PRAXIS
Ich entscheide mich für eine “ordnungsgemäße” Stereoanordnung anstelle wahllos hingestellter Overheads. Nach einigem Ausprobieren entscheide ich mich für ein äquivalentstereophones Verfahren, welches auch von den Kesseln einiges an Pegel abbekommt. Das “Stereo-180”-Array nutzt Supernieren mit einem enormen Öffnungswinkel (67,5°) und einer im Gegenzug erstaunlich geringen Basis von 4,6 cm. Wie bei Großmembranern nicht unüblich, ist es auch kaum möglich, die Kapselmitten näher aneinander zu bekommen, denn schließlich ist da ja noch ein Korb um die Herzstücke der Mikros herum. Ein vernünftiges XY fällt mit diesen Mikros also aus, denn vor allem bei geringem Besprechungsabstand sollten die Kapseln einander viel näher sein, um Laufzeitdifferenzen zu vermeiden. Mit Supernieren eine Overhead-Mikrofonierung zu gestalten, das ist zugegebenermaßen eher unüblich. Eine schmale Richtcharakteristik bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass man dadurch nur kleine Aufnahmewinkel erzielen könnte. Dennoch ist es sinnvoll, sich nicht allzu riesige Schießbuden vorzunehmen, da einem ansonsten die bei den hohen Frequenzen stärkere Richtwirkung zum Verhängnis werden könnte – die Tage der Riesen-Drumkits sind aber bis auf Ausnahmen glücklicherweise gezählt.
Eine dicke Medaille verdienen die Ingenieure bei Shure für die Leistung, das Beta 27 sowohl äußerst moderat rauschend als auch reichlich pegelfest gestaltet zu haben. Mit dem Pad ausgestattet, funktioniert die “Dicke Beta” auch im übelsten Gefechtslärm tadellos. Supernieren klingen meist “härter” und “fokussierter” als Nieren. Das 27 verfügt ja über verhaltene Boosts in den Höhen, allerdings nimmt ein kleiner Dip bei etwa 7 kHz dem Signal ein wenig von der Schärfe. Das Ergebnis ist ein zwar sehr klares und durchsetzungsstarkes Signal, von Attributen wie “kratzig” und “nervend” ist es aber weit entfernt. Nach unten ist das Spektrum erstaunlich weit für einen Druckgradienenempfänger. Es ist daher zwingend nötig, das Signal dort ein wenig moderieren zu können. Mit den beiden eingangs beschriebenen Möglichkeiten, den Bassbereich zu beschneiden, ist das Beta hinlänglich flexibel ausgestattet. Schlagzeugsignale sind Veränderungen im Passband nach einer Filterung gegenüber meist recht unempfindlich, aber auch das steilere Filter arbeitet ohne jegliche Auffälligkeiten. Dass keine Spinne im Lieferumfang ist, sei verziehen, denn die Trittschalldämpfung funktioniert sehr gut.
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Ich habe das Beta 27 auch kurz mit den für Großmembranern klassischen Signalen Gesang und Sprache getestet, obwohl ich mich in dieser Testreihe auf Schlagzeuganwendung beschränken wollte. Es kann durchaus eine Alternative darstellen, zumal reine Supernierenkapseln großen Membranformats wirklich selten sind, da diese Charakteristik üblicherweise aus den beiden Membransignalen einer Braunmühl-Weber-Kombination generiert wird. Sehr “deutsch” aussprechende Sänger und Sprecher werden trotz der kleinen Frequenzgang-Einkerbung im S-Bereich am Umgang des Beta mit harten Konsonanten schnell verzweifeln können. Wessen Stimme jedoch zu breit und sanft ist, für den kann das 27 genau das richtige Werkzeug sein.