Praxis
Warm und voll an den Toms
Wenn es um die Abnahme von Toms geht, hat Sennheiser seit jeher einen exzellenten Ruf, was eben nicht nur am legendären MD421 liegt, sondern auch an Neuentwicklungen wie dem moderneren Spezialisten für die diese Anwendung, dem e604. Es lag also nahe, genau dieses Mikrofon als Referenz im Sennheiser e906 Test zu verwenden. Beim Handling gewinnt dieses dann auch, denn das e609 Silver besitzt zwar ein extrem kurzes Profil, es ist aber schwieriger, seine Kapsel über den Spannreifenrand hinweg auszurichten. Das geht nur, wenn man es so dreht, dass der Mikrofonsockel seitlich oder über Kopf steht, was wiederum sehr viel Platz beansprucht. Hier ist eine längliche Form praktischer. Das war es aber auch schon mit der Kritik, denn klanglich gefällt mir das Mikrofon sehr gut. An meinen beiden Oriollo Aluminium Toms in 12×8 und 16×14 Zoll wirkt es voluminös und warm, ist dabei insgesamt etwas milder als das e604 Evolution, welches den Anschlagston stärker in den Fokus rückt.
An der Snaredrums betont das e609 Silver den Kesselton
Um zu hören, was das Testobjekt an der Snaredrum kann, habe ich meine Pearl Special Reserve Ahorn-Snaredrum auf eine mittelhohe Stimmung gebracht und das Snaremikro schlechthin, das obligatorische Shure SM57, aus dem Mikrofonschrank geholt. Auch hier zeigt das e609 etwas weniger Attack und betont wie schon bei den Toms den Körper der Trommel mehr. Das SM57 wirkt insgesamt etwas aggressiver in den Höhen, was sich auch in etwas präsenteren Übersprechungen äußert. Trotzdem gefällt mir das e609 als Alternative sehr gut, eben dann, wenn der Ton einer Snare auf natürliche Weise herausgestellt werden soll. Fans trockener, Attack- und Teppich-fokussierter Snaresounds sind allerdings mit anderen Modellen besser bedient. Zum Vergleich könnt ihr euch übrigens auch unser großes Snaredrum-Mikro Vergleichsvideo ansehen. Dort ist auch das e906 Evolution zu hören, welches eine sehr ähnliche Charakteristik besitzt.
Am Gitarrenamp ist das e609 auch ohne Stativ verwendbar
Nun zu jener Disziplin, für welche zumindest die Form des e609 primär entworfen wurde, und das ist die Abnahme von Gitarrenlautsprechern: Eine Idee hinter dem extrem flachen Profil-Design war nämlich die Möglichkeit, das Mikro ohne Stativ einfach am Kabel vor die Box zu hängen. Tatsächlich funktioniert das auch recht gut, je nach Box kann es allerdings zu Drehungen des Kabels und damit des Mikrofons kommen. Hier hilft das „Festtapen“ per Gaffaband. Oder eben die Verwendung eines konventionellen Stativs, wofür Gitarrist Michael Krummheuer und ich uns dann auch entscheiden haben. Als Klangquelle kam ein Budda Combo mit 2x12er Speaker-Bestückung zum Einsatz, die Mikrofone haben wir sehr nah an der Bespannung am Konus platziert. Als Vergleichsmikrofone für das e609 zum Einsatz kamen das Shure SM57 sowie das e906 in neutraler EQ-Stellung.
Für dich ausgesucht
Klanglich macht das e609 wirklich Spaß, besonders im Clean- und Crunchmodus besitzt es viel Körper und klingt damit ausgewogener als das SM57, welches wiederum mehr Präsenz in den oberen Mitten zeigt. Für diese Drahtigkeit ist das SM57 bekannt und es beschert ihm eine gute Durchsetzungskraft in vielen musikalischen Situationen. Für sich angehört, klingt das e609 aber realistischer. Die Frage ist jetzt natürlich, wie das teurere e906 im Vergleich abschneidet. Die Antwort lautet: Es klingt fast genauso wie das Testobjekt.
Es bleibt der Hi Gain-Betrieb, hier zeigen sich deutlichere Unterschiede zwischen den beiden Sennheiser-Geschwistern. Das e906 klingt etwas belegter im Präsenzbereich als das e609, das SM57 geht erwartungsgemäß auch hier deutlich in die Offensive. Welche Charakteristik einem am meisten zusagt, hängt vom Geschmack und, vor allem, auch von der Musik und dem Mix ab. Tatsache ist, dass das e609 eine überzeugende Vorstellung vor dem Amp abgibt. So hören sich die Soundfiles an.