Praxis
X1 USB
Zunächst klebe ich das X1 USB per Kabel an meinen Mac. Die erste positive Eigenschaft ist damit schon beschrieben, denn USB-Mikros halten generell den Anschaffungs-, Verkabelungs- und Einstellungsaufwand sehr gering. Gerade für Personen, die wissen, dass sie sich nicht allzu tief mit der Recordingmaterie auseinandersetzen müssen, nicht mehrere Geräte anschaffen wollen oder können, ist das sE Electronics X1 USB sicher eine Überlegung wert. Was mir ein “Och nö” entlockt, ist allerdings die Tatsache, dass das eingebaute USB-Interface keinen Output bereitstellt. Zwar latenzfreies Monitoring zuzulassen und mit einer Pegelmöglichkeit auszustatten ist zwar vernünftig, doch für meine Aufgaben könnte ich das X1 USB schlicht und einfach nicht gebrauchen. Höchstens als zusätzliche Quelle im Rahmen eines “Aggregated Device” in die DAW gebracht, könnte es in einem etwas größeren Mikrofonierungssetup seinen Dienst tun. Aber dass man es im Grunde nicht einmal als Gesangsmikrofon benutzen kann, weil man nicht ein latenzfreies Mikrofonsignal und das Playback zusammen auf die Kopfhörer bekommt, ist weit mehr als nur schade.
Klanglich ist sofort zu erkennen, dass das X1 USB mit dem X1 nicht nur die ersten beiden Zeichen der Produktbezeichnung gemeinsam hat. So ist auch hier klar erkennbar, dass es sich um kein Kondensatormikrofon billigster Bauart handelt. Der Hersteller rühmt sich, die Kapseln selber zu entwickeln und zu fertigen, statt auf dem chinesischen Teilemarkt einzukaufen. Das scheint sich zu lohnen. Die Kritikpunkte am Klang des X1 lassen sich prinzipiell auch auf das X1 USB übertragen. So dürfte es gerne etwas straffer und frischer klingen. Besonders gelungen erscheint aber, wie auch das X1 USB auf sehr nahe Besprechung reagiert. Anstatt einen dicken, wabbeligen Bauch zu bekommen, ist der Basszuwachs schön verhalten, das Signal verliert nicht weiter an Präzision. Und ist es doch ein wenig zu viel Frequenzanteil der Tiefen, leistet das Hochpassfilter gute Dienste.
Den klanglichen Vergleich mit hochwertigen, cleanen Preamps und Wandlern muss ein preiswertes USB-Mikrofon quasi verlieren, denn sonst würde sich meine Weltordnung schließlich in Wohlgefallen auflösen. Doch auch, wenn wie im Beispiel ein MotU 828 mkIII zum Einsatz kommt, wird deutlich, dass Vorverstärker und Wandler niemals zu vernachlässigen sind – und bei den meisten Interfaces bessere Ergebnisse liefern als es die in Mikrofone eingebauten Systeme tun. Eigentlich haben USB-Mikros ja einen logischen Vorteil, nämlich dass Preamp und Wandler genau auf Kapsel und Elektronik des Mikrofons abgestimmt werden können – eigentlich, denn klanglich liefert die klassische Kette mit einem “normalen” X1 präzisere, klarere und feinere Ergebnisse. Riesig sind die Unterschiede nicht, aber sie sind da.
Ein Preamp, der beispielsweise eine Vorverstärkung zwischen 12 und 80 dB zulässt, ermöglicht eine nahezu irrsinnig große Verstärkung oder eine recht moderate – und alles dazwischen. Nicht vergessen: Dezibel sind logarithmisch! Daher ist das wichtigste Bedienelement an einem Preamp das Gain, um die Signalverstärkung zwischen Grundrauschen und Verzerrungen einzubalancieren. Genau dieses Gain fehlt beim X1 USB jedoch. Bedenkt man, dass es durchaus so pegelfest ist, dass auch ein Shouter aus normalem Mikrofonabstand meist noch verzerrungsfrei übertragen wird, wir deutlich, dass man bei normaler Sprachlautstärke einiges an Headroom verschenkt. Dadurch ist das Signal bei üblichen Pegeln rauschiger, als es eigentlich sein könnte. Für die Wandlung gilt der gleiche Zusammenhang: Die 24 zur Verfügung stehenden Bit werden im Regelfall überhaupt nicht ausgenutzt. Aber das ist ja selbst bei 16 Bit kein riesiges Problem. Aber dennoch: Das X1 USB rauscht im Normalbetrieb prinzipbedingt stärker als das X1. Und Rauschen ist ja tendenziell erst einmal “böse”.
Was noch positiv auffällt: Anders als bei unserem X1-Testgerät sitzen die beiden Schieberegler für Pad und HPF deutlich fester, übrigens beim X1 T genauso. Und das Metallgehäuse ist nicht nur ein Garant für Langlebigkeit, sondern schützt auch vor elektromagnetischen Einstreuungen – das ist besonders für Mikrofone in der absoluten Nähe von Computern, was für das X1 USB mit Sicherheit zutreffend ist, eine gute Nachricht. Die haptische Rückmeldung der Pegelwippe für den Kopfhörerausgang könnte konkreter sein, aber ja mei: Schlimm ist das in diesem Fall nicht.
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X1
Ich stehe preiswerten Röhrenmikrofonen eher kritisch gegenüber, das ist kein Geheimnis. Ich kann wirklich gut klingende Vertreter dieser Geräteklasse nennen, die sehr verhalten oder auch recht auffällig dem Klischee des Röhrenklangs gerecht werden, doch fange ich diese Liste bei etwa 1500 Euro an. Außerdem sollte sich jeder fragen (lassen), was er sich von der Röhrentechnik im Mikrofon verspricht. Das X1 T liegt deutlich unter dem Preis eines MG UM 92.1S, Neumann M149 Tube, Blue Bottle und der ganzen anderen Schätzchen. But let’s give it a try, auch das X1 T verdient es, ganz unvoreingenommen betrachtet zu werden.
Der Grundklang des X1 T erinnert mich wie beim X1 USB sofort an den “Clanchef”, das X1. Und im Direktvergleich mit dem Nicht-Röhren-X1 fällt auf, dass die Unterschiede auch wirklich nicht riesig sind. Es entspricht nicht der üblichen Erwartungshaltung eines Röhrenmikrofons, doch erscheint das X1 T zunächst ein wenig schlanker als das X1. Man muss schon genau hinhören und die beiden X1 kennenlernen, doch wird dann deutlich, dass das Tube-Mikro etwas aufgeräumter und konkreter daherkommt. Gepaart wird dies mit leicht dickeren Transienten – was kein Widerspruch ist: Konstante Anregungen, etwa durch gehaltene Vokale, sind beispielsweise beim MA-201FET (das ist kein Röhrenmikrofon!) deutlich dicker und gefärbter als beim X1 T. Setzt man das X1 T jedoch gegen ein sehr hochwertiges Röhrenmikro, in unserem Beispiel das Microtech Gefell UM 92.1S, werden auch Unterschiede deutlich, die man auch schlicht als Qualitätsstufen bezeichnen kann: Das deutsche 3000-Euro-Mikrofon ist weitaus höher auflösend, gleichzeitig deutlich voluminöser, runder, hochwertiger und mit einem sehr feinen Schimmer. Sicher, für den Preis des UM bekäme man gut sechs X1 T. Das sE ist knapp mit einem halben Tausender auch kein Schnäppchen und steht in Konkurrenz vor allem zu Rodes NTK, einem beliebten und verbreiteten Röhren-Mic. Das NTK ist im Nahbereich ein sehr warmes Mikrofon, wohingegen das X1 T wie seine X-Kollegen einen eher wenig ausgeprägten und straff wirkenden Proximity-Effekt aufweist. Das macht das X1 T zu einem interessanten Tool! Es klingt modern und recht offen, nimmt dem Kapselsignal im Vergleich zum X1 ein wenig die harschen Komponenten, ist gut zwischen konkret (das X1 ist streckenweise etwas schwammiger) und sanft ausbalanciert. Ja: Das X1 gefällt mir deutlich besser als das X1. Nachteile: Man muss mehr Geld berappen und muss es mit dem Röhrennetzteil betreiben. Mit deutlichem Rauschen oder sonst welchen auffälligen Qualitätsnachteilen erkauft man sich die Vorteile glücklicherweise nicht. Gut übrigens, dass man nicht noch versucht hat, zu diesem Preis eine Doppelkapsel zu integrieren.