Diese Folge unserer Shortcut-Reihe beschäftigt sich mit einem Effekt, der von Gitarristen in der Regel eher “oberflächlich” genutzt wird: das Delay. Dass dieser elektronische Echo-Produzent in Rack- oder Pedalform in den meisten Fällen lediglich dem einen simplen Zweck dienen darf, das Gitarrensignal mehr oder weniger oft zu wiederholen, wird seinem Potenzial einfach nicht gerecht.
Delays können viel mehr, wenn sie richtig ins Setup eingebunden sind und bei der Performance clever eingesetzt werden.
Wie vielseitig sich das Delay tatsächlich verwenden lässt, wird uns von nicht wenigen unserer Helden eindrucksvoll demonstriert. Man denke nur an Gitarristen wie Steve Lukather oder The Edge von U2, die das Delay nicht nur aus dem Studiorack befreiten und es mit auf die Bühne nahmen, sondern auch erfolgreich dazu nutzten, ihre individuellen Trademark-Sounds zu gestalten.
Was macht eigentlich ein Delay?
Ganz einfach gesagt “kopiert” ein Delay das Gitarrensignal und gibt es zeitverzögert ein- oder mehrmals wieder, generiert also im eigentlichen Sinn ein Echo.
Analog oder digital?
Bevor wir ins Detail gehen, wollen wir uns zunächst einmal die Unterschiede zwischen einer digitalen und einer analogen Erzeugung des Delay-Effekts anschauen. Vereinfacht dargestellt funktioniert ein typisches Analog-Delay wie beispielsweise das Maestro Echoplex folgendermaßen: Das Signal wird auf ein Magnetband aufgenommen, das sich an einer Reihe von Wiedergabe-Tonköpfen entlangbewegt. Je nachdem, welchen dieser Tonköpfe man nun aktiviert, hat sich das Signal logischerweise mehr oder weniger stark vom Originalsignal entfernt und damit verzögert. Das ist zugegebenermaßen eine fast schon “archaische” Vorgehensweise – die sich aber in der Praxis durchaus bewähren konnte.
Für dich ausgesucht
Eine weitere Möglichkeit, einen Delay-Effekt im analogen Bereich zu erzeugen, kam in den 70ern auf (beispielsweise im Boss DM-2) und trägt den schönen Namen Eimerkettenschaltung. Hier wird das Signal wie bei der Eimerkette der Feuerwehr (daher auch der englische Name bucket brigade memory) von einem Teil der Schaltung zum nächsten weitergereicht und so verzögert. Vom Ablauf her also ähnlich wie beim Magnetband mit mehreren Tonköpfen, aber durch die rein elektronische Umsetzung wesentlich weniger anfällig. Bandsalat und Verschleiß sind bei der Eimerkettenversion natürlich kein Thema, aber trotzdem besitzt der Effekt den typisch analogen Charme des “Unperfekten”.
Bei Effektgeräten, die nach dem digitalen Prinzip arbeiten – und dazu gehört auch das Digitaldelay – wird das analoge Signal zunächst in ein digitales Datenformat gewandelt, das sich sehr einfach speichern und nahezu beliebig verändern lässt. Danach werden die modifizierten Daten wieder in ein analoges Signal umgewandelt und ausgegeben – fertig. Das Digitaldelay wurde in den späten 70ern erfunden und ist seit Anfang der 80er Jahre ein fester Bestandteil des Musiker-Fuhrparks. Grund dafür war nicht zuletzt, dass es im Vergleich zu so manchem analogen Gerät zuverlässiger und rauschärmer war und sich kostengünstiger fertigen ließ.
Seit einigen Jahren allerdings erleben analoge Effektgeräte eine ungeheure Renaissance und alte Originale werden zu extrem gefragten Sammlerstücken. Dazu gehören auch die schon fast historischen Bandechos und analogen Delays aus den Anfängen, die wie Schätze gehütet werden und meist nur noch in wohlsortierten Studios auf ihren Einsatz warten. Aber auch die immer zahlreicher auf den Markt drängenden Re-Issues und analogen Neuentwicklungen sind bei Gitarristen sehr beliebt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich das analog verzögerte Signal für viele Gitarristen erheblich organischer mit dem Originalsound mischt als die perfekte digitale Wiederholung.
Wichtige Parameter
In der Regel lassen sich bei einem typischen Delay-Effektgerät die folgenden Parameter verändern:
Delay – Die Verzögerungszeit wird meist in Millisekunden und/oder in BPM gezählt.
Feedback – Die Wiederholungsrate wird in Prozent (%) angegeben und bestimmt, wie stark das bereits verzögerte Signal erneut in den Delaykreislauf eingespeist wird. Je stärker das FB eingestellt ist, desto mehr Wiederholungen entstehen.
Mix – Der Mix-Regler bestimmt das Verhältnis zwischen Original- und Effekt-Signal.
Dies sind die typischen Standard-Regelmöglichkeiten der meisten Delay-Pedale. Gerade bei 19″ Geräten findet man natürlich weitere Parameter, auf die wir hier nicht eingehen können, weil sie den Rahmen unseres Shortcuts sprengen würden.
Delay-Typen
Schauen wir uns jetzt einmal die am häufigsten verwendeten Delaytypen an.
Stereo-Delay: Geräte dieser Art bieten ein rechtes und linkes Delay, wobei die Parameter für die beiden Kanäle separat eingestellt werden können.
Filter-Delay: Bei diesem meist mono betriebenen Delay-Typ sorgt ein Filter bei den Wiederholungen für eine Bedämpfung im Höhen- oder Bassbereich. Wo genau der jeweilige Einsatzpunkt beginnt, lässt sich in der Regel am Delay einstellen.
Multi Tap Delay: Hier hat man die Möglichkeit, mehr als zwei Delays ins Spiel zu bringen, was zu interessanten rhythmischen Wiederholungen führen kann. “Tap” bedeutet, dass man die Delayzeit mit dem Fuß oder dem Finger rhythmisch eingeben und somit problemlos und intuitiv an das aktuelle Songtempo angleichen kann.
Reverse Delay: Das Reverse Delay dreht die Wiederholung(en) einfach um und erzeugt dadurch einen Rückwärts-Effekt.
Modulation Delay: Modulation Delays werden meist stereo betrieben und fügen den Wiederholungen eine Modulation (wie z.B. einen Chorus-Effekt) hinzu. Das Ganze erinnert dann noch mehr an den Sound alter Band-Echos, da diese prinzipbedingt mitunter ziemlich eiern.
Ping Pong Delay: Der Klassiker. Dieses Delay muss natürlich in Stereo betrieben werden, da der Effekt ansonsten nicht funktioniert. Hier wird ganz einfach jede Wiederholung einmal zur einen, dann zur anderen Seite des Stereobildes geführt, wobei der Direktsound aus der Mitte kommt.
Natürlich gibt es noch weitere eher spezielle Delays wie zum Beispiel das Spatial Delay, welches das Stereobild verbreitert oder das Ducking Delay, das während des Spiels die Lautstärke des Delays verringert und erst bei einer Spielpause wieder “hochkommt”. Aber das sind eher Exoten, die in der Regel für speziellere Aufgaben verwendet werden.
Einsatzgebiete:
Wie ihr euch sicherlich denken könnt, sind die Einsatzgebiete und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Sound sehr breit gefächert.
Als Gitarrist muss man grundsätzlich entscheiden, ob man das Delay vor oder hinter die Vorstufe schaltet. Und diese Entscheidung hat durchaus Einfluss auf das gelieferte Ergebnis: Weil beispielsweise beim verzerrten Amp die Stärke des Eingangspegels den Zerrgrad des Preamps bestimmt, nimmt die gelieferte “Zerre” naturgemäß mit jeder Echowiederholung ab. Gitarristen wie Gary Moore nutzten diesen Effekt, um so ihre charismatischen Solo-Sounds zu generieren. In der Regel werden Delays aber in den Effekteinschleifweg des Amps eingebunden, denn da wird der bereits “fertige Sound” der Vorstufe wiederholt, bevor er in der Endstufe verstärkt wird. Das sorgt für einen ausgeglicheneren Gesamteindruck.
Als Nächstes steht die wichtige Entscheidung an, ob das Delay mono oder stereo betrieben werden soll – eine Maßnahme, die das Einsatzgebiet drastisch erweitern kann! Viele Pop- und Rock-Gitarristen fahren live ein Stereo-Setup, um z.B. den Effekt eines Modulations- oder Stereo-Delays voll ausschöpfen zu können. Wer Lust auf viel Schlepperei, ein aufwendiges Setup und viel Kabelei hat, der kann sein System natürlich auch mit drei Boxen und Amps betreiben. Hierbei kommt das direkte, unverfälschte Gitarrensignal (dry) aus der mittleren, die bearbeiteten Sounds (wet) aus der rechten und linken Box. Mit diesem System hat der Mischer live die Möglichkeit, in das Gitarrensignal einzugreifen und den Sound den örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Auf der Bühne kann der Gitarrist davon unabhängig sein eigenes Mischungsverhältnis einstellen.
Im Studio ist es üblich, dass die Gitarre pur, also ohne Delay, aufgenommen und der Effekt anschließend am Pult hinzugefügt wird. Das ist selbstverständlich kein Gesetz, erleichtert das weitere Arbeiten normalerweise aber erheblich. Im nun folgenden Audioteil werde ich euch alle wichtigen Delaytypen noch einmal anhand von Beispielen zu Gehör bringen.
Beginnen möchte ich mit einem normalen Achtel-Delay. Im ersten Audio ist der Effekt deaktiviert, im zweiten hört ihr die gleiche Figur dann mit Delay.
Das ist die wohl geläufigste Weise, ein Delay einzubinden. Hier lässt sich gut heraushören, wie der Effekt der Picking-Linie Tiefe verleiht. Ich habe ihn bewusst sachte beigemischt, damit er sich nicht in den Vordergrund spielt.
Jetzt ein klassisches Ping Pong:
Deutlich wahrzunehmen ist hier, wie sich die Wiederholungen von rechts nach links und wieder zurück bewegen. So bleibt das Direktsignal in der Mitte und verwäscht die Linie nicht.
Jetzt wieder ein Ping Pong Delay, diesmal jedoch mit einem Filter auf den Wiederholungen.
Dieser Effekt wird sehr häufig verwendet, weil sich der Sound durch die Bearbeitung bestimmter Frequenzen bei jeder Wiederholung verändert und schließlich immer dünner wird.
Wo wir gerade dabei sind, hier noch einige Beispiele, wie unterschiedlich Filter klingen können. In diesem Fall kommt ein ganz normales Mono-Delay zum Einsatz.
Im nächsten Beispiel habe ich ein Modulation-Delay verwendet. Zur besseren Hörbarkeit ist der Effekt bewusst recht intensiv eingestellt.
Im Studio wird ein derartiges Delay gerne bei “großen” Balladen eingesetzt. Oft benutzen Gitarristen den Effekt aber auch, um die Gitarre hineinschwellen zu lassen und so keyboardartige Sounds zu generieren. Falls also kein Tastenmann in der Band sein sollte …
Weiter gehts mit einem echten Klassiker, dem Slap Delay. Dieser Effekt wird schon seit den 1950ern verwendet und auch gern “Elvis Delay” genannt.
Hier ist die Wiederholung sehr kurz eingestellt und erzeugt so den gewünschten Effekt. Meist werden diese Delays vor den ganz leicht zerrenden Amp geschaltet, um so die Intensität noch zu erhöhen.
Auch im nächsten Beispiel habe ich das Mono Delay vor den stark zerrenden Amp geschaltet, um so den weiter oben bereits beschriebenen “Gary Moore Solo-Sound” zu erzeugen. Heraus kommt ein spezieller Lead-Sound im Stil der 70er – mit Ecken und Kanten.
Abschließend möchte ich noch ein paar Exoten vorstellen.
Beginnen wir mit dem Reverse-Delay:
Das klingt recht psychedelisch, wird aber hin und wieder gerne bei Produktionen eingesetzt, um eine spezielle Farbe hinzuzufügen.
Jetzt kommen zwei Beispiele für Multitap Delays:
Dieser Delay-Typ kommt eher seltener zum Einsatz und wenn, dann wirklich als reiner Effekt, da er schon recht viel Platz im Gesamtbild einnimmt. Gerade im Ambient oder in elektronischer Musik wird er aber recht gerne verwendet.
Das soll’s für den Moment gewesen sein mit meinem kleinen Exkurs in die Welt der Delays und ich hoffe, es hat den einen oder anderen unter euch dazu angeregt, sich etwas näher mit diesem spannenden Effekt zu befassen.
Viel Spaß dabei und bis zum nächsten bonedo Shortcut!