Praxis
Unter den Sennheiser-Mikrofonen gibt es – entsprechend dem Vorurteil aus dem Intro – tatsächlich einige, die recht verhalten vorgehen und den zu wandelnden Signalen keinen dicken Charakterstempel aufdrücken. Ausnahmen wie das dynamische MD 421 bestätigen diese Regel. Das e 914 gehört definitiv der erstgenannten Gruppe an, denn der erste Höreindruck zeigt, dass man es hier mit einem sehr ausgewogenen Werkzeug zu tun hat. Die Akustikgitarre klingt unaufgeregt und authentisch, wird gleichzeitig sehr fein gezeichnet. Besonders die Konzentration auf Geräusche durch das Gleiten der Finger auf den Saiten oder auf die Obertonstruktur nach dem Anschlagen verdeutlicht dies sehr gut. Mit “gut” habe ich gerade das richtige Wort verwendet, denn “gut” ist das wirklich. Es gäbe nichts, was in einer Session – vorausgesetzt, ich möchte nicht schon mit dem Mikrofon den Sound des Instrumentes (samt Einfluss der Spielweise, des Raumes, der Mikrofonierungsposition) in eine andere Richtung pushen – dafür sorgen würde, dass ich mich nach Alternativen umsehen würde. Wenn ich jedoch einfach Interesse an den feinen Unterschieden hätte, würde ich mich weiter auf die Suche machen, einen geduldigen Gitarristen vorausgesetzt. Ja, man kann Kritikpunkte finden: Den Höhenbereich des Mikrofons habe ich, genau wie mein Kollege Guido, während des Testmarathons als etwas wellig beschrieben, tatsächlich ohne zuvor den Blick in den Standardfrequenzgang zu werfen. Man muss jedoch dazu sagen, dass auch ein Pegelfrequenzgang von dem allgemeinen Klangeindruck deutlich abweichen kann, weil insbesondere die Geschwindigkeit, mit welcher Transienten durchgegeben werden können, und der Phasenfrequenzgang deutliche Auswirkungen haben. Diese Unebenheiten halten sich aber in Grenzen, besonders der Pegelverlust im Air-Band hat keine so negativen Auswirkungen auf den Klang des Mikrofons, wie man nach Ansicht der Frequenzgang-Grafik möglicherweise befürchten könnte. Eher auf Dauer zu bemerken ist, dass die beiden e 914 dazu neigen, dem Signal eine leicht reibende Komponente hinzuzufügen. Dies geschieht der Beobachtung nach in den Präsenzen und klingt leicht “fisselig”. Gut nachvollziehen lässt sich dieses Phänomen, wenn man das Sennheiser-Audiofile mit dem Referenzmikrofon vergleicht und beim Hören an ein kontinuierliches “Fffffff” denkt:
Hört man sich in diesem Bereich ein, fällt dieser Kritikpunkt auf, und als Hauptmikrofonsystem für sehr fragile Signale würde ich deshalb die Sennheiser e 914 nicht unbedingt saubereren (und in der Regel natürlich teureren!) Mikros vorziehen. Aber das ist keinesfalls ein gravierender Makel: Die beiden Stäbchen lassen sich für eigentlich alle Zwecke einsetzen, in denen Kleinmembran-Kondenser gefragt sind. Und was nach dem Hören der Beispielaufnahme sicher klar ist: Ruinieren kann man mit den e 914 nun wirklich nichts, es handelt sich um Nuancen. Die Detailtreue des Signals ist erstaunlich, die Reaktion auf die Dynamik der Schallquelle sogar wirklich verblüffend. Bedenkt man, dass man mit dem Roll-Off und dem Cut zwei wirklich sinnvolle (und sehr sauber arbeitende) Zusätze an Bord hat und man darüber hinaus auch noch dank des zweistufigen Pads enorm hohe Schallpegel verzerrungsfrei (bzw. -arm) zum Vorverstärker gekabelt bekommt, wird klar, dass die e 914 echte Allrounder sind. Diese Lastesel kann man wirklich für vieles gebrauchen. Ist im Nahbereich eines Schlaginstruments etwa der Pegel zu hoch und aufgrund des Nahbesprechungseffekts der Bass überbetont, lassen sich, noch bevor das Mikrofonkabel das Signal zu Gesicht bekommt, die wichtigsten Korrekturen bewerkstelligen. Bedenkt man den Preis für ein Pärchen, ist die Welt also trotz der kleinen Kritik für die Evolution-Kondensatormikrofone vollkommen in Ordnung. Zu den 8040, den High-End-Kleinmembran-Nieren von Sennheiser ist es qualitativ natürlich ein klarer Schritt, finanziell aber durchaus ein Sprung, denn das Preisschild für ein derartiges Pärchen ist vierstellig und beginnt mit der Zahl 2.