Serato Video Test

PRAXIS

Mein Test erfolgt auf einem MacBook mit einem 2,13 GHz schnellen Core2Duo-Prozessor, 4 GB RAM und NVIDIA 9400 Chipsatzgrafik. Ein zweiter Testlauf fand auf einem HP Core i5 mit einer Taktfrequenz von 2,53 GHz sowie einem NVIDIA GT230m und 4 GB Arbeitsspeicher statt. Der 9400-er Chipsatz zwackt sich beim Apfel 256 MB vom installierten RAM ab und kann die CPU bei der Dekodierung entlasten, da der VP3 Videoprozessor in der Lage ist H.264, MPEG2 und VC1-Videos zu beschleunigen. Allerdings fallen, wie bereits zuvor erwähnt die Mgeg1/2-Codecs beim Plugin raus. Etwas besser sieht die Lage beim GT230 aus, denn er unterstützt die HD-Dekodierung direkt im Grafikchip (PureVideo HD mit VP4). Der VP4 Video Prozessor kann sich H.264, VC-1, MPEG-2 und jetzt auch MPEG-4, DivX oder xVID zur Brust nehmen. MPEG-1 wird nicht mehr unterstützt.
Sinnvollerweise erfolgt die Berechnung des Clip-Datenbestandes im Vorfeld. Pro Titel sind je nach Länge zwischen drei und sieben Sekunden zu veranschlagen (Musikclips, keine Titel mit Spielfilmlänge versteht sich). Kaum mehr Zeit als bei einem Audiofile, aber je nach Größe der Sammlung kann die Analyse schon eine Weile dauern. Ist das Footage dann korrekt ausgewertet, werden die Dateien wie herkömmliche Tracks behandelt und lassen sich spielen, spulen, scratchen, loopen und mit visuellen Effekten veredeln.
Weil jedoch nicht jeder Anwender die gleiche Hardware zur Verfügung hat, implementieren die Code-Spezialisten aus Neuseeland eine Abfrage in ihr Programm, die einzelne Effekte nur bei ausreichender Leistung der Grafikkarte freischaltet. Für unsere beiden Notebooks vor Ort gibt es keine Limitierungen. Anders ist dies bei Intel Chipsatzgrafiken wie dem X3100. Hier konnten wir eine Deaktivierung sämtlicher Video-Effekte ausmachen. Statt dessen waren nur Standardüberblendungen möglich. Das geht wohl nicht anders, wenn die Gesamtperformance und somit auch die Betriebssicherheit des Systems nicht einbrechen sollen.

Itch_MAC

Controller, Rane-Mixer, Externa und Konsorten
Als wir Video-SL vor knapp zwei Jahren auf dem Prüfstand hatten, entschlossen wir uns, den Praxistest in Verbindung mit dem TTM57-SL durchzuführen, weil er dedizierte Video-Controls unter der Haube hatte. Da dieser aber seit dem Update auf die bereits ausführlich getestete Sixty-Palette (link Rane62, link Rane61) nicht mehr in den Regalen der Händler zu finden ist und heuer ja auch ITCH beglückt wird, sollen es diesmal der brandneue Vestax VCI-380 MIDI-Controller und der MIDI-fähige Pioneer DJM-850 mit einem SL3-Dongle richten. Bei der Kombination aus MIDI-Controller und dem kleinen 13-Zoll-MacBook entschied ich mich für den Demo-Content in der SD-Variante, wohl wissend, dass HD-Clips zu viel des Guten für meinen altgedienten Partygefährten wären. Was gut nachzuvollziehen ist, wenn man die Bitrate eines 720p-Videoclips (rund 70 MB/s) oder eines 1080p Full-HD-Streams (etwa 155 MB/s) und den durchschnittlichen konstanten Datendurchsatz aktueller Notebook-Festplatten von teilweise unter 40 MB/s dagegenhält. Die Ausgabe erfolgt über den zweiten Monitorweg im Fullscreen-Modus an einem externen LCD-Screen. Transparenzen sind von Haus aus den Channelfadern der Vestax-Konsole zugeordnet, Blend-FX dem Crossfader. Einen erweiterten Zugriff auf die Softwarefeatures (Typus, Intensity, Opacity, Parameter) gibt es nicht. Das Scratch-Gefühl mit den SD-Loops geht in Ordnung. Ob flinke, langsame oder zittrige Jogwheel-Schubser – die Übersetzung geschieht sehr schnell. Und sollte ein Visual-Clip doch einmal haken, läuft der Audiostrom im Deck ja trotzdem weiter, so dass es dem Partyvolk kaum auffallen sollte. Auch die m4v-Clips aus dem iTunes-Store machten mir im Test keine Probleme.
Bedauerlicherweise gibt es doch wesentliche Unterschiede zwischen dem SSL-Plugin und dem ITCH-Pendant hinsichtlich der Handhabe, und dabei meine ich nicht das direkte Handling einer Konsole und eines Turntable-Mixer-Verbundes mit Interface. Die steuerbaren Funktionen unter ITCH sind aktuell vom Controller abhängig, es gibt keine Lernfunktion und Serato offeriert keine Auswirkungen von Audio-FX auf das Videomaterial. Ihr habt richtig gelesen. Bei einem Preis von 213 Euro lässt mich dies aufhorchen.
Als Trostpflaster können Controlleristen sehr wohl die Audio-Reactive-FX einsetzen, die sich unter anderem am Bass, den Höhen oder dem Rhythmus orientieren. Dazu gesellen sich zwei Equalizer abhängige Effekte namens CSL und RGB. Da es ITCH an MIDI-Learn mangelt, dürfen wir bis auf Weiteres hier keine großen Veränderungen erwarten. Es sei denn, potentielle Dritthersteller bauen eine VFX-Control-Unit, die wie gehabt als kostenpflichtige Zusatzhardware in Erscheinung treten dürfte. Besser wäre es in meinen Augen, die „Herren“ würden sich von der No-Customization-Philosophie durch Implementierung eines MIDI-Editors trennen (und wenn nur für das 213-Euro-Plugin!), wie er bei der überwiegenden Mehrheit direkter Konkurrenten zum guten Ton gehört. Was mir ebenfalls zu denken gibt, ist der Umstand, dass sich zwar Musikclips über die Navigationselemente eines Controllers wie dem VCI-380 in die Decks befördern lassen, nicht jedoch Footage. Der Griff zu Tastatur und Maus ist somit Pflicht und nicht unbedingt goldener Nektar für die Performance. Ein paar Shift-Funktionen hier und da täten dem Workflow meines Erachtens nach gut.

SSL
Scratch Live-User hingegen können, sollte ihnen die 56 x 56 x 24 (FX1*FX2*CFX = 75264) möglichen Ausgabe-Kombinationen nicht ausreichen, zusätzlich Audio-Effektprogramme auf das Videobild abfeuern. Besonders interessant fand ich hier Filter und Flanger sowie Delay und Echo. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass einige Vertreter, obwohl der Dry-Wet-Regler auf „Dry“ steht, bereits Bildveränderungen hervorrufen. Das liegt daran, dass die erweiterten Parameter mancher Presets schon eingestellt sind – unabhängig vom tatsächlichen Effektanteil. Dies hat zur Folge, dass der Effekt schon zuschlagen kann, wenn ihr auf den ON-Button drückt, obwohl der Dry-Wet in Nullstellung verharrt. Also Obacht!
Scratch Live, SL3-Interface, Pioneer DJM-850 und ein MIDI-Controller sollen mit dem eingangs erwähnten i5-Book die Performance unter Windows ausloten. Wie erwartet stellte sich heraus, dass keine Schwierigkeiten mit SD-Material aufkamen. Ich konnte sogar Clips mit 720p auf beiden Kanälen ohne große Probleme Cuejugglen, Loopen, Rollen und Slicen, auch wenn beim ersten Ansteuern oder Wechsel eines Slices durchaus mal ein Millisekündchen vergehen kann, was bei den Visuals nicht so stark ins Gewicht fällt, wie beim Musikvideo, dass lippensynchron laufen muss.  Kommt jedoch 1080p Full-HD ins Spiel, ist auch bei meinem Winbook der Ofen aus.

Setup_Serato_Win

MIDI-Getöse im Parterre
Die einfache Variante besteht darin, die MIDI-Send-Funktion des DJM-850 einzuschalten und SSLs Transparenz- und Transition Fader mit den entsprechenden Bedienelementen am Mixer zu verknüpfen und die Effektauswahl und Tweaks mittels Touchpad am Laptop vorzunehmen. Kein wirklich umwerfender Gedanke, wie ich finde…
Als Kommandozentrale für die Audio-FX könnte ich zum Beispiel meinen Vestax VFX1 nutzen, der nativ eingebunden wird, jedoch aufgrund der beschränkten Anzahl an Hardware-Elementen nur im begrenzten Maße die Funktionen des FX-Plugins ausreizt. Für die Auswahl der Video-FX und die Steuerung der Parameter im Videofenster muss daher eine andere Lösung her, so etwas wie der AKAI LPD8, da sich dieser auch als Sample-Player auf den weiteren Bänken verwenden lässt. Es stellte sich heraus, dass er zum Aktivieren der Effekte und zur Justierung der Parameter durchaus herhalten kann, aber in meinen Augen eher ungeeignet ist, um sich mit seinem kurzen Regelweg durch das Dickicht von über 50 Clip-Effekten zu schlagen. Die gezielte Anwahl wird somit zum Seiltanz. Anders ist es, wenn vier kompatible Encoder am MIDI-Controller verbaut sind, denn dann kann sich der DJ Schritt für Schritt vor und zurückhangeln. Hat Akais LPD8  aber nicht, also bleibt es beim „Tweaken“ und (De-)Aktivieren, die Auswahl geschieht am Laptop. Durchaus gangbar, wenn ihr das 50-Euro-Teilchen irgendwo rumliegen habt…
Bei Niederschrift dieser Zeilen kommt mir noch ein anderer Stratege in den Sinn, mit dem ich beim Video-SL Test seinerzeit viel Spaß hatte: Frei nach dem Motto, was lange währt, ist nicht verkehrt (oder so ähnlich), schließe ich Stantons SCS-3M und SCS-3D an, die wohl eines der kompetentesten und allumfassendsten 3rd-Party-Regelwerke für Scratch Live und Video-SL darstellten. Laut Beipackzettel übernimmt der SCS-3M Mixer im Global Mode Opazität, Fader und/oder Cue-Fx, Fokus-Selektion für die Videoslots und FX-Bypass 1-4. Im DJ-FX-Mode bedient er mit der oberen Fader-Reihe Auswahl und Parameter der Audio-FX 1-6. Im Video-SL-Modus sollen die inneren Slider die Effektparameter 1-4 dirigieren, mittels Shift-Button geschieht die Auswahl der Effekte. Leider stellte sich jedoch heraus, dass die Video-Befehle nicht mehr funktionieren, sodass ich hier manuell mappen musste. Die Lernfunktion zum Antrainieren der Befehle ist jedoch wirklich sehr einfach zu bedienen und in wenigen Schritten erklärt:
Schritt 1: Serato-Video starten
Schritt 2: MIDI-Button rechts oben betätigen
Schritt 3: Das zu steuernde Element in der grafischen Benutzeroberfläche auswählen
Schritt 4: Den gewünschte Regler an der Hardware betätigen. Fertig!
Richtig heftig wird’s, wenn ihr einen SCS-3D dazu nehmt, der Samples, Cues, Loops, Effektsteuerung und Browsing auch unter SSL 2.4.2 erlaubt. Alle Funktionen dieser Unit zu beschreiben, würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen. Ich verweise indes auf die nachfolgenden Screenshots. Die Bedienung klappt auf dem Mac prima, zudem sind die beiden Stantons vom Formfaktor sehr schlank ausgefallen (zusammen wie ein Tetrapack Milch) und somit eine interessante Option für reiselustige Scratch Live-Aktivisten.

Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass beim Windows-64-Bit-System Probleme mit den Stanton-Units auftauchten, denn die zum Betrieb nötige Software DaRouter zeigte sich nicht in der Lage, die beiden SCS-Controller in das mitgelieferte SSL-Preset einzuschleusen. Ein Test konnte hier adhoc nicht stattfinden, doch das ist nicht Serato anzulasten.
Bevor es nun ans Fazit geht, sei mir noch ein Hinweis erlaubt: Wer Serato Video vor dem Kauf zunächst einmal ausprobieren möchte, kann sich eine voll funktionsfähige und zeitlich nicht begrenzte Demo laden, deren Einschränkung in der deaktivierten Vollbildausgabe mit Wasserzeichen im Ausgabefenster liegt.

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.