanntest

Der Schmidt Synthesizer bietet vier Oszillatoren, die Hälfte davon mit zusätzlichen Rechteck-Sub-Oszillatoren. Also eigentlich Sechs. Sechs OSCs à acht Stimmen ergibt 48 unabhängige Generatoren bzw. eigentlich noch mehr, da in manchen OSCs noch Mulit-Saw und Multi-PWM schlummern.

Kurzum: alles ist äußerst fürstlich ausgestattet und kommt mit ganz eigenem Konzept aus. Und das fällt auch auf: mit Basics wie Dreieck oder Sinus beschäftigt sich der Schmidt erst gar nicht. Und mal ehrlich, ‘ne Kick mit dem Ding zu zwirbeln erscheint mir auch ein wenig am Thema vorbei.

OSCs and Group-In
Die OSCs-Sektion befindet sich im linken Drittel

Über Mangel kann man sich hier eigentlich auch nicht beschweren, es geht ja vor allem um die Gewichtung der Möglichkeiten. Beispiel: Innerhalb eines jeden OSCs gibt es bereits „erste“ Modulationsmöglichkeiten, darunter Noise-Modulation in jedem OSC, FM-Modulation, Sync für OSC 2 und 3 sowie verschiedene, übergreifende Ansätze zur Ringmodulation. 

„Sonderling OSC4“ beispielsweise, erscheint nur im Vergleich zu den extrem umfangreichen OSCs 1 und 3 spartanisch – aber lasst euch nicht täuschen! Allein er ringmoduliert mit bis zu sechs Pulswellen, wodurch etwas Wavetable-artiges oder gar digital kalte Sounds entstehen. 

Schmidt Synthesizer OSC4

Es gibt hier nicht nur „analog Creme“ oder „Über-Fatness“, sondern auch bewusst digital Kaputtes. Richtig eklig wird es aber nie. Für mich ist dieser Synth eher der Hans Zimmer der Verzerrung. Ach, und ratet doch mal, wer den ersten Schmidt direkt gekauft hat? Genau. 

Also nochmal: Selbst wenn er fies klingt, kann er seine edle, analoge Herkunft niemals ganz verbergen. Anstrengend für das Ohr wird es so gut wie nie. Und das mag ich besonders.

Bei meinem beiden Jams habe ich versucht, möglichst didaktisch vorzugehen und Elemente nacheinander und plakativ vorzustellen bzw. in nach und nach in einen „finalen Sound“ zu integrieren. Damit war der grobe Ablauf ungefähr klar, nur in verschiedenen Anläufen kamen tatsächlich auch verschiedene Endsounds heraus.

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Logisch, es wird schon alles sehr drone-ig und manchmal auch monoton in der Programmierung – für Einstudiertes bin ich aber zu eitel und ungeduldig. Ohnehin finde ich es albern, einen solchen Prozess besonders schnell oder cool aussehen zu lassen. Wir sind ja nicht bei TikTok 🙂 Profi-Tipp: Im Display könnt ihr im Video auch immer lesen, welcher Parameter gerade gedreht wird.

PWM-Overflow

Die zentrale PWM-Sektion ist mächtig! Drei individuelle LFOS für die ersten drei OSCs sorgen für schöne Pulsweiten-Modulationen. Aber da ist auch noch die Multi-PWM in OSC 1, die mit vier Einzelimpulsen komplexeste Wellenformen generiert.

Und als hätte man es sich denken können: Auch dafür gibt’s wieder eigene LFOs – einer davon für die Pulsbreite (Width) und ein anderer für den Pulsabstand (Space). Ein weiterer „PWM-Mode“ für den Sägezahn verschiebt zwei Sägezahnwellen konstant gegeneinander, was man natürlich auch an einen LFO delegieren kann.

Schmidt Synthesizer Oscillators 1 & 2
Dummerweise kann man niemandem erklären, was die Matrix ist. Du musst sie selbst erleben.

Fett, fetter, Schmidt

Der Schmidt kann allein mit einer Voice und einem OSC schon dermaßen fett klingen – es ist der Wahnsinn. Champions-League? Nein, der hier spielt ganz allein in seiner eigenen Liga. Von Aliensounds, über ein geshreddertes Fax, bis hin zu wunderschönen Pads und Strings, die teils so nach echten, klassischen Instrumenten klingen!

Bässe und Drones sowie rhythmische Strukturen sind selbstverständlich ein Leichtes. Polyrhythmisch, endlos – der Schmidt zaubert, was du willst. Ich kenn jedenfalls nix vergleichbares, und ich kenn ‘ne Menge, würde ich behaupten. Und man muss dazu kein einziges Kabel stecken! Herrlich.

Schmidt Synthesizer Filters
Links geht es über die beiden Gruppen in die vier Filter: VCF1 & Dual Filter 1 sowie VCF2 & Dual Filter 2. Anschließend geht es rechts in zwei Gruppen auch wieder hinaus. Man beachte außerdem den VCF3 als “Lowpass-Bonus”.

Lasst uns die grundsätzliche Klangformungen noch weiter betrachten: vier unabhängige „Neben-Envelopes“ steuern Pitch, Noise-Mod und Vibrato aller OSCs – gemeinsam oder auch individuell. Hinzu kommt eine eigenständige und vierfache Vibratosektion. Und das alles hat noch nichts mit dem Master ENV/VCA zu tun!

Schmidt Synthesizer Envelopse
Die Zusatz-Envelopes

True Stereo Synth

Natürlich kann man die Generatoren noch ordentlich mischen – nur eben nicht mit ‘nem schnöden Mixer, das wäre zu einfach gewesen. Hier gibt es Gruppen – zu finden vor den Filtern und auch wieder danach. Filter gibt es, je nach Zählweise, vier bis sieben Stück!

Die geniale Idee hinter den Gruppen: unterschiedliche Filter-Settings für links und rechts. Und mit Settings meine ich Bewegungen, und zwar sehr komplexe. Der Schmidt schafft allein mit einer gehaltenen Note auf der Klaviatur schon solche dichten und bewegten Klanglandschaften im Stereoraum – das habe ich bisher nirgendwo so gehört: Beat drauf, fertig. 

Fangen wir also zaghaft mit „ einfachen“ Beispielen an:

Audio Samples
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Her Majesty Klawitter (No FX) Klawitter (+Reverb) Simple Open Bass 2 Pad Who needs Arp? OSC3 half Filter Jazzy Brass Evolvin Pad (+Reverb) Evolvin Pad (No FX) Steam Punx Funky Bassline Dark Pad Vintage Choir (+Reverb) Vintage Choir (No FX) Circades Group Pan LFO Ratemod Pad broken Fax 2 Mars One Key only Simple Poly with Pan Mod Simple Delay Detuned Drift Synth

Die Filter mäandern bereits hier mächtig im Panorama, es phased und flanged an jeder Ecke. Und es schnurpst, brutzelt und blubbert immer so schön vor sich hin – es ist zum Reinlegen! Auch wenn viele Synths zwei Ausgänge haben, das hier ist für mich der erste „wahre“ analoge Stereo-Synth. Und dazu gibt es zusätzlich noch acht Einzelausgänge, hehe. 

Generell gilt für meine Beispiele: Ich habe alles mit Single-Sound-Patches, wenigen Akkorden und Single-Notes gespielt und das Ganze nur minimal für die MIDI-Tightness angepasst. Anschließend habe ich während des Recordings ein bisschen mit Modwheel und Joystick gespielt, hier und da auch an dem einen oder anderen Cutoff gezwirbelt – aber keine Raketenwissenschaft betrieben, Overdubs gemachoder gar aufwendig editiert. Hier sind mein Favouriten:

Audio Samples
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Lunarising (+Reverb) Prime Landscape (+Reverb) Theater Glimpse (+Reverb) Titanium (+Reverb) Lunarising (No FX) Prime Landscape (No FX) Theater Glimpse (No FX) Titanium (No FX)

Also nochmal: Ihr bekommt keine üppigen Sequenzen, nichts Gelayertes oder Ge-stacktes mit dem Multi-Mode. Mit Übung und 10-Finger-Talent ist alles am Keyboard so auch „live“ spielbar – nur nicht von mir ;-). Für mehr Sexyness und Real-Life, habe ich den Quantec-Hall drauf gepackt. Für die Puristen gibt es im Player selbstverständlich auch alle NO-FX-Varianten. 

Notwendig waren die Effekte ohnehin nicht – aber wer hat, der kann bekanntlich. Obwohl der Schmidt selbst keinerlei „richtigen Effekte“ hat, kann er allein mit der Release dermaßen geschmeidig „envelopieren“, dass durchaus der Eindruck von Nachhall entsteht. Auch Delay-artiges ist mit den richtigen LFOs möglich – genauso wie jede Menge Phasing mit invertierten Filtern.

Schmidt, wer ist dein Vater?

Es überrascht mich nicht, dass der Ausgangspunkt des Schmidt-Synthesizers mal ein Moog-Taurus-Nachbau gewesen sein soll – mit diskreter Klangerzeugung in Thru-Hole-Bauweise, ohne SMD. Kein Rauschen, kein Crosstalk, nicht nasty und mit reichlich handhabbarem Headroom. 

So gesehen ist der Schmidt das, was der Moog One hätte sein können – aber bei weiten nicht geworden ist. Sorry, Moog! Solch polyphone Fatness mit reichlich verzerrungsfreien Raum zu konzipieren ist aber auch gar nicht so ohne! So gut wie hier gelöst, habe ich das noch nicht gesehen.

Achtung, Pegel runter! 12 Uhr sollte meine gedachte Gain-Nullstellung für optimales Gain-Staging sein.

Sein Filter – oder besser gesagt seine Filter – tragen maßgeblich zur Eleganz bei. Der Moog-Flavour im Low-Pass ist nicht zu leugnen, das Ganze ist für mich dennoch besser abgeschmeckt. „Sahnig-Erhabener“ und weniger „Vintage-Wolle-muffig“ wie ein Minimoog beispielsweise.

Ferner drängt sich der Schmidt so ganz grob als bester „Kompromiss“ zwischen einem creamy Moog und einem brillanten Oberheim auf. Obwohl Stefan Schmidt – wir nähern uns dem Personenkult – das Wort „Kompromiss“ sicherlich nicht gerne hört.

Nicht 1, nicht 3 sondern 5 Filter

Die Hauptfilter zeigen sich zunächst als kontinuierlich variables 4-Pol-Filter, das heißt, sie sind mit 24 dB Flanke von Low- zu Band- bis High-Pass änderbar. Sie gelangen nicht in die Selbstoszillation, was ich richtig gut finde, da man bei dermaßen vielen Sweeps keine Angst haben muss, die Tweeter zu zerreißen. Selbst bei hoher Resonanz bleiben die Filter stramm und werden nicht sonderlich dünn.

Und hab ich erwähnt, dass die beiden Hauptfilter allein unglaublich komplex sind und die beiden zusätzlichen Multi-State-Filter noch komplexer sein können? Pro Gruppe – und davon sind es zwei an der Zahl – gibt es einen VCF und ein Dual-Filter. Parallel angeordnet und jeweils mit eigenem diskreten Mixer. 

Parallele Welten

Zusammen ergeben die Gruppen vier parallele Filter. Jedes Filter kann „maximal“ zwei OSCs direkt zuzuweisen. Allerdings gibt es immer die Möglichkeit ein Dual-Filter anteilig in den dazugehörigen VCF zu schicken, sodass bei Bedarf durchaus alle OSCs auch nur durch ein Filter passen. Die Filterausgänge kann man mit Tastern deaktivieren und auch invertieren, sodass jede Menge Spielfläche für Phasen-Effekte entstehen.

Ein fünftes LP-Filter – der „Mambo Number Five“ sozusagen – sorgt in einer „theoretischen dritten“ Gruppe für das extra Low-End und dezenten Druck – ähnlich der feinfühligen Distortion in den Dual-Filtern, die eher sanften Drive als richtigen Rotz bringen. Prollig wird der Schmidt nie, lediglich bei viel internem Pegel – insbesondere bei hoher Resonanz in den Dual-Filtern – kann er auch clippen, was ein etwas unangenehmes Brutzeln verursacht. 

Pan or Fade

An dieser Stelle müssen wir nochmal ein ganzes Stück zurückrudern. Wir entsinnen uns: Fünf Filter und einige Gruppen. Man muss die Gruppen natürlich nicht unbedingt im Panorama verteilen – was ein eigener LFO ohnehin dynamisch übernehmen kann. Man kann die beiden Hauptgruppen auch stumpf überblenden, um zwischen zwei komplexen bzw. statischen Sounds zu morphen. Das allein macht eine Stimme schon lebendig – und dabei hat der Schmidt ja sieben weitere Voices unter dem Gewand – mit denselben Funktionen noch einmal!

Schmidt Synthesizer Group Section

Ein achtfacher Multimode mit vielerlei Möglichkeiten für Splits und Allocations ist an Board. Super intuitiv ist das nun nicht gerade, aber ehrlich: Wer nutzt Multimodes außerhalb der Theorie noch wirklich, wenn man mit der DAW viel flexibler stacken kann – nur selbst bei den komplexesten Bespielen im Test habe ich das nicht gemacht und trotzdem lebendige Soundscapes erschaffen. Die acht Einzelausgänge machen es sicherlich möglich, auch immersiv zu spielen. Der Schmidt ist eben einfach mehr Hollywood als „brotlose Kunst“.

Verschnaufpause. Kann man den Synth auch einfach nur spielen? Klar! Ich hab einen Kollegen, auch ein Stefan, gefragt, ob er nicht Lust auf einen kleinen Jam hat? Ganz unvorbereitet, nur die wichtigsten Regler erklärt. Geht auch, seht selbst!

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Klappe und Action – die Hardware des Schmidt

Im Unterbau steckt die gesamte achtstimmige Klangerzeugung inklusive Lüfter. Gehört hab ich den fast nie, und das, obwohl es in meinem Studio regelmäßig gemütlich warm wird. Das vierfach-klappbare Panel enthält die gesamte Führungsriege, sprich alle digitalen Bedienelemente.

Schmidt Synthesizer Voice-Board
Schmidt Synthesizer Voice-Board

Die fetten Voice-Boards mit den Ausmaßen eines Mainboards sind audioseitig vollständig diskret analog aufgebaut, selbst der „digitale“ Oszillator 4. Die Kontrolle des Wahnsinns und der Total Recall sind natürlich digital aufgelöst, was auch die LFOs und Envelopes umfasst. Die Auflösung der Parameter ist mit 10 bis 14 Bit so groß gewählt, dass Stepping kein Thema ist und die Envelopes knackig klingen. 

Zählen wir einfach mal … nein, sagen wir einfach besser: rund 130 Potis, 150 Taster und 300 LEDs. Die Kappen meiner Demo-Unit sind übrigens aus Bakelit, neuere Modelle verwenden Kunststoff. Die Potis selbst drehen sich geschmeidig und mit leichtem Widerstand.

Quirks und Features

Die Elemente auf dem neigbaren Bedienpanal sind optisch separiert und der Signalfluss ist erkennbar – wenn man genau hinschaut. Die Menge an Reglern erschlägt nur so, sodass „kleine Pfeile“ durchaus übersehen werden. Anderseits, wenn man annähernd die wichtigsten Konzepte verstanden hat, braucht man sicherlich keine Pfeile mehr, die an „absolute Basics“ erinnern. Find ich jedenfalls irgendwie lustig.

Fotostrecke: 3 Bilder Minimoog lässt grüßen!

Es gibt auch keinen einzigen Encoder. Nicht mal dem Menü ist ein endloses Bedienelement zur Seite gestellt. Preset-Wechsel von 1-128 erfolgen alternativ also so auch besonders flink mit einem Poti. Enter drücken, fertig. Ungeduldige aktivieren einfach Quick-Load: Steppt man nun mit einem der beiden Tastenpaare durch die Presets, schalten sie sofort um.

Auch die Abholung gedrehter Potis – beispielsweise nach dem Preset-Wechsel – wählt man intuitiv mit einem Taster: Zur Auswahl stehen Direct (Jump) und Catch (Pick-Up). Man muss also so gut wie nie ins Menü – wie geil ist das denn? Ein kleiner Hinweis: Unter gewissen Umständen nimmt der Schmidt keine Reglerbewegungen an, weil man zu tief im Menü ist. In diesem Fall einfach Exit drücken – und es geht wieder weiter.

Total Recall

Der Verzicht auf Encoder und LED-Kränze erklärt auch die „sonderbare“ Gestaltung der Gruppen, die Zuweisungen und Mischungen der Oszillatoren für nachfolgende Filter übernehmen. 

Die vielen Taster und LEDs für den Mixer ermöglichen so „zumindest ein wenig“, das Patch und dessen Routing optisch zu erkennen. Meistens aber doch nicht, und somit dreht man idealerweise erst mal alle Levels zu, um zu verstehen, wer hier für was eigentlich überhaupt klanglich zuständig ist, wenn man sich durch die vielen und mächtigen Presets wühlt. Und das immer wieder gern von vorn – es wird nie langweilig!

Apropos Presets: Davon sind reichlich vorhanden! Acht Bänke à 128 Presets für den Single-Mode ergeben insgesamt 1024 Speicherplätze. Weitere 256 Presets finden sich im Multi-Mode, wobei dieser nur als Host für Single-Preset-Verknüpfungen dient – Änderungen an den Singles führen zwangsläufig zu Änderungen der Multis. Muss man wissen, stört mich aber nicht. 

RGB-Lightshow

Noch ein Wort zu den LEDs: Die Farben kann man den Presets zuweisen, sodass man auf der Bühne ggf. die optische Kontrolle darüber hat, ob das richtige Patch geladen ist. Eventuell freuen sich auch Synästhetiker über diese Option, die Klänge nach Farbe sortieren wollen. Ich find es wiederum anders spannend, da ein abrupter Farbwechsel bei der Preset-Suche durchaus die kreative Mood im Studio ändert. 

Alle LEDs haben zeitgleich immer dieselbe Farbe – didaktisch schöner hätte ich es gefunden, wenn die LEDs den Signal-Flow irgendwie nachbilden: Sagen wir OSC1 ist magentafarben und OSC2 cyanblau, dann treffen sich beide im Filter und werden zu einem dunklen Blau; der LFO lässt die LEDs entsprechend wabern, blinken usw. Vielleicht hätte ich aber auch nur einen epileptischen Schock erlitten – oder hat hier Owsley Stanley etwa wieder LSD ins Gehäuse geschmiert?! Und wer bin ich überhaupt, dass ich dem Schmidt Ratschläge gebe?

Wer ist dieser Schmidt?

Es ist so weit! Stefan Schmidt ist begabter Tüftler und Ingenieur. Wie bei auffällig vielen dieser begabten Exemplare, begann auch er seine Karriere mit elektronischen Orgeln. Da fällt mir direkt der Kiesler von ME Geithain ein, aber auch Wolfgang Buchleitner, der Schöpfer vom Quantec Room Simulator – den ich bei manchem Beispiel als Reverb-Plugin nutze – was Zufall war, sich aber nun wie Fügung anfühlt. 

Schmidt war in den 90ern für seiner Arbeit bei MAM bekannt, die unter anderem den 303-Clone MB33 entwickelt haben. Als Nachfolger war dann eine Moog Taurus Kopie angedacht, wobei man sagen kann, dass die Tüftelei etwas aus dem Ruder lief – denn nach rund zehn Jahren Entwicklungsarbeit ist daraus der serienreife Schmidt Synthesizer geworden. 

Klar, Namen wie Moog oder Oberheim, beide deutschen Ursprungs, klingen irgendwie „fancier“ als Schmidt. Vielleicht verklärt man das aber nur in der Retroperspektive?! So gesehen klingt Schmidt wiederum sowas von deutsch. Wobei ein Aspekt am Schmidt Synthesizer gar nicht mal so typisch deutsch daherkommt: Der Synth wurde nie am Reißbrett geplant, sondern ist förmlich beim Machen entstanden – und das mag die ein oder andere für mich „logische Inkonsistenz“ durchaus erklären, zum Beispiel die Reihenfolge der PMW-LFOS mit 2,3,1 – okay.

Do you want to know more?

Stefans Herzensprojekt wurde wiederum von Stefan Hund aka EMC finanziert, der u.a. den deutschen Vertrieb und die Logistik von Moog Deutschland bewältigt. Axel Hartmann, Synth-Designer par excellence, hat dann beim Gehäuse-Design geholfen, während Matthias Nagorni wiederum die Software gestaltet hat. Achim Jerominek, Instrumentenbauer und Service-Spezialist, hilft wiederum bei der Montage und Axel Fischer hat letztlich das Marketing übernommen. Ach, und Rudi Linhard konnte sicherlich auch den ein oder anderen sachdienliche Hinwiese mitgegeben haben. Last but not least: HMT Rüffel baut bzw. schnitzt die Gehäuse. The German Dream.

Zeitstreifen

2011 hat man den Schmidt Synthesizer zum ersten Mal auf der Frankfurter Musikmesse präsentiert, 2012 hat Hans Zimmer den zweiten Prototypen gekauft. Als Kleinstauflage mit 25 Stück geplant, wurden immer wieder neue Serien angestoßen. Viel mehr als 125 Geräte dürfen es bis heute nicht sein, die meisten davon in Privathänden gut betuchter Amerikaner, wie man munkelt.

Axel Fischer, Stefan Hund und hinten rechts die retournierte Testware zur Superbooth 2023

Anfänglich gab es auch richtig lange Lieferzeiten von bis zu einem Jahr und dabei waren erst einmal 50% Anzahlung fällig. Rund 50 Stunden dauert die Endmontage mit Kalibrierung, auch das erklärt den Preis. Hinzu kommt die ständige Verteuerung „altmodischer“ THT-Bauteile, weil die Industrie nun mal zunehmend auf SMD setzt. Ob das klanglich nun den Riesenunterschied ausmacht, sollte man eigentlich keinen Ingenieur fragen, und ich kann es auch nicht messen – hören kann ich es hingegen. Zumindest empfinde so. Und Service-Techniker freuen sich allemal, sollte nur eine Reparatur klassischer Bauteile anstehen und keine SMDs mit Lupe rausgefischt werden.

Kommentieren
Profilbild von Wellenstrom

Wellenstrom sagt:

#1 - 12.05.2023 um 17:11 Uhr

1

Ein Synthesizer, den man sich, im wahrsten Sinn des Wortes, erst verdienen muss. Wird mit Sicherheit die bescheidene Villa des einen oder anderen Zahnarztes schmücken. Ist er musikalisch relevant? Wohl eher nicht. Ein Luxusartikel eben.

Profilbild von Ramon Schmidt

Ramon Schmidt sagt:

#2 - 13.05.2023 um 10:44 Uhr

0

… Nunja, ich hätte da schon Bock drauf … www.betriebsdruck.de lässt grüßen!

Profilbild von Thomas Dengler

Thomas Dengler sagt:

#3 - 05.07.2023 um 11:40 Uhr

1

Ich hatte einen Schmidt, über 2 Jahre. Danach - zum Glück- noch einen Käufer gefunden. Vorneweg , ich teile die Ansichten des Testers nicht im geringsten Maße ;-) Der Synth ist klanglich das Gegenteil von dem was hier geschrieben wird, d-h vernachlässigbar bis entäuschend. Die Imposanz des Bedienpanels gleicht das aber zumindest optisch aus. Die Filter sind vor allen Dingen zu kritisieren. Diese sind derart unmusikalisch harsch, das ich es am Anfang nicht wahr haben wollte. Das ständige Mantra "Schmidt hätte den Klang genau so gewollt" ist seit Jahren abgenutzt, geradezu albern und Marketing BS. Die zudem immer wieder gerne gezeigten großen non -SMD Platinen sollten auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Synth ein halb digitaler ist. Das einzig analoge am Schmidt sind drei DVCO und die Filter (klanglich sind diese gut mit den "Analogen" von Arturia zu vergleichen). Alles andere am Schmidt ist Digital. und das hört man von vorne bis hinten. Ein sehr schönes Stück Studio-Möbel, das genau so klingt wie die ganzen youtube Videos korrekt wiedergeben, ziemlich ".xyz.." für den getriebenen Aufwand. Eine Aufwertung mit einem Poly AT Keybed, das Fatar jetzt anbietet macht sicherlich Sinn. Aber ob das kommt ? Da würden sicherlich die bis dato ca 150 bisherigen Käufer ihre Geräte zum Umbau nach Erlangen einschicken wollen. Wie auch immer. Ein tolles Projekt, aber der Schmidt erinnerte mich immer an den Aston Martin Lagonda meines Vaters ;-))

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