Wir haben Schoeps CMC-62 und CMC-64 einem Test unterzogen – im Rahmen des großen bonedo-Testmarathons der Kleinmembran-Kondensatormikrofone. Beide Stereosets entstammen der Colette-Serie von Schoeps, die seit ihrer Einführung im Jahre 1973(!) unter sehr vielen Toningenieuren schlicht als bestes verfügbares Mikrofonsystem gelten. Einen derartigen Ruf erhält man nicht zufällig, auch dass seit nunmehr 40 Jahren überall auf der Welt auf diese Mikrofone vertraut wird, ist nichts, was man banal mit dem beliebten Begriff “Kult” darstellen könnte: Hier sind ganz sicher in erster Linie Ingeneursleistung und Handwerkskunst verantwortlich.
Zum Review haben wir uns zwei Kleinmembran-Pärchen kommen lassen: Das CMC-64, welches mit den Nierenkapseln MK 4 ausgestattet ist, sowie das CMC-62, welches mit der freifeldentzerrten Druckempfänger-Kugelkapsel MK 2 bestückt ist. Der Mikrofonverstärker ist bei beiden Sets der beliebte CMC 6 Ug.
Details
Modular – mit mehr als nur einer Handvoll Modulen
Neben den genannten Komponenten, aus denen die insgesamt vier getesteten Schoeps-Mikrofone bestehen, gibt es noch eine Vielzahl weitere – kein Wunder bei einer derart langen Produktgeschichte. Diese “Vielzahl” beginnt schon bei den Kapsel: Alleine Kugeln gibt es vier verschiedene, die sich natürlich durch ihren Entzerrungsgrad unterscheiden. Neben der MK 2 ohne Höhenanhebung sind von Schoeps auch MK 2H, MK 2S und MK 3 zu erstehen, die sich durch zunehmende Kompensation des entfernungsbedingten Höhenabfalls für verschiedene Entfernungen zur Schallquelle eignen – die MK 3 ist dementsprechend stark diffusfeldentzerrt. Wer Schoeps hier Geldmacherei vorwerfen will, der kennt das Unternehmen schlecht und die Top-Tontechnik vielleicht auch nicht so gut: Natürlich kann man Höhen auch mit einem analogen oder digitalen EQ anheben, doch es ist qualitativ eine ganz andere Sache, wenn dies schon durch gezielte Konzeption der Kapsel geschieht.
Nieren sind neben der MK 4 auch solche erhältlich, die seitlich besprochen werden (MK 4V und MK 4VXS) und welche mit verringerter Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt (MK 40, MK 4A, MK 4S und MK 4VXS). Stärker der Acht angelehnte (MK 41, MK 41V, MK 41S) und eine Acht (MK 8) gibt es genauso wie die in der Schoeps-Zeitrechnung noch sehr jungen Breiten Nieren (MK 21 und MK 21H) sowie die Offene Niere (MK 22), welche zwischen Kugel und Niere angesiedelt sind. Kugel und Niere umschaltbar gibt es auch (MK 5), wobei hier nicht verschaltet wird, sondern mit einem Schieberegler aus einem Druckgradienten- ein echter Druckempfänger wird! Zwei Grenzflächenmikrofone runden das Portfolio der 20 Kapseln ab. Anstelle des verbreitetsten Verstärkermoduls CMC 6 UG lassen sich auch batteriebetriebene verwenden, solche für Funkstrecken, ja sogar ein Röhrenverstärker-Modul, welches allerdings bei Elvo im Auftrag von Schoeps gefertigt wird. Die Technik für digitale Module hat im Rahmen der Colette-Serie offenbar niemanden wirklich interessiert (wie für digitale Mikrofone nicht ungewöhnlich), allerdings wird die Technik in Schoeps’ SuperCMIT 2 U Einzug gefunden haben, dem edlen digitalen Richtrohr.
Unerreicht ist die Auswahl an Bauteilen, die man innerhalb des Colette-Systems zwischen Kapsel und Korpus setzen kann. Wo andere Hersteller allenfalls ein Pad oder ein Hochpassfilter im Programm haben, bietet Schoeps zusätzlich noch Gelenke, Kabel und Rohre an, sodass Verstärker und Kapsel voneinander entfernt aufgebaut werden können. Genutzt werden diese Möglichkeiten in erster Linie dort, wo Mikrofone sehr dezent sein sollen, beispielsweise als Solistenmikrofone. Wenn ihr beispielsweise Bilder von Luciano Pavarotti googelt, werdet ihr auf einigen eine Langrohr-Kombination von Schoeps sehen.
Grundbaustein der Stereosets: Der Verstärker Schoeps CMC 6 U
Die Aufgabe der Impedanzwandlung übernimmt in beiden getesteten Sets der CMC 6 Ug (“g” für “grau”). Dieser sehr linear arbeitende Verstärker läuft im Class-A-Betrieb. Es müssen nicht 48 Volt Phantomspeisung anliegen, denn der CMC 6 Ug gibt sich auch mit 12 V zufrieden. Im Gegenzug wird die über ein feines und genaues Gewinde aufgeschraubte Kondensatorkapsel aufgeladen, das Ausgangssignal des CMC wird nach einer übertrager- und kapazitätsfreien Symmetrierung an die XLR-Buchse übergeben. Bei 48 Volt Speisespannung beträgt die Ausgangsimpedanz schlanke 35 Ohm, sodass Anpassungsprobleme an eigentlich keinem halbwegs modernen Preamp zu erwarten sind.
Wer mag, kann in Einzelbestellungen des Verstärkers auch Sonderwünsche äußern, so kann man den Korpus mit 3 statt 20 Hz unterer Grenzfrequenz, einem auch über 40 kHz erweiterten Spektrum, einer um 5 dB größeren Empfindlichkeit oder einer Sondergravur bestellen. Außerdem kann man den Korpus wie auch die Colette-Kapseln mit vernickelter Oberfläche erstehen – wovon vor allem die Amerikaner Gebrauch machen, denn die reflexionsarme Nextel-Oberfläche scheint ihnen zu “modern”.
Die Nierenkapsel Schoeps MK 4
Nieren sind die beliebtesten und verbreitetsten Richtcharakteristika, so ist es kein Wunder, dass auch bei Schoeps die Standard-Nierenkapsel MK 4 am häufigsten über die Ladentheke geht. Das gesamte Kapselgehäuse wird mit einer CNC-Maschine aus einem Messingstück herausgearbeitet. Von dieser Aussage sind die frontseitigen Stege nicht ausgenommen. Was bei den meisten Herstellern – falls vorhanden – nachträglich angebracht wird, ist hier in der denkbar stabilsten Form gefertigt. Die Echtkondensatorkapsel verwendet als Membranmaterial kein exotisches, sondern das allgegenwärtige Mylar. Ein Kondensatoraufbau mit Nickel, Neusilber, Edelstahl, Titan, PVC oder anderen Materialien ist heutzutage eher die Ausnahme. Durch die Verzögerung der Signallaufzeit zur Rückseite der Membran erhält die MK 4 ihre Nierencharakteristik, welche naturgemäß ihre Idealform ab dem höheren Kilohertzbereich verliert und sich der Superniere nähert – samt Rückkeule bei 180°, wo bei 4 kHz noch die maximale Dämpfung vorhanden ist. Bei 16 kHz kommt die Übertragung in der Off-Axis jedoch auch nicht weit über -20 dB hinaus, sodass die Relevanz dieses Signalanteils ausreichend gering ist.
Bis auf eine winzige Überhöhung bei etwa 12 kHz bewegt sich der Pegelfrequenzgang der MK-4/CMC-6Ug-Kombination von 200 Hz bis 20 kHz in seinem Toleranzschlauch von +/-2 dB. Im Falle unserer Testmikrofone sind die beiden Werkzeuge gematcht – was übrigens bei Einzelbestellung einen Aufpreis kostet. Unterhalb der 200 Hz senkt sich die Kurve gemächlich nach unten, um bei etwa 40 Hz (Messen kann man in Schoeps’ Kundt’schem Rohr aufgrund der Länge nur bis 50 Hz) den -3dB-Punkt zu durchkreuzen. Bedenkt man die Umstände, dass der standardisierte Messabstand einen Meter beträgt und ein Gradientenempfäger wie die MK 4 im Nahbereich mit einer Bassanhebung reagiert, ist die Absenkung als fast unmerkliches Entgegenwirken gegen den Proximity-Effekt zu verstehen. Ist eine geringere Tendenz zur Verbassung gewünscht, sind andere Kapseln erhältlich, die sich dieser Problematik wohlgemerkt mechanisch, nicht elektrisch annehmen! Mit dem CMC 6 Ug verwendet, hat die 4er-Kapsel eine Empfindlichkeit von 13 mV/Pa und einen A-bewerteten Geräuschspannungspegel von 15 dB. Der 0,5%THD-Grenzschalldruckpegel, für fast alle Kapseln im gleichen Bereich liegend, beträgt 132 dB(SPL).
Die freifeldentzerrte Kugel MK 2
“Bretteben” ist ein Begriff, der im Zusammenhang mit Frequenzgängen gerne benutzt wird und auf die MK 2 ganz besonders zutrifft. Mit Druckempfängern wie der vorliegenden Kugelkapsel ist es einfacher möglich als mit Druckgradientenempfängern, eine breite und gleichmäßige Übertragung zu gewährleisten. Die allgegenwärtige Angabe “20 Hz – 20 kHz” gilt hier tatsächlich, und zwar für einen Toleranzbereich von +/- 2 dB. Innerhalb dieses Toleranzschlauches ist bei Schoeps-Kapseln jedoch nicht mit wilden Anstiegen zu rechnen. Die für entferntere Aufstellung häufig genutzte Höhenanhebung fehlt bei der MK 2 gänzlich. Die Kugelform der Mikrofonkapsel bleibt bis knapp 4 kHz ideal, danach beginnt ein sanfter Rückgang abseits der Achse. Die rückwärtige Dämpfung beträgt – ganz entsprechend der Dimensionen der Kapsel, die sich ab einer gewissen Wellenlänge quasi selbst im Weg ist – bei 16 kHz etwas mehr als 10 dB. Viel wichtiger: Der Kurvenverlauf ist bis in den zweistelligen Kilohertzbereich hinein sehr eben, erst dann machen sich akustische Effekte an den Kanten bemerkbar – im Diagramm wohlgemerkt. Die Schoeps MK 2 ist mit 11 dB(A) die rauschärmste Kapsel im Programm des badischen Unternehmens. Mit 0,5% THD bei 130 dB(SPL) am CMC 6U ist sie für viele der typischen Anwendungen ausreichend pegelfest, sollte das nicht so sein, hilft ja noch ein Dämpfungsglied.