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Schoeps Colette CMC-62 und CMC-64 Test

Praxis

Vielleicht ist es unnötig, an dieser Stelle noch einmal über die Verarbeitungsqualität der Schoeps-Mikros zu referieren, aber ich möchte es dennoch mit einem einzelnen Wort zusammenfassen: hervorragend! Doch auch die Modularität mit einem riesigen Arsenal an Teilen, die nun schon sehr lange Geschichte der Serie, die Erfahrungen, die der recordende Teil der Menschheit schon mit Schoeps’ Zuverlässigkeit (und im Fall der Fälle: dem guten Service) gemacht hat, all das spricht schon einmal deutlich für die Colettes. Dass Mikrofone auch klanglich gute Werte liefern müssen, ist klar, doch sprechen viele der gerade genannten Argumente dafür, dass die Colettes das auch tun. Die Colette-Systeme waren meinem Kollegen Guido Metzen und mir nicht neu, dennoch haben sie natürlich die gleiche Behandlung erfahren wie alle anderen Mikrofone. Der Testdurchlauf mit Videoaufzeichnung begann mit den Nierenmikrofonen, daher möchte ich auch zuerst auf die MK-4-Kapseln eingehen. Doch hier zunächst das Audiofile:

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Schoeps CMC-64

Was im Player, der mit einem psychoakustisch reduzierten Datenformat arbeitet, schon deutlich wird, ist wirklich frappierend, wenn man sich die Files in Originalqualität herunterlädt: Kein anderes System im Test vermag es, an die Natürlichkeit der CMC 6 Ug mit den MK 4 Kapseln heranzukommen. Zwar ist “Natürlichkeit” ein zunächst recht interpretierbar wirkender Begriff (und wird eher Druckempfängern als Druckgradientenempfängern zugesprochen), doch kann man hier recht gut erkennen, was die notwendigen Zutaten für das Entstehen dieses Eindrucks sind. Zunächst einmal ist es ganz banal der Pegelfrequenzgang, denn hier zeigt sich, dass die MK 4 sehr, sehr gleichmäßig zu Werke gehen. Die leichten Abweichungen von einer spiegelglatten Kurve sind in der Praxis nicht kontraproduktiv – im Gegenteil würden die Kapseln ohne den sanften Boost vielleicht sogar weniger gut performen. Wichtig ist, dass es keine “Kanten” im Frequenzgang gibt, die die Abbildung der Signalquelle verändern könnten. Aufgrund der sehr gleichmäßigen Aufzeichnung ist auch nicht erkennbar, dass der Phasenfrequenzgang irgendwelche Kapriolen schlägt. Interessant – und in dieser Klarheit bei keinem anderen Mikrofon zu bemerken – ist die Tatsache, dass durch den gesamten Frequenzgang auch die zeitliche Reaktion des MK-4-Colettes gleich ist. Man hat nicht das Gefühl, dass die MK 4 Pegelanstiege in Höchstgeschwindigkeit durchreichen, selbst wenn dies vor der Kapsel der Fall ist. “Transientenstarke” Druckgradientenempfänger wirken schnell etwas spitz, im etwas besseren Fall “frisch” und “spritzig” – Attribute, die man dem Schoeps eher nicht zuteilen möchte. Das ist durchaus vorteilhaft und bringt mich wieder zur beschworenen Natürlichkeit zurück. Die Colette-Nieren beherrschen das phänomenale Kunststück, ausgeglichen und unaufdringlich zu sein, aber dennoch nichts an Detailreichtum vermissen zu lassen. Das ist die wesentliche Stärke, die Balance zwischen zu präsent oder scharf und zu verhalten und indirekt: Schmeichelnd, zu gutmütig und verdeckend arbeiten die MK 4 nie. Es mag sein, dass es in manchen Recording-Situationen im Rock-Pop-Bereich sogar vorteilhaft ist, vom Mikrofon nicht direkt alles geliefert zu bekommen, was akustisch davor so geschieht, vielleicht ist auch dann und wann ein greifbarerer, rauerer Klang von Vorteil, doch würde es Schoeps’ Anspruch entgegenarbeiten, möglichst hochwertige und verfärbungsfreie Mikrofone herzustellen. Auch abseits der Hauptaufsprechrichtung klingen die CMC-Systeme hervorragend und büßen erst nahe der Off-Axis die oben beschriebenen Eigenschaften ein. Eine derart hochwertige Wiedergabe für verschiedene Einsprechrichtungen liefern sonst nur manche echte Achten und die eine oder andere Druckempfänger-Kugel – unter den Nieren wüsste ich nur die seltenen, edlen und verdammt hochpreisigen, koaxialen Sanken CU-41/44x zu nennen, die diesbezüglich mit den Schoeps mithalten könnten, vielleicht noch DPA und Microtech Gefell. Der Stereoabbildung ist das dargestellte Naturell der CMC-6/MK-4-Kombination natürlich nur zuträglich. Eben nicht “messerscharf” und wie mit kaltem Flutlicht beleuchtet, sondern schlichtweg “echt” ist die Anordnung im Stereobild – erstaunlicherweise auch in der Tiefe, was weniger zu den Stärken des hier gewählten Stereoverfahrens XY zählt. Deutlich wird das besonders dann, wenn man auf die Plastizität achtet, mit welcher das Instrument selbst, aber auch seine Rückwürfe aus dem Raum dargestellt werden. Ein höheres Maß an Dreidimensionalität konnte im Test keiner bei anderen Mikrofonen erkennen. Die einhellige Meinung im Regieraum: “Das klingt ja eigentlich genauso wie drüben Im Aufnahmeraum, wenn man vor dem Instrument steht.” Ich möchte behaupten, dass das CMC-64 das beste Kleinmembran-Nierenmikrofon ist, was man kaufen kann. 

Fotostrecke: 3 Bilder Diese kleinen grauen Mikrofone haben den Sound aufgenommen, den man im Player hören kann: Schoeps CMC-64.

Die Druckempfänger-Kugelkapseln MK 2 auf den CMC-Verstärkern stehen qualitativ den Nieren in nichts nach. Auch hier macht sich im Vergleich die enorme “Echtheit” der Signale bemerkbar, man erhält die maximale Information aus dem Raum und bekommt einen guten auditiven Eindruck von der Größe des Raumes. Aufgrund der großen AB-Basis wirkt jedoch bei allen Files im Test der Raum größer, als er eigentlich ist – wie bei typischen Orgelaufnahmen.

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Schoeps CMC-62

Die Gitarre erscheint deutlich und im bewusst sehr leisen Direktsignal sehr detailliert, der Raum komplex und nicht verwaschen. Auch der Bassbereich – hier natürlich nicht bis an die Infraschallgrenze angeregt – ist sauber und deutlich, neigt in keiner Weise zum Nachschwingen. Trotzdem erscheint der Bass nicht ganz so trocken wie etwa bei DPA. Auch ist es ein klein wenig verhaltener als bei den Microtech Gefell, die etwas straffer aufgestellt sind. Es handelt sich hier jedoch um Nuancen, welche die Schoeps-Kombination ein kleines bisschen weniger stramm und klar, dafür aber etwas voluminöser, erhabener und “wichtiger” wirken lässt. Interessant ist, dass hier die nicht vorhandene Entzerrung, mit der man in derartigen Abständen üblicherweise zunächst arbeiten würde (also etwa mit MK 2S oder MK 2H), nicht dazu führt, ein bedämpft wirkendes Klangbild zu erhalten: Für den “Samtvorhang-Effekt” sind weit mehr Parameter wichtig als nur der reine Pegelfrequenzgang. Die MK 2 sind trotz ausbleibender Höhenanhebung sehr, sehr schnell. Und wie immer bei Schoeps sind die Reserven enorm, um das Signal später mit diversen Bearbeitungswerkzeugen in die Richtung zu drücken, die man gerne hätte. Anders als bei den Nieren, welche sich in fast allen Belangen vor den Mitbewerbern positionieren, ist es bei den Kugeln eher eine Frage des Geschmacks, ob man sich für Schoeps, DPA, Sennheiser oder MG entscheidet – in jedem Fall bewegt man sich damit auf dem höchstmöglichen Niveau.

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