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Installation und Inbetriebnahme
SSL2.0 überschreibt die bestehende 1.9 Edition automatisch. Wer diese weiterhin nutzen möchte (was ja durchaus zu empfehlen ist, bis alle heißen Nadeln abgekühlt sind), muss den Vorgänger zuerst umbenennen. Danach gestaltet sich die Installation sowohl auf dem Mac als auch auf dem Windows-Rechner denkbar einfach: Zur Serato Website navigieren, SSL2.0-Datei downloaden, EULA (End User Licence Agreement) abnicken und installieren. Neustart. Das Rane Interface wird automatisch initialisiert und läuft mit den alten Einstellungen. Es ist aber auch bei einem Neuerwerb ziemlich schnell eingerichtet, denn unmissverständliche Anschlussbezeichnungen weisen den Weg zu Plattenspieler und Mixer. Den Rest erledigt die Software. Da kann eigentlich nix schiefgehen.
Was die Verkabelung anbelangt, gefällt mir im direkten Vergleich das Konzept einer Audio-4 oder Audio-8 besser, da alle DVS-relevanten Verbindungen nach hinten weggehen. Die Multicores sind zudem hochwertiger isoliert und besser im Handling. Besonders, wenn der DJ viel unterwegs und mit dem ständigen Auf- und Abbau seines Systems konfrontiert ist. Dafür kosten sie aber auch ein Vielfaches herkömmlicher Cinch-Paare.
Nachdem die Dip-Switches am USB-Interface auf Phono-Input geschaltet sind, kann es losgehen. Nach dem ersten Start öffnet sich die klassische Ansicht mit den mittigen Decks und vertikalem Wellenlayout. Auch wenn eine Parallelversion installiert ist, greifen die Programme auf die gleichen Daten zu, das macht den Einstieg leicht und eine erneute Analyse oder den ID3-Rescan überflüssig, denn ein Beatgrid, wie in Itch1.6, ist noch nicht zugegen. Die Eingangssignale der Timecodes pegeln auf Anhieb einwandfrei. Sollten sie verzerrt sein und zur fehlerlosen Steuerung der virtuellen Decks nicht ausreichen, kann dies durchaus an lockeren Erdungs- oder kreuzenden Stromkabeln liegen, die in die Audioleitungen streuen. Auch fette Bassboxen unter dem DJ-Pult können durch ihre Vibrationen Ungenauigkeiten im Abspielverhalten hervorrufen. Das Handbuch liefert zu dieser Thematik sehr gutes Anschauungsmaterial. Aufschlussreiche Grafiken erklären auch dem Laien mögliche Fehlerquellen verständlich. Sollten alle Bemühungen fruchtlos bleiben, hilft am Ende vielleicht nur noch eine Standortverlagerung.
Darstellungsmodi
Den Kern der Software bilden nach wie vor die virtuellen Decks mit ihren Transportkontrollen, dem ARIT-Panel (Absolut/ Relativ/ Intern/ Through) zum Umschalten des Wiedergabemodus und den Plattenteller-Indikatoren. Die knallbunten Wellenformen visualisieren die Frequenzanteile der Audiodateien in unterschiedlichen Farbtönen. SSL zeigt Bassfrequenzen in Rot, die Mitten werden grün dargestellt und die hochfrequenten Bereiche blau, überlagernde Frequenzen erzeugen Mischfarben. Wem das zu bunt ist, der kann stattdessen ein 3-Band-Spektrum nutzen. Mit Scratch Live 2 halten nun erstmals vier praktische Darstellungsmodi Einzug. Der Library-View mit Basisinformationen und einer kleinen Wellenübersicht präsentiert sich eher minimalistisch und erinnert etwas an die bekannten Schrumpfdecks in Traktor-Scratch-Pro. Im Test-Setup mit dem SL3-Interface (und externem Pioneer-Mixer) dient er natürlich nicht dazu, eine Vierdeck-Session im Auge zu behalten, sondern bringt stattdessen ordentlich Übersicht in die Trackverwaltung. Komplett ausblenden kann man die Player jedoch nicht. Die angezeigten Infos reichen für eine Mix-Session bereits aus, vor allem, wenn der DJ auf ein erweitertes visuelles Feedback der Kreativabteilungen verzichten kann. Ein Frequenzschrauber, der weder Effekt-Plugins noch Sampleplayer geladen hat, schaut eh nur zur Trackauswahl auf den Screen. Mit der Spacebar kann er jederzeit wieder vom Library-View zum vorausgegangenen Layout umschalten. Wer einen MIDI-Controller sein eigen nennt, nutzt statt dessen Buttons.
Classic Views
Die Ansichten Nummer 2 und 3 sind die sogenannten Classic-Views und unterscheiden sich primär durch die Anordnung der Wellenformen und der Transientenlaufbänder zur optischen Gleichschritterfassung. Der kleine click-sensitive Wellenabriss repräsentiert den kompletten Song. Ein Pfeil verrät die aktuelle Wiedergabeposition und reagiert auf einen physischen Needledrop am Steuervinyl. Die Timecodes sind im One-Minute-Split Verfahren gefertigt. Das bedeutet: Jede Rille repräsentiert eine Minute. Die A-Seite besitzt 10 Rillen und einen Selection-Track zur Auswahl der Musikstücke. Setzt der DJ hier die Nadel ab, browst er durch Vor- und Rückwärtsbewegungen in der aktuellen Playliste. Seite B hat keine Auswahlzone sondern 15 OMS-Rillen. In der Wellenform wird jede Minute Abspielzeit durch eine feine, vertikale graue Linie symbolisiert. Dort wird per Mausklick vorgesprungen, es sei denn, der absolute Timecodemodus ist aktiv. Er überträgt nicht nur die Laufrichtung, sondern auch die Position auf der Platte an die Decks, was den Maussprung ausschließt. Für den kreativen DJ ist vielmehr der relative Modus maßgeblich, denn erst dieser ermöglicht Loops, Instant-Doubles oder Cuejuggling. Eine Neuerung bei der Pitchauflösung bringt der interne Abspielmodus mit sich. Die Begrenzung auf +/- 16 Prozent wurde aufgehoben. Nun kann der User zwischen fünf Stufen frei auswählen (8%, 10%, 16%, 50% and 100%). Das lässt auf plattenintegrierte MIDI-Controller für SSL hoffen.
Für dich ausgesucht
Stack Modus
Der innovative Stack-Modus schichtet die Wellenformen übereinander. Auf der linken Screenseite bleibt der Gesamtabriss mit den Tempomatchern in einer festen Größe erhalten. Die Wellenausschnitt-Anzeige wird je nach Auflösung verlängert. Auch in der Stapeldarstellung kann der DJ zusätzliche Kontrollen einblenden, indem er den kleinen Pfeil neben der Tempoanzeige betätigt. Stackmode ist das einzige Schema, in dem das dritte Deck am Bildschirm angezeigt wird. Es besitzt die gleiche Ausstattung wie die Player A und B und ist Live-Feed tauglich. Live-Feed ermöglicht ein Audiosignal über den AUX-Input einzuschleifen, auf einen freien Player zu routen und dort mit allen zur Verfügung stehenden Registern zu beackern. Also Cuepoints und Loops setzen, Tempoänderungen vollziehen und scratchen. Der Recording-Cache beträgt entweder 15, 30, 45 oder 60 Sekunden. Im Praxistest erwies sich dieses Feature als durchaus gelungen. Da der Aux-Eingang durch den Feed belegt ist, kann der DJ hier keine Steuereinheit nutzen, wie einen Turntable, sondern verwendet für Deck C einen MIDI-Controller. Routet er aber stattdessen auf die Decks A oder B, kann er das Signal auch scratchen. Der Puffer wird nach einem Manöver logisch (vom aktuellen Wiedergabepunkt) weitergespielt. Um erneut an die Echtzeitposition zu gelangen, ist die Nadel erneut auf das Vinyl aufzusetzen. Der Feed kann nur im relativen oder internen Modus genutzt werden, im absoluten Mode erzeugt er unangenehme Störgeräusche, also Obacht. Zudem konnte ich im Test-Setup eine deutliche Verzögerung zwischen Einspeisung und Wiedergabe hören, die für meine Begriffe selbst bei niedrigster Latenz eher nicht als Echtzeit-Feeling zu bezeichnen ist. Dennoch ist Live-Feed gerade für performende DJs ein innovatives Feature. Ein Wehrmutstropfen für Serato SL1 Earlyadaptors besteht jedoch: Das dritte Deck ist nur über das SL3-Interface zugänglich. Ob es für Nutzer des Vorgängermodells eine sinnvolle Bereicherung wäre, ist fraglich, denn sie können es weder über einen dritten Ausgang auf den Mischer routen noch per Softwaremixer regeln. Zwei Signale auf einem Bus auszugeben finde ich nicht praxistauglich. Daher werde ich den SL1-Rotstift nicht negativ in die Gesamtwertung einfließen lassen.
Wer den Hilfseingang nicht wie zuvor beschrieben einsetzt, kann den Ausgang seines DJ-Mixers dort anschließen, das anliegende Signal mit der integrierten Recording-Funktion abgreifen, den Mix so in 16 oder 24 Bit für die Ewigkeit festhalten oder einfach Schallplatten oder alte Mixtapes digitalisieren. Jetzt sogar statt mit einem Level-Meter in acht Schritten in einem 35-stufig aufgelösten Band.
Trackverwaltung
Die Trackverwaltung wurde einem zeitgemäßen Facelifting unterzogen. Vier praktische Darstellungsformen (zwei in der klassischen Listenform, dazu zwei Gitteransichten) bringen Übersicht in das Auswahlverfahren. Die Covergröße und die Schriftdimension kann der DJ bei Bedarf zoomen und SSL so optimal an die aktuelle Arbeitsumgebung anpassen. Auch auf zwei Meter Entfernung hat er seine Songs deutlich im Blick.
Wer seine Musik hauptsächlich mit iTunes verwaltet, kann Apples Bibliothek unter Scratch Live nutzen, allerdings ohne die liebgewonnenen Sternchen. Dieses Rating ist durchaus einzulesen, wie die Screenshots von Mixvibes Cross und Traktor zeigen. Ehrlich gesagt, der Umstand ärgert mich schon ein wenig und ist für mich nicht nachzuvollziehen, denn ein eigenes Bewertungssystem fehlt SSL nach wie vor, was die praktische Verwendung für manche Deejays unnötigerweise ausschließt. Den empfohlenen Workaround übers Kommentarfeld finde ich suboptimal.
Hat ein Track kein Cover, lässt sich dieses nachträglich importieren. Ein separater Editor ist nicht zugegen, stattdessen werden Tags direkt in den jeweiligen Ansichten editiert. Ein Novum ist der Drag´n ´Drop-Export einer Crate aus dem Files-Menü, um die Songs gegebenenfalls auf einen Stick oder eine externe Harddisk zu kopieren. Die Panels für Harddisk-Recording, SP-6, DJ FX und Video-SL sind nun außerhalb der Library-Leiste arrangiert. Es ist leider weiterhin nicht möglich, den Sampleplayer und die Effektsektion gleichzeitig auf den Schirm zu bringen. Zwar ist ein sinnvoller gemeinschaftlicher Betrieb über Tastaturkürzel oder MIDI-Controller möglich, ein optisches Feedback wäre trotzdem nützlich. Auch der Offline-Player wurde optisch aufgewertet und integriert sich so stimmig ins Design.
Smart Crates
Smart Crates sind intelligente Playlisten, die eine vorhandene Musikbibliothek anhand von benutzerdefinierten Eigenschaften sortiert. So kann er Teilbereiche seiner Track-Organisation der Softwareroutine überlassen, respektive virtuelle Plattentaschen vom Computer packen lassen, etwa nach Genres, Erscheinungsjahr, Kommentaren, Labels oder Key gegliedert. Die Tonart ermittelt SSL leider nicht selbst, sondern der DJ muss den Keytag mit einem externen Programm (hier mehr dazu) wie Mixed-in-Key oder Rapid Evolution setzen. Unterschiedliche Kriterien lassen sich miteinander verknüpfen, sodass es zum Beispiel möglich ist, einen Ordner mit „Tracks des Labels “Testlabel“ aus den Erscheinungsjahren 1995-1998 mit einem Keycode von 10 (A/B) bis 3 (A/B) zu erstellen.
Online Playlists
Online-Playlisten ermöglichen dem DJ, aktuell gespielte Songtitel per Textzeile im eigenen Serato-Profil live zu publizieren. Dieses ist innerhalb weniger Minuten erzeugt und per Verifizierungscode freigeschaltet. Die eigene Silhouette kann auf Wunsch um umfangreiche Angaben zu Person, Residentschaften und Broadcast-Stationen ergänzt werden. In SSL navigiert der geneigte Listenübermittler dann zum History-Panel und aktiviert ‘Start Live Playlist’. Ab jetzt wird das Track-Listing mit jedem neu aufgelegten Song ins Internet übertragen. Egal ob der DJ im Partykeller mixt, Broadcasts veranstaltet oder im Club auflegt, Interessenten können so das aktuelle Set stets nachverfolgen. Ist kein stabiles W-Lan oder UMTS Netz zu erreichen, keine Panik. Im Gegensatz zum Audio-Webstream reicht schon ein Bruchteil der Übertragungsrate aus, quasi ein bisschen sporadisches Netz, um die Zeichenfolgen zu übermitteln. In Berlin etwa kann man sich das kostenlose Mashup freifunk.net zunutze machen. Wenn jedoch der totale Wellennotstand droht, wird die Playlist eben zu einem späteren Zeitpunkt ins Web exportiert.
Serato bietet allen Itch- und SSL Nutzern einen kostenlosen Bemusterungsservice namens „Whitelabel.net“ . Dort kann sich der DJ neue Releases von diversen Künstlern herunterladen. Hat er zertifizierte Hardware, darf er die MP3-Dateien mit 320 kbit/s abspielen, allen anderen sind nur 32 kbit/s gestattet. Die musikalische Bandbreite ist weit gefächert mit einem Schwerpunkt auf Black-Music, Pop und Dance. Das eröffnet mir zum zweiten Mal in diesem Artikel, ein in meinen Augen längst überfälliges Bewertungssystem in Seratos DJ-Programmen einzufordern. ‘Let record labels follow my Whitelabel-Plays’. Damit erlaubt der User den angeschlossenen Plattenfirmen, aus erster Hand zu erfahren, wie oft und wo sie tatsächlich an den Hörer gebracht werden. Dazu erhalten die Labels unter anderem folgende Informationen: Trackname, Artist, Whitelabel-ID, Location, Zeit, und Datum. Dazu Basisinformationen über den DJ (so wie sie im Profil angegeben sind – Name, Club, Herkunft und so weiter). Eine ausführliche Liste findet ihr in diesem PDF (Link SSL ID Tabelle). Wer in die Sets anderer User reinschauen möchte, muss zunächst ein für ihn interessantes DJ-Profil ausfindig machen. Sollte der Kollege Online-Playlists nutzen, einfach auf den entsprechenden Link klicken und sehen, was gespielt wird oder wurde. Ein zentrales Verzeichnis für Mixsets mit Voting wie etwa bei „Let´s mix“ gibt es (noch) nicht. In der momentanen Umsetzung kommt dieses Feature in meinen Augen primär den angeschlossenen Plattenfirmen zugute. Von einem echten Community-Netzwerk ist man für meine Begriffe noch weit entfernt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Loops und Samples
Pro Song können bis zu neun manuelle oder automatische Loops gespeichert werden. Loop-Roll spielt den Track während der Schleife ungehört im Hintergrund, sodass der Song nach Beenden der Loop an seiner Echtzeitposition weiterläuft. Das ist gerade im Mix mit einem synchronisierten zweiten Track sinnvoll. Eine Quantisierung der Benutzereingaben ist nicht integriert, Cue-Jumping bedarf daher guten Timing-Geschickes und ist in-the-mix mit einem zweiten Beat wegen der Holpergefahr eher schwer zu kontrollieren.
Mit dem nun „nudgebaren“ Sample Player Sp6 kann der DJ den Song mit eigenem Audiomaterial anreichern, zum Beispiel mit Vocals oder One Shot-Effekten. Während eines Live-Mixes im Webcast kann der Sample-Player auch zum Einspielen von Jingles verwendet werden. Das ist zwar nicht so komfortabel wie in einer Broadcast-Solution, die automatisch gesteuerte und nach Kundengruppen gesplittete Jinglestacks bietet. Doch selbst wenn der DJ in einem zweistündigen Set alle 30 Minuten eine Werbeeinblendung aufruft, reichen die Bänke des Sampleplayers aus. Das Ausspielen kann über Aux erfolgen, muss aber nicht. Vielleicht könnten Seratos Coder in einem nächsten Update auch ein Streaming-Plugin integrieren.