Fast alle von uns haben schon es schon einmal mit Presets zu tun gehabt, denn sie sind überall: in Plug-ins, Effekten und natürlich auch in Hardware-Synthesizern und Klangerzeugern. Eine Musikwelt ohne Presets ist eigentlich gar nicht vorstellbar. Würde es auch ohne gehen? Was sind die Vorteile? Gibt es überhaupt Nachteile?
Der ARP Solist aus dem Jahr 1971 wird bei schneller Google-Recherche als erster Synthesizer mit Presets angegeben. Ich glaube das einfach mal so, bestimmt kann darüber aber auch ausgiebig gestritten werden. Im Grunde auch egal, denn spätestens im Jahr 1972 wäre ein anderes Gerät dann das erste gewesen. Fast alle haben das „E. Piano“ aus dem Yamaha DX7 schon mal gehört – aber hat auch irgendjemand mal einen eigenen Sound auf diesem FM-Synthesizer programmiert?
Es wird Zeit, über Presets zu reden
Zuallererst demonstrieren Presets die Fähigkeiten eines Instruments oder Effekts. Das ist in Zeit von Online-Handel vielleicht nicht mehr ganz so wichtig wie in der Zeit, als Geräte noch vor dem Kauf beim Händler ausprobiert wurden. Da musste das neue Produkt direkt überzeugende Argumente für den Kauf liefern. Sobald es also möglich war, Einstellungen zu speichern, wurde davon reichlich gebraucht gemacht. Vielleicht ist das auch Grund für die große Euphorie, als Digitaltechnik ihren Einzug in die Musikwelt feierte und manches heute analoge Schätzen als plötzlich wertlos empfunden wurde. Das Speichern eines Patches ist eine wunderbare Sache, warum nicht gleich ab Werk ein paar davon mit auf den Weg geben? Seitdem das möglich ist, pflastern die Hersteller die mittlerweile aus Soft- und Hardware bestehenden Produkte mit Presets voll.
Presets schaffen einen Mehrwert für das Produkt. Wir kaufen nicht nur den neuen Synthesizer oder den tollen Effekt – nein, es sind direkt 1000 Patches gespeichert. Und die kommen von den Meistern des Sounddesigns wie Howard Scarr, Richard Devine, Francis Preve und vielen weiteren bekannten Menschen. Von denen können wir natürlich auch etwas lernen. Wie erzeugt man diesen oder jenen Sound, wie funktioniert ein bestimmtes Feature? Die Presets zeigen es. Wer die Herausforderung annimmt, wird vielleicht sogar dazu animiert, noch bessere Sounds aus einem Produkt herauszuholen.
Außerdem können Presets sogar sehr inspirierend und die Grundlage für einen neuen Song/Track sein. Und da ist jetzt nicht eine schöne Sequenz gemeint, die beim Druck auf eine Taste startet, sondern der pure Sound an sich. Ein fett klingender Bass animiert vielleicht eher zu einer Bassline oder eine krasse Verzerrung motiviert beim Gitarrenspiel einfach mehr. Und warum etwas nicht nehmen oder verändern, wenn es gut klingt? Tatsächlich sind in vielen unserer Lieblingslieder Presets zu hören.
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Presets sind kasse!
Aber …
Manchmal sind Presets aber auch kontraproduktiv. Zu viele davon führen zum pausenlosen Durchschalten der Library. Nehme ich jetzt das oder doch lieber das andere? Ah, vielleicht ist da ja noch etwas, das viel besser passt? Kennt ihr das? Manchmal funktioniert auch kein einziges Preset und wir müssen tatsächlich selbst Hand anlegen. Gerade bei Effekten führt da eigentlich kein Weg dran vorbei. Wer sich immer nur auf die vorgefertigten Sachen verlässt, steht irgendwann im Regen.
Presets verleiten nämlich auch zu einer gewissen Bequemlichkeit. Da will ich noch mal das Beispiel mit dem Yamaha DX7 aufgreifen. Dieser FM-Synthesizer ist mit seinem Mini-Display und den Membranschaltern ein wahres Biest in Bezug auf die Programmierung. Da ist es natürlich viel gemütlicher, sich gar nicht erst damit zu beschäftigen und einfach nur die fertigen Sounds zu benutzen. Reicht ja vielleicht auch aus. Aber die Möglichkeiten werden so natürlich nie ausgereizt.
Presets stehen einem kreativen Umgang mit dem Synthesizer/Effekt also oft auch im Weg. Im schlimmsten Fall sorgen die krassen Patches von den Sounddesignern sogar dafür, den Glauben an die eigenen Fähigkeiten zu verlieren. Wenn von Anfang an jeder vielleicht mögliche Klang schon bereitsteht, gibt es außerdem ja auch gar keinen Grund mehr, sich noch Arbeit zu machen.
Ganz schlimm finde ich übrigens Produkte, die nicht mit einem recht neutralen „Init“ starten, sondern sofort alle Register ziehen. Da muss ich aus eigener Erfahrung sofort an Razor von Native Instruments denken. Direkt beim Start kommt so ein fetter und spezieller Sound, dass jede Bewegung an den Parametern zunächst nur für eine Variation davon sorgt. Der Programmierer „Errorsmith“ empfiehlt selbst, immer erst mit dem Init-Patch zu starten, das in der Preset-Liste unter seinem Namen zu finden ist. Auf seinem Mist ist diese Entscheidung also vermutlich nicht gewachsen.
Presets können also auch ganz schön nerven!
Soundpacks und Soundsets
Wer sich gerne aus einem großen Fundus bereits fertiger Sachen bedient, findet in den meist kostenpflichtigen Soundsets und Soundpacks frisches Futter. Das ist eine tolle Sache, denn wie bereits gesagt, haben auch nicht alle Lust, sich stundenlang mit den Features eines Produkts zu beschäftigen. Wer sich am liebsten auf das eigentliche Musikmachen konzentriert oder zügig Projekte fertigstellen muss, greift auf das Angebot von erfahrenen Sounddesignern zurück. Und die wiederum verdienen damit ihr Geld. Gerade bei (Software-) Synthesizern ist daraus ein eigener Markt entstanden. Samples sind da ein weiteres sehr gutes Beispiel.
Und dann gibt es sogar Produkte wie Dark Zebra von U-He, das in Zusammenarbeit mit dem Sounddesigner Howard Scarr entstanden ist und sogar seine (und Hans Zimmers) Verbesserungsvorschläge berücksichtigt. Und auch hier kommt wieder der oben angesprochene Aspekt zutage, dass wir uns genau ansehen können, wie die Patches für das Sounddesign eines Blockbusters (The Dark Knight) aussehen.
Was denkt ihr?
Wie immer sind eure Kommentare erwünscht. Wie denkt ihr über Presets? Benutzt ihr die? Was sind schlechte Beispiele, welche sind gut?