ANZEIGE

Schoeps VSR 5 U Test

Details

Keine schlechte Geschichte: Um die hochwertigen Mikrofone im Haus zu testen, verließ man sich bei Schoeps ungern auf Vorverstärker anderer Hersteller. Aus diesem Grund wurde schon vor Jahrzehnten eine sehr rauscharme und transparente Preamp-Schaltung entwickelt, die auf einer Optimierung des für seine Rauscharmut berühmten Valley People Trans-Amp LZ aus den 70ern beruht. Später scheint wohl ein Mitarbeiter in die Runde gefragt zu haben: “Leute, wieso bringen wir das eigentlich nicht als Produkt auf den Markt?” Nun gut, besser spät als nie.

Schoeps_VSR5_6

Wie von den Herrschaften nahe der französischen Grenze nicht anders zu erwarten, kommt der VSR als optisch diskretes, unaufdringliches Werkzeug daher. Nahezu tiefstapelnd findet man den Hinweis über die Geräteklasse mittig auf der Frontplatte des 19”/2HE-Gerätes angebracht: “Two Channel Analog Microphone Preamplifier” steht dort. Stimmt ja auch! Außerdem ist es ein angenehmer Gegenpart zu den ganzen “Ultra Low-Noise Sound-Enhancing Mic-Level-Boosting Devices” da draußen. Bei Schoeps benennt man die Dinge einfach, wie sie sind und grinst – ganz deutscher Ingenieur – wohl wissend um die Qualität in sich hinein. Ich überlege gerade, welche Alternative zur allgegenwärtigen Modellreihen-, Ausstattungsvarianten- und Motorisierungskennzeichnung in Zukunft in silberner Schrift das Heck meines Autos schmücken soll. Ich entscheide mich für “Fünfsitziger Personenkraftwagen mit Ottomotor”. Wo kann ich so was kaufen?
Doch zurück von der Straße zur Tontechnik. Natürlich steht da noch etwas mehr auf der Frontplatte. Ebenfalls mittig am VSR angeordnet sind das Schoeps-Logo, der Hinweis auf die verwendete Schaltung, das Produktkürzel und die Seriennummer. Eine frontseitig eingravierte Seriennummer verdient übrigens Applaus: Erst einmal ist dies kein schlechter Diebstahlschutz, vor allem aber wird damit das Leben jener erleichtert, die sich in größeren Häusern mit dem Inventar beschäftigen müssen. Nichts muss ausgebaut werden, auch das Herumkriechen hinter irgendwelchen Racks entfällt. Die eigentliche Frontplatte ist mit Nextel beschichtet und damit optisch genauso unauffällig wie die Mikrofone (bei denen bewusst die reflektionsarme Oberfläche verwendet wird, damit die Mikros, wenn sie im Bild sein sollten, nicht sonderlich auffallen).

In kühler, leicht gebürsteter Edelstahloberfläche heben sich die beiden identischen Bedienelemente für den ersten und zweiten Kanal vom Dunkelgrau des übrigen Metallgehäuses ab. Der dort jeweils in der Mitte prangende Gain-Regler ist von 0 bis 60dB (Gain-Genauigkeit: +/-0,3dB) skaliert und markiert damit selbstredend die mögliche Verstärkungsleistung des VSR. Diese Vorverstärkung lässt sich in 21 3dB-Stufen einstellen. Links unten befinden sich drei nach Betriebsmodus verschiedenfarbig innenbeleuchtete Schalter. Ganz links findet man die von einigen Mikrofonen benötigte Betriebsspannung von 48 Volt (die bei jeder Schaltfunktion zu anschließendem Auto-Mute von 2,5 s Länge führt), mittig die per Relais vollzogene Umschaltung der Signalpolarität, rechts die simple, aber oft ungemein praktische Funktion “Mute”. Die mit 12 dB/oct recht sanften Hochpass-Filter können wahlweise mit einer Eckfrequenz von 40, 80 oder 120 Hz betrieben werden. Erfreulich ist die Memory-Funktion, die den letzten Schaltzustand der Filter auch ohne Spannungsversorgung dauerhaft speichert. Insgesamt 22 LEDs geben visuelles Feedback über den Pegel in 3dB-Schritten. Dass dies keine bunte “Pi-mal-Daumen”-Lichtorgel ist, versteht sich bei Schoeps von selbst: Das PPM arbeitet nach DIN mit einer Integrationszeit von 10 ms und benötigt im Rücklauf eine halbe Sekunde für 20 dB. 0 dB auf der Anzeige entsprechen +6 dBu, dies ist allerdings bei Bedarf verstellbar. Die Clip-LED reagiert ab einem festen Wert von +20 dBu.

Von der Rückseite gibt es bei Mikrofonvorverstärkern oftmals nicht viel zu berichten. Ähnliches gilt auch für den VSR, allerdings findet man dort für jeden Kanal neben dem Eingang direkt zwei symmetrische XLR-Outputs, deren Verschaltung elektronisch schwebend ausgeführt ist. Sehr praktisch! Das integrierte Netzteil kommt mit Spannungen von 94 bis 250 Volt und Wechselfrequenzen zwischen 50 und 60 Hz zurecht. Bei einer Installation kann der kleine Ground-Lift eine große Hilfe im Kampf gegen das böse Brummen sein. Nett auch, dass Schoeps nicht arrogant davon ausgehen, dass jeder weiß, was es damit auf sich hat, sondern im Handbuch wirklich gute Hilfestellung bieten.

Ja, ich kann bis zwei zählen. Sogar noch weiter, wenn es notwendig ist. Und ich kann versichern, dass ich ganz genau und wiederholt die Nullen des Wertes nachgezählt habe, der den Frequenzgang nach oben markiert. Es sind zwei Stück hinter der Zahl und vor dem “kHz”. Außerdem habe ich auch die Kommastellen mehrfach überprüft. Festhalten: Die -3dB-Punkte des Frequenzgangs liegen bei 2,5 Hz und 400 kHz! Nicht 25 Hz und nicht 40 kHz, sondern zweieinhalb und vierhunderttausend Hertz! Selbst die Werte für +/-0,1dB-Toleranz erreicht ein Großteil der anderen Amps auf dem Markt nie und nimmer mit 3 dB Abfall, denn auch diese liegen bei Schoeps bei verblüffenden 12 Hz und 90 kHz. 

Schoeps_VSR5_3

Das ist in etwa so, als würde die Akkulaufzeit eures Mobiltelefons mit 180 Stunden Telefonieren und 2 Jahren Standby angegeben sein – und stimmen! Denn im Vergleich zu Telefonherstellern kann man sich auf Angaben des höchst seriösen Unternehmens Schoeps wirklich verlassen. Klappern gehört bei den Karlsruhern nämlich erfreulicherweise nicht zum Handwerk –sie haben es einfach nicht nötig. Man muss allerdings auch anmerken, dass der VSR bezüglich des Frequenzgangs nicht ganz alleine auf der Welt ist. Für die Preamps aus GMLs 8300er Serie sind 1,7 Hz und 260 kHz angegeben –sogar für +/- 0,3 dB (auch hier sitzt das Komma richtig!).
Die weiteren Daten lesen sich im Grunde wie der Frequenzgang auch: mit offenem Mund. Ein Rauschen von unter 130 dBu nach A-Filterung bei maximalem Ausgangspegel von 28,5 dBu erlaubt auch das Arbeiten mit riesigen Übersteuerungsreserven. Beim Umgang mit hochdynamischen Signalen sind also eher die Mikrofone und Wandler gefragt als der Preamp. Richtig schön staunen darf man bei der Angabe der Phasendifferenz zwischen beiden Kanälen. Sie liegt bei 5 Hz bei 0,0°. Das ist noch keine Überraschung, denn schließlich sind die Schwingungen in diesem Frequenzbereich noch schön langsam, ein Grad wäre also eine ganz Menge. Bei 10 kHz sieht es allerdings noch genauso aus: 0,0° Differenz zwischen beiden Kanälen. Erst bei 200 kHz sind 0,2° erreicht. Durch diese Werte scheint der VSR förmlich zu schreien: “Ich bin Spezialist für Laufzeitstereofonie! Nimm mich als Preamp für die A/B-Hauptmikrofone!”
Eine Besonderheit des Schoeps sind die HF-Filter der In- und Outputs, die zwischen 3 MHz und 1 GHz wirken. Ein Frequenzdiagramm im Handbuch des VSR zeigt ein nur minimal über dem Rauschteppich liegendes Hochfrequenz-Signal. Bei der Aufzeichnung kann also das Mobiltelefon wahrscheinlich getrost auf dem Gerät liegen.

Ach ja, fast hätte ich den D.I.-Input vergessen. Vergessen, ihn zu erwähnen, nicht vergessen, ihn zu beschreiben: Es gibt ihn nämlich nicht. Der VSR ist ein reiner Mikrofon-Vorverstärker, keine eierlegende Wollmilchsau. Mit “Ooch, so einen D.I. hättet ihr doch auch noch mal eben mit einbauen können” braucht man den Herren bei Schoeps bestimmt nicht zu kommen. Diese “Straightness” ist eine sehr gute Entscheidung, wie ich finde!

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.