Praxis
Gar nicht so leicht!
Besonders leicht ist das Sennheiser e 835 nicht: Trotz eher graziler Optik bringt es mit 330 Gramm ein gutes Zehntel mehr auf die Waage als beispielsweise das Shure SM58. Für den Hand-Dauerbetrieb auf der Bühne ist das für die meisten User noch ok. Viel zu leicht wäre auch unangenehm und „unwertig“. Durch die konische Form passt es in eine Vielzahl Hände sehr bequem und bietet Umgreifmöglichkeiten – dass der Kopfteil sich stärker verdickt, hilft dabei, einen Griffpunkt zu finden und die Position auch zu halten. Zudem wird die Gefahr verringert, die rückseitigen Schalleintritte zu verdecken und das Mikrofon rückkopplungsanfälliger zu machen.
Geringe Handling-Noises, hoher Output
Die Griffgeräusche haben Sennheiser beim e 385 im Griff. Oh, das ist missverständlich: Die Handling-Noises sind recht gering, wollte ich damit sagen. Zudem spielen sie sich viel in einem Frequenzbereich ab, der per Tiefensperre oft sowieso entfernt wird. Für Benutzer preiswerterer Pulte und Audio-Interfaces, die häufig mit schwachbrüstigen Preamps mit schlechter Performance im oberen Gainbereich zu kämpfen haben, ist es eine sehr gute Nachricht, dass das 835 recht viel Output liefert. 2,7 mV/Pa sind keine Selbstverständlichkeit. Und auch der obere Pegelbereich von Sängern macht dem 835 nicht allzu schwer zu schaffen.
Breiter Sweet-Spot
Noch mehr gute Nachrichten gefällig? Das Sennheiser besitzt einen schön breiten Sweet-Spot, wodurch sich nicht sofort Klangfarbenänderungen ergeben, wenn man mal etwas schräg in das Mikrofon singt. Und selbst bei geringstmöglichem Besprechungsabstand, also mit den Lippen am Grill, wird das 835 nicht so belegt und mumpfig wie etwa das Shure SM58, sondern behält die Transparenz, die sein Signal sowieso innehat. Warum ich Richtcharakteristik und geringe Überbassung hier zusammenbringe? Nun, das sind – gemeinsam mit dem günstigen Preis – sehr gute Eigenschaften für ein Anfängermikrofon!
Keine Medaille für Rückkopplungssicherheit
Den Preis für das rückkopplungssicherste Mikrofon bekommt das e 835 nicht, besonders die Höhen kann es erwischen. Das hält sich alles im Rahmen, aber die Medaille dafür muss ich dem Sennheiser verwehren. Das ist auch verständlich, denn manche positiven Eigenschaften bedingen zu einem gewissen Teil negative. So fördert die leicht bassarme Abstimmung die Verständlichkeit und Transparenz, die bei diesem Mikrofon durchaus ausgewogen und „teurer“ klingt, als man es ob des Preises erwarten würde, doch kann es eben genau dadurch sein, dass manchen Stimmen etwas fehlt. Wo ein SM58 eher zarte Stimmen etwas kerniger und gehaltvoller macht, sind diese mit dem 835 schnell zu fein, fundamentlos und brüchig. Deshalb gilt immer: Mikros immer vergleichen! Der Sänger der Audiobeispiele beispielsweise ist bei normalem Abstand mit dem SM58 besser bedient, wohingegen ich nach dem Wechsel vom 835 auf das 58 oder das 545 das Gefühl habe, in einen Topf mit Zuckerrübensirup zu singen. Nicht falsch verstehen: Ich liebe die Shures weiterhin.
Wenig Gedanken muss man sich trotz starker Höhen um die Natürlichkeit das Audiosignals machen. Dass ein sehr preiswertes Mikrofon so ausgewogene S-Laute produziert, ist nicht selbstverständlich. Sie werden etwas angedickt, bleiben aber immer klar und schnell genug, reiben nicht, verschmieren nicht. Das „britzelige“ Sennheiser MD 421-U, immerhin um Größenordnungen teurer, zeigt, wie unterschiedlich konzeptionell ähnliche Mikrofone diesen wichtigen Frequenzbereich handhaben können.