Sire Marcus Miller V7 Fretless Test

Praxis

Im Sitzen oder im Stehen gespielt verhält sich der MM7 5 so, wie man dies von einem Jazz Bass gewohnt ist. Natürlich wird aus diesem rustikalen Konzept kein Ergonomie-Wunder mehr, wie ein dementsprechend konzipierter Boutique-Bass. Aber das muss es ja auch nicht! Dieses Konzept funktioniert auf einfache Weise, und seine kleinen Schwächen verleihen ihm seit jeher einen gewissen Reiz.
Der MM7 5 besitzt – wie eigentlich jeder Jazz Bass – einen leichten Hang zur Kopflastigkeit, was aber mit einem vernünftigen Gurt nicht weiter ins Gewicht fällt. Ansonsten lässt er sich aber über das komplette Griffbrett absolut problemlos bespielen. Der Hals bietet mit seinem C-Profil ordentlich Fleisch für die Greifhand, was ihr zu angenehmer Stabilität verhilft und somit sicher auch der Intonation zuträglich ist.
Die Sattelbreite von 46 mm und das Stringspacing von 18 mm liegen für Fünfsaiter-Maße im mittleren Bereich. Es sollte also im Grunde nahezu jeder nach kurzer Eingewöhnungszeit mit dem Sire bestens klarkommen – egal, welchen Bass man ansonsten gewöhnt ist. Einzig das Gewicht von ca. 4,5 kg könnte bei längeren Gigs zum Problem werden.

Der leichte "neck dive" (zu deutsch: Kopflastigkeit) ist für Jazz-Bässe typisch und stellt kein elementares Problem dar. Insgesamt ist das Handling des Sire-Basses vorbildlich!
Der leichte “neck dive” (zu deutsch: Kopflastigkeit) ist für Jazz-Bässe typisch und stellt kein elementares Problem dar. Insgesamt ist das Handling des Sire-Basses vorbildlich!

Die umfangreiche Elektronik umfasst zur Gestaltung des Sounds im Passiv-Modus einen Volume-, einen Balance-Regler sowie eine passive Tonblende. Per Kippschalter kann die Dreiband-Elektronik aktiviert werden. Sie hält zusätzlich noch Regelmöglichkeit für Bass, Höhen und parametrische Mitten parat. Mit einem Doppelstock-Poti lässt sich stufenlos die gewünschte Mittenfrequenz wählen, welche man dann anheben oder absenken kann, und die passive Tonblende funktioniert sogar in beiden Modi.
Puh, das sind eine Menge Möglichkeiten! Für meinen persönlichen Geschmack wurde hier tatsächlich die einfache Bedienbarkeit etwas zugunsten der sehr hohen Flexibilität geopfert. Mir persönlich sind fünf Potis (zwei davon doppelt belegt) plus Kippschalter unterm Strich etwas zu unübersichtlich.
Zumal zwischen den Reglern zudem kaum Platz für die Finger bleibt und der untere Regler der Doppelstock-Potis dazu neigt, sich etwas mitzudrehen, wenn man den oberen Regler bewegt. Fans von klanglich überaus flexiblen Bässen mit vielen Regelmöglichkeiten werden hier jedoch bestens bedient. Da bleibt mir nur zu sagen: Das Ganze ist – wie so oft – sicher letztlich Geschmackssache!

Klassisches Handling trifft auf eine hochgezüchtete Elektronik.
Klassisches Handling trifft auf eine hochgezüchtete Elektronik.

Akustisch gespielt wirkt der MM7 5 aufgrund der Flatwound-Saiten etwas bedeckt in den Höhen. Das ist jedoch völlig normal und kommt meinem Soundideal eines Fretless eher entgegen. Der flache Draht reduziert zudem angenehm die Rutsch-Geräusche der Greifhand.
Bis auf die Jazz-Bass-typischen leichten Deadspots zwischen dem fünften und siebten Bund der G-Saite klingt der Bass recht ausgewogen. Auch die tiefe B-Saite fällt nicht ab, was in dieser Preisklasse beileibe keine Selbstverständlichkeit ist. Das “Singen”, das man sich von einem Fretless erwartet, könnte sicherlich noch etwas ausgeprägter sein. Bei Kritik auf diesem Niveau muss man allerdings mal einen Blick aufs Preisschild werfen, das rückt dann viele Dinge wieder ins rechte Licht.

Die Schraubhals-Konstruktion sorgt für gesunden Growl, der schon ohne Amp hörbar ist.
Die Schraubhals-Konstruktion sorgt für gesunden Growl, der schon ohne Amp hörbar ist.

Jetzt aber mal das Kabel rein und den Verstärker angeworfen. Da Leo Fenders Original ohne aktive Elektronik auskam, teste ich den Sire zunächst auch im Passiv-Modus mit verschiedenen Pickup-Konfigurationen und der Tonblende.

Audio Samples
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Passiv, beide Pickups Passiv, Bridge-Pickup Passiv, Bridge-Pickup + Höhenblende: -50% Passiv, Neck-Pickup

Das macht schon einen ordentlichen und soliden Eindruck! Die Sounds, die man von einem bundlosen Jazz Bass erwartet, liefert der Sire anstandslos. “Aktiviert” man den MM7 5, erhält man noch zahlreiche Möglichkeiten, den Sound zu gestalten und ihn an die eigenen Bedürfnisse maßzuschneidern. Die Sire-Elektronik macht dabei einen grundsoliden Job, muss sich vor der Konkurrenz nicht verstecken und arbeitet weitestgehend ohne Nebengeräusche. Allerdings packt sie ganz schön zu, weshalb hier durchaus Fingerspitzengefühl gefragt ist.

Für manche zu viel des Guten, für andere genau richtig: der Marcus-Miller-Bass verfügt über einen überaus umfangreichen Preamp!
Für manche zu viel des Guten, für andere genau richtig: der Marcus-Miller-Bass verfügt über einen überaus umfangreichen Preamp!

Am interessantesten finde ich die parametrischen Mitten. Man kann schön die Frequenzen suchen und boosten, die einen z.B. nach “Jaco City” bringen oder umgekehrt den Sound richtiggehend aushöhlen. Je nach Bedarf und Kontext bietet die Dreiband-Elektronik zusammen mit der Tonblende und dem Balance-Regler eine nahezu endlose Menge an Optionen. Für mich persönlich ist das schon etwas zu viel – zumal der MM7 5 schon passiv wirklich überzeugen kann. Für manch anderen ist diese Flexibilität aber sicher genau das Richtige! Hier noch ein paar Beispiele im Aktivmodus:

Audio Samples
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Bridge-Pickup, Mitten: +30% Bridge-Pickup, Bass: +30%, Mitten: +30%, Höhenblende: -50% Neck-Pickup, Bass: +30%, Mitten: -50%, Höhenblende: -50%
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