Praxis
4,6 kg Lebendgewicht sind für einen Solidbody-Fünfsaiter noch im Rahmen, aber doch eher am oberen Ende dessen, was man auf der Schulter tragen möchte. Bei längerem Spiel kann sich dieses Gewicht durchaus schon mal bemerkbar machen. Im Sitzen melden sich die fünf Stimmmechaniken und der im Vergleich zum Viersaiter kräftigere Hals mit einer spürbaren Kopflastigkeit. Dies liegt aber auch in der grundsätzlichen Konstruktion eines Jazz-Basses begründet – kaum ein Vertreter dieser Art ist davor gefeit. Mit Gurt im Stehen gespielt, pendelt sich der M9 5 in eine schräge und bequeme Position ein, doch ein leichtes Ziehen an der Schulter macht sich schon bemerkbar.
Das Halsprofil lässt sich als kräftiges D mit Tendenz zum C kategorisieren. Man hat also schon einiges in der Hand, was ich persönlich als sehr angenehm empfinde. Beim Griffbrett-Radius hat man sich bei Sire für einen Kompromiss aus der klassischen (kleiner Radius, deshalb runder) und moderneren Variante (meist mit großem Radius, deshalb flacher) entschieden. Irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden liegt der MM9 5.
Nur bei härterem Anschlag lässt sich dem Bass bei einer sehr bequemen Saitenlage ein Schnarren der Strings entlocken, was für solide Abrichtung der Bünde und eine gute Werkseinstellung spricht. Will man die Halskrümmung den eigenen Bedürfnissen anpassen, findet man den Zugang am Hals-Korpus-Übergang. Rückt man dem MM9 mit ein paar Slaplicks zu Leibe, macht sich das fehlende Schlagbrett bemerkbar, da sich der Abstand zwischen Saite und Korpus auf diese Weise merklich vergrößert. Daran muss man sich erst etwas gewöhnen – oder eben das beigelegte Schlagbrett montieren.
Akustisch gespielt wirkt der Sire MM9 5 ausgewogen und aufgeräumt. Auf dem ganzen Griffbrett sind keine Schwachstellen auszumachen. Im Vergleich zu seinem kleinen Bruder V7 und einem Vertreter des großen amerikanischen Vorbilds wirkt er tatsächlich noch etwas definierter und kultivierter. Ich denke, hier macht sich das Ebenholz-Griffbrett positiv bemerkbar, eventuell auch ein klein wenig die Ahorndecke.
Verstärkt beginne ich mit dem MM V9 zunächst im Passiv-Modus. Hier sind zunächst ein Finger- und ein Slap-Groove mit beiden Tonabnehmern und der offenen Höhenblende.
Hier kommt der Bridge-Pickup alleine, die Höhenblende ist zu 50% zurückgedreht.
Nun folgt der Hals-Tonabnehmer im Solobetrieb:
Für dich ausgesucht
“Aktiviert” man den Sire MM V9, so erhält man Zugriff auf umfangreiche Möglichkeiten, um den Sound den individuellen Bedürfnissen anzupassen. Hier sind ein paar davon. Zunächst gibt es die beiden gleichen Grooves mit beiden Pickups und etwas Equalizer:
Hier hört ihr den Bridge-Pickup mit geboosteten Bässen und Mitten:
Viel sattes Low End und gedämpfte Höhen gibt der Sire bei diesem Reggae von sich:
Bei diesem Neo-Soul-Groove nutze ich nur den Hals-Tonabnehmer, booste die Bässe und senke Mitten und Höhen ab.
Die klangliche Flexibilität des Sire-Basses ist schon wirklich bemerkenswert. Was darf es sein? Drahtige Fingerstyle-Sounds mit dem Bridge-Pickup, viel Low End für Soul oder Rock mit dem Hals-Tonabnehmer, oder ein Allround-Ton für alle Lebenslagen mit beiden Pickups? Der Sire MM V9 5 bietet alle Sounds, die man von einem Jazz Bass erwartet – und das dank der tiefen B-Saite noch mit erweiterten Tonumfang. Noch nicht genug? Mit der Dreiband-Elektronik steht zusätzlich ein mächtiges Werkzeug zur Verfügung. Wem das schon zu viel des Guten ist, der betreibt den MM V9 einfach klassisch im Passiv-Modus. Natürlich geht das mit handselektierten Hölzern, mehrteiligen Hälsen etc. vielleicht noch etwas besser auflösend, direkter und transparenter. Alle Sounds des Sire-Basses sind jedoch auf absolut gutem Niveau, bestens im Alltag einzusetzen und ganz sicher überdurchschnittlich angesichts des Preissegmentes. Und das ist schließlich das, was zählt – mehr erwarte ich nicht von einem Jazz Bass! Auch die B-Saite funktioniert gut. Im Vergleich zur V7 Serie scheint sich tatsächlich das Ebenholz-Griffbrett positiv in punkto Definition und Präzision bemerkbar zu machen.