Boy- und Girlgroups werden oft belächelt. Sie seinen gar keine richtige Band, weil sie „nur“ singen, sie müssen sich ja nur gut auf der Bühne bewegen können oder sind doch nächstes Jahr eh wieder weg vom Fenster – das sind einige der Klischees, die Sängerinnen und Sänger von Boy- und Girlgroups zu hören bekommen. Und auch ihre Fans, oft weibliche Teenager, müssen sich diese Vorurteile anhören. An diesen Aussagen ist bestimmt einiges Wahres dran, schaut man aber bei besagten Gruppen mal genauer hinter die Kulissen, stellt man schnell fest, was das eigentlich für ein Knochenjob ist.
Denn die Anforderungen und Erwartungshaltungen an die Sänger/innen dieser Bands sind hoch. Ein/e Musikmanager/in überwacht von der Musik über die Choreographie bis hin zum Image alles und nicht selten ähneln die Anforderungen in Bezug auf die zu leistenden Tanzchoreografien denen eines Leistungssportlers.
Hoher Leistungsdruck, immer abrufbare professionelle Stimmperfomances, perfekt im Pitch sitzender Satzgesang und das Verkörpern eines Trendidols sind gar nicht so einfach, wie es aufs Erste wirken mag.
Was es wirklich braucht, um in einer Boy- oder Girlband bestehen zu können, beleuchte ich euch in diesem Artikel.
Seit wann gibt es Boy- und Girlbands überhaupt?
Wenn man es genau nimmt, gab es bereits in den 1920ern die ersten Girlgroups. Diese entwickelten sich aus den A-Capella-Gruppen des amerikanischen Jazz und hatten vorwiegend den Bestandteil „Sisters“ in ihrem Namen. Die Brox Sisters, Boswell Sisters und die Andrew Sisters zum Beispiel waren Gruppen mit drei bis vier Sängerinnen, die weltweit mit ihren eher poppigen Songs bekannt wurden und im einheitlichen Look dazu tanzten und auftraten. Ende der 1940er, Anfang der 1950 Jahre entstanden dann weitere Girlgroups wie z. B. „The Chordettes“, die mit ihren witzigen Songtexten und ihrer charmanten Ausstrahlung Erfolge in den Hitparaden feierten und weltweit die Musikindustrie eroberten. Aus den 60er Jahren kennt man dann auch Boybands wie „Jackson 5“ und „The Monkees“, die ebenfalls sehr schnell internationalen Erfolg hatten.
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The Cordettes „Lollipop“
Jackson 5 “I want you back”
Die Idee hinter den Girl- und Boybands war schon damals, einen großen Unterhaltungswert für das Publikum bieten zu können und sowohl mit der Musik als auch mit dem Bandimage eine möglichst große Masse anzusprechen. Dass dieses Konzept funktionierte und auch immer noch funktioniert, belegt eigentlich jede dieser Bands selbst durch ihre schnellen Erfolge.
Ganz gleich aus welchem Jahr man sich eine Girl- oder Boyband anschaut, sie haben immer eines gemeinsam: Sie heben sich dadurch von anderen Bands ab, dass sich ihre Performances rein auf die Vocals fokussieren.
Was macht eine Boy- oder Girlband aus?
Selten sind die Mitglieder von Girl- oder Boygroups für ihre Skills an einem Instrument bekannt. Noch seltener sieht man sie innerhalb der Band Instrumente spielen. Sie glänzen durch ihre Stimmen und ihre Fähigkeit, sich gut im Gesamtstimmmix der Band einzufügen. Ebenso ist es gängige Praxis, dass die oft mehrstimmigen Vocal-Darbietungen Tanzchoreografien und/oder sehr aufwendige Bühnen- und Lichtshows ergänzt werden.
Pussycat Dolls
Oft werden mit dem Bühnenbild, der Lichtshow und der meist durch professionelle Tänzer/innen unterstützten Tanzshow eine durchgehende Story über den Verlauf eines Konzerts hinweg inszeniert.
Spice Girls – Medley
Boy- und Girlbands – die wahren Fanmagneten
Fragt man Fans von Boy- und Girlbands was ihnen zuerst einfällt, wenn sie an ihre Lieblingsband denken, kommen Antworten wie: “die Art wie er/sie singt.“, „wie er/sie aussieht“, oder „er/sie hat immer so coole Klamotten an.“ Sänger/innen von Boy- und Girlbands sind eben immer auch ein direktes und ganz persönliches Vorbild für ihre Fans.
Darum ist es gar nicht so verwunderlich, dass sich die Fans meist im gleichen oder ähnlichen Alter befinden, wie die Sänger/innen von Boy- und Girlbands – also wie ihre Idole. Und in der Tat werden viele dieser Boy-, Girl-Kombos entsprechend eines bestimmten Alters und aufgrund ihres Aussehens zusammen gecasted. Anders als bei anderen Bands, die sich meist von selbst durch gleiches musikalisches Interesse und ähnlichen musikalischen Skills z. B. über Musikerboards o. Ä. zusammenfinden.
New Kids on the Block – Step by Step
Dass Sänger/innen von Girl- und Boybands im ähnlichen Alter wie ihre Fans sind und auch optisch einem bestimmten angesagten Idealtyp entsprechen, ist wichtig, da sie nicht nur als musikalisches, sondern auch als ein direktes Vorbild für Lifestyle, Schönheit und Mode dienen sollen. Durch diese Möglichkeit, sich als Fan mit den einzelnen Bandmitgliedern zu identifizieren, wirken Girl- und Boybands wie Magneten auf bestimmte Zielgruppen und bringen so schon seit Anbeginn regelmäßig Millionen Fans hysterisch zum Kreischen. Sie animieren sogar nicht weniger viele Fans zum Nachahmen der Klamotten-Styles oder ganzer Alltagsgewohnheiten und sind somit gerade für die jugendliche Zielgruppe sehr Alltagsprägend. Die Fans wollen eben wie ihre Vorbilder sein.
Take That – Never forget
Mit ihren sehr poporientierten Sounds sind die Songs von Boy- und Girlbands damals wie heute sehr catchy, leicht zu verstehen und haben meist Ohrwurm-Charakter. Darum sind sie auch nicht mehr aus Radio und Mainstream-Playlisten wegzudenken.
Die 90er – der Boom für Boy- und Girlbands
Die Intensität der Merkmale, welche eine Boy- oder Girlband für ihre Fans attraktiv und anziehend erscheinen lässt, waren in den 1950er und 1960er oft noch dezent und sehr alltagsnah und alltagstauglich ausgeprägt. Das sieht man z. B. an den Bühnenoutfits der Chordettes oder den Monkees – viele trugen schlichtere Kleider oder gar Anzüge. Bands wie Jackson 5 haben mit ihren bunt genähten Bühnenoutfits in den 1970er da schon eher Wert auf ihre Auffälligkeit gelegt. Waren das vielleicht sogar die Vorreiter in Sachen Bühnenoutfits für die in den 1990er den Musikmarkt flutenden Boy- und Girlbands? Denkbar wäre es.
Backstreet Boys – Larger than Life
Ab den späten 1980ern hat man über die Plattenlabels und das Management begonnen, die die Fans anziehenden Merkmale der Einzelpersonen innerhalb der Girl- und Boygroups genau zu analysieren. So wurden ab Ende der 1980er noch expliziter und zielgruppengerechter Bandmitglieder gecastet. Für die Bands, die zuvor primär unter dem musikalischen Aspekt funktionieren mussten, wurde nun das Image immer wichtiger. So hat sich in den 1990ern der Begriff Boygroup erst richtig definiert und etabliert. Den Sänger/innen wurden deutlichere und typenspezifischere Rollen in der Band zugeordnet, damit sie zielgruppenorientierter funktionieren.
Bananarama – Cruel Summer
Boyz II Men – Medley
Die Musikindustrie hatte damit eine gute Einnahmequelle geschaffen – somit gab es in den 90er Jahren fast keine Girl- oder Boygroup, die nicht an irgendeiner Stelle erfolgreich war. Sie waren ein wahres Paradies für alle Fans von Girl- und Boygroups und alle, die gerne als Sänger/in in solchen Formationen unterwegs waren.
Außerdem brachten die 90er Jahre die großen Boybands und Girlgroups hervor. „New Kids on the Block“, „Boyz II Men“, „Take That“, „Destiny‘s Child“, „Backstreet Boys“, „TLC“, „Spice Girls“, „NSYNC“ und „Westlife“, um ein paar der bekanntesten aus dieser Zeit zu erwähnen. Alle waren junge gutaussehende Männer und Frauen, die selbst teils noch mitten in der Pubertät steckten und ihren Fans suggerierten, auf Augenhöhe zu sein.
NSYNC- Bye Bye Bye
TLC – Medley
Was easy aussieht, ist in Wirklichkeit ein Knochenjob!
Auf den ersten Blick sieht hier alles nach viel Spaß, großen Bühnen und einer treuen Fangemeinde aus. Fast schon glamourös und mit einem Garanten auf den großen Erfolg. Was man aber dabei nicht unterschätzen darf, ist die harte körperliche Arbeit, die neben dem Singen auf einen wartet und potenziell mit dem Erfolg ansteigt.
Ich hatte bereits erwähnt, dass die Bühnenshows fast immer auf Tanzchoreografien mit professionellen Tänzer/innen aufgebaut sind. Das heißt im Umkehrschluss, dass man als Sänger/in einer Girl- oder Boyband sich gleichwertig zu einer/einem Profi-Tänzer/in auf der Bühne bewegen können muss. Das erfordert ein hohes Maß an körperlicher Fitness und eine eiserne Trainingsdisziplin – neben dem Singen.
Zudem kommt eine erhöhte Reisebereitschaft für das Reisen zu Konzerten, was, wie beim Touren üblich, immer mit wenig Schlaf verbunden ist . Auch die intensive Fanarbeit macht nicht immer Spaß, da sie sehr zeitaufwendig sein kann und große Einschnitte ins Privatleben möglich sind. Wer sich also für eine Boy- oder Girlband bewirbt, muss bereit sein, sich dem für diese Zeit ganz hinzugeben.
Destiny’s Child – Bootylicious
Seit ein paar Jahren erleben gerade im asiatischen Markt Boy- und Girlgroups wie BTS und Blackpink einen erheblichen Boom. Hier heißt es sogar, dass angeblich gewisse Eingriffe der plastischen Chirurgie vorausgesetzt werden. Ich mag mich dabei aber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Es darf ja jeder für sich entscheiden, wie weit er oder sie für die Musik gehen möchte.
BTS – Butter
Blackpink – Kill this love
Was solltest du als Sänger/in für eine Boy- oder Girlgroup noch mitbringen?
Im Endeffekt geht es darum, als Sänger/in stimmlich, körperlich und konditionell das passende für das gesuchte „Produkt“ anbieten zu können. Und im Idealfall ohne dass du dich dafür persönlich groß verstellen oder verbiegen musst. Ein passendes Mindset, wofür und warum man das macht, kann dabei sehr hilfreich sein. Doch wo da jede/r für sich die Grenze zieht, ist natürlich eine ganz persönliche Entscheidung.
Was du auf jeden Fall brauchst, um Teil einer Girl- oder Boygroup zu werden, sind Skills wie:
- hohe Stressresistenz, um unter Stress weiterhin eine professionelle Performance abliefern zu können
- gutes Gehör und Gefühl für mehrstimmigen Gesang (Satzgesang)
- deine Stimme muss das Genre-Image der Band bedienen und zu den Stimmen der anderen Bandmitgliedern passen
- Gefühl für angesagte Modetrends
- einem bestimmten (Stereo-)Typ entsprechen
- du musst sehr gut tanzen können bzw. sportlich sein
- gute und schnelle Merkfähigkeit für Choreografien, Texte etc.
- Teamfähigkeit und Ehrgeiz
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