Und genau deswegen wollen wir uns die A Moll Pentatonik noch einmal etwas genauer anschauen:
A C D E G
Wie ihr seht, kann man aus den Tönen der Am-Pentatonik auch einen Akkord bilden, nämlich den Am7, dem die Note D (also die 11) hinzugefügt wurde (sprich, ein Am7add11). Oder anders ausgedrückt einen m7-Vierklang, bei dem der Zwischenraum Terz-Quint aufgefüllt wurde.
Wenn wir das jetzt als unsere neue Definition der Pentatonik festlegen, stellt sich eine wichtige Frage: Was passiert eigentlich, wenn man die leitereigenen Akkorde der C-Dur Tonleiter betrachtet und nun bei jedem Vierklang den Zwischenraum von Terz und Quinte auffüllt?
Richtig, es entstehen jede Menge weiterer 5-Töner, die ich an dieser Stelle gerne „Alterierte Pentatoniken“ taufen möchte. Das Ganze hat aber nichts mit dem Begriff „alteriert“ aus Melodisch Moll zu tun. „Alteriert“ bedeutet hier einfach nur „verändert“ und da man unter dem Namen „Pentatonik“ in der Regel eben nur die „normalen“ Pentatoniken versteht, müssen wir dem Kind einen anderen Namen geben – warum also nicht alterierte Pentatonik?!
Auf den sieben Stufen der C-Dur-Tonleiter ergeben sich also folgende alterierte Pentatoniken:
1. C E F G H Cmaj7add11
2. D F G A C Dm7add11
3. E G A H D Em7add11
4. F A B C E Fmaj7add#11
5. G B C D F G7add11
6. A C D E G Amadd11
7. B D E F A Bm7b5add11
Spielt diese Formeln durch und achtet auf die jeweiligen Sounds Die Stufen II, III und VI sind ohnehin identisch. Die alterierte Pentatonik auf der V. Stufe – also die 7add11 Penta – hat einen sehr interessanten Sound – erinnert leicht an indische Filmmusik oder manche Beatlesstücke. Ein besonderes Augenmerk würde ich gerne auf die Pentatonik der VII. Stufe lenken – der m7b5add11 Penta (der Einfachheit halber von nun an m7b5 Penta genannt).
Genau wie bei den „gewöhnlichen“ Pentatonik-Scales müssen wir natürlich auch wieder mit dem Erlernen der Fingersätze beginnen. Ihr werdet merken, wie ähnlich die Skalenbilder der vertrauten Penta sind.
Und natürlich gilt wieder: Der eingekreiste Ton ist der Grundton und muss unbedingt mit dem jeweiligen Fingersatz gelernt werden.
Zur Übung empfehle ich euch die gleichen Zerlegungsbausteine, die ich bereits in Folge 1 vorgestellt habe – natürlich angepasst an die neuen Fingersätze. Das heißt zweitöniger, dreitöniger und viertöniger Baustein, zerlegt in steigend, fallend Zickzack und umgekehrter Zickzack – das wird euch nach den ganzen Übungen der Mollpenta bestimmt nicht mehr schwerfallen.
Ich würde noch gerne eine weitere Variation ins Spiel bringen –diesmal geht es nicht um das Solieren, sondern um Akkorde. Spielt man die dreitönigen Bausteine nämlich simultan, ergeben sich sehr interessante Voicings, die sich super bei der Begleitung einsetzen lassen. Spielt die Voicing folgendermaßen durch alle Fingersätze:
Auch die Übungen zum Transponieren in andere Tonarten sind prinzipiell identisch mit den für die Mollpentatonik bereits vorgestellten Prinzipien. Um die Penta in allen Tonarten zu beherrschen, schnappen wir uns wieder unsere Zwölftonreihe.
G B D# F A C E Ab Db F# D Bb
Ihr kennt das Spiel ja schon: Die Töne geben den jeweiligen Grundton der Penta an, die wir spielen wollen. In der eigentlichen Übung werden alle Tonarten hintereinander durchgespielt (g,b,D# etc.) – und zwar in einer Lage.
Auch die nächste Übung hatten wir bereits in der zweiten Workshop-Folge – nämlich jede Tonart von jedem Startton aus innerhalb einer Lage zu spielen. Dazu folgende Grafik:
Auch hier gilt wieder: Der in Buchstabensymbolik notierte Ton markiert die Tonart der Penta, wobei der Ton in Notensymbolik den Startton festlegt. Diese Übung kann sowohl steigend als auch fallend oder auch abwechselnd vollzogen werden.
Nun widmen wir uns den Einsatzmöglichkeiten unserer ersten alterierten Pentatonik.
Da sie bekanntlich der Durtonleiter entstammt, könnte man sie rein theoretisch für alle Stufenakkorde verwenden. Wie so oft, gilt aber auch hier: Über manchen Stufen ergibt sich ein interessanter Sound, über anderen klingt sie eher dissonant.
Um euch das Leben etwas leichter zu machen, habe ich eine kleine Vorauswahl getroffen. Über den folgenden Stufen-Akkorden erzeugt die m7b5 Penta wohlige Klänge:
Bm7b5 Penta über:
Dm7 – ergibt einen funky Dm7/13 Sound, sehr gut für modal gehaltene Mollfunk-Grooves.
G7 – ergibt einen mixolydischen Dominantsound.
Bm7/b5 – spielt den halbverminderten Akkord der VII. Stufe sehr gut aus.
Allgemeingültig in Stufen ausgedrückt, kommen wir zu folgendem Ergebnis:
Akkordtyp | m7b5 Penta auf Stufe |
---|---|
m7 | VI |
Dur7 | III |
m7/b5 | I |
Um das Ganze gehörmäßig zu verinnerlichen, möchte ich euch jetzt wieder ein paar Playbacks an die Hand geben:
Wir starten mit einem Jam-Track in Em, in diesem Fall E-dorisches Moll. Das heißt für uns: Wir spielen die Moll 7b5 Penta auf der VI. Stufe – und das würde in diesem Fall C#m7b5-Penta bedeuten.
Wenn wir unser komplettes Arsenal an Soundtools zum Einsatz bringen wollen, müssen wir uns auch an die in den vergangenen Folgen zur Mollpentatonik gelernten Mechanismen erinnern. Dort haben wir erfahren, dass über einen Mollakkord auch die Mollpenta auf Stufe I und V funktionieren kann. Summa summarum erhalten wir:
Groove in Em: Em Penta, Bm Penta und C#m7b5 Penta als Tonmaterial Und so kann es klingen, wenn wir unsere Tools kombinieren:
Als Nächstes folgt ein Groove in F#7. Unserer Tabelle entnehmen wir, dass sich hier die m7/b5 Penta auf der Stufe III anbieten würde – in diesem konkreten Fall also die A#m7b5 Pentatonik.
Greifen wir auf das Wissen aus den vergangenen Folgen zurück, so ergeben sich folgende zusätzliche Möglichkeiten: Mollpenta auf Stufe I erzeugt einen bluesigen Sound, wohingegen die Mollpenta auf der Stufe VI. einen eher fröhlichen Countrytouch ins Spiel bringen kann.
Zusammenfassend könnte das Arsenal also so aussehen:
Groove in F#7: F#m Penta, D#m Penta und die A#m7b5 Penta. In Kombination klingt das wie folgt:
Um dem Einsatzbereich unseres letzten Akkordtyps gerecht zu werden, müssen wir ihn in den Kontext einer II V I – Kadenz setzen, was im weiteren Verlauf des Workshops noch geschehen wird.
Vorher möchte ich jedoch noch einen Blick auf unsere Tonleitern Harmonisch- und Melodisch-Moll werfen. Entdecken wir hier auf den Stufen eventuell noch halbverminderte Akkorde? Tatsächlich: In harmonisch Moll finden wir auf der II. Stufe eine m7/b5 Penta, und in melodisch Moll parkt eine auf der VI. Stufe. Letztgenannte wollen wir uns jetzt einmal etwas genauer ansehen.
Setzen wir unsere neu gewonnenen m7/b5 Pentas in Relation zu den Stufenakkorden, so erhalten wir neben vielen altbekannten Stufenverhältnissen auch ein paar Neue. Ganz besonders interessant ist das Verhältnis der m7/b5 Penta zum alterierten Akkord auf der VII. Stufe der melodischen Molltonleiter.
Spielen wir über einen alterierten Dominantseptakkord (z.B. G7#5#9) die m7/b5 Penta einen Ganzton tiefer bzw. eine kleine Septime höher (in diesem Fall Fm7b5 Penta), erhalten wir einen Tonvorrat, der diesem Akkord besonders gut zu Gesicht steht.
Bringen wir das auf eine Formel, stellt sich unsere vollständige Tabelle jetzt so dar:
Akkordtyp | m7b5 Penta auf Stufe | Sound |
---|---|---|
m7 | VI | dorisch, große 13 |
Dur7 | III | mixolydisch |
Dur7 | bVII | alteriert |
m7b5 | I | Akkordsound mit 11 |
Nun gut, dann wollen wir das Ganze in den Zusammenhang einer vertrauten Akkordfolge rücken.
Bekamen wir es in der letzten Folge mit der II V I Kadenz in Dur und Moll zu tun, wollen wir diesmal einen sogenannten „Turnaround“ bemühen, um das Gelernte anzuwenden.
Der Turnaround steht uns in Dur und Moll zur Verfügung – gerne nennt man ihn nach seinen Akkordstufenbezeichnungen auch I-VI-II-V.
In C-Dur sieht diese Kadenz folgendermaßen aus:
Cmaj7 – A7alt – Dm7 – G7
Betrachten wir nun unsere tonalen Möglichkeiten, so ergeben sich:
Cmaj7 | A7alt. | Dm7 | G7 |
---|---|---|---|
Am Penta | Cm Penta | Dm Penta | Em Penta |
Em Penta | Gm7b5 Penta | Am Penta | Bm7b5 Penta |
Bm Penta | (Bm7b5 Penta) | Fm7b5 Penta |
Und natürlich sind auch alle erdenklichen Kombinationen möglich.
Die Bm7b5 Penta über dem Dm7 Akkord ist mit Vorsicht zu genießen. Zwar klingt diese Penta in einem modalen Zusammenhang recht gut (also in einem Groove, der längere Zeit über Dm bleibt), in einem Kadenz-Zusammenhang nimmt die Pentatonik aber schon etwas zu viel vom nachfolgenden G7-Sound vorweg. Darum wäre die m7b5 Penta über dem m7 Akkord im Rahmen einer II V I oder I VI II V Kadenz, wahrscheinlich nicht meine erste Wahl.
Hier ein kleines Beispiel dazu:
Das Ganze in Moll wäre dann:
Cm7 – Am7b5 – Dm7b5 – G7alt
Das folgende Playback wechselt die Akkorde zweitaktig. Da erfahrungsgemäß der Halbverminderte etwas schlechter in der „Hand“ liegt, habt ihr so mehr Zeit für den einzelnen Akkord:
Diesmal sieht unsere Pentatoniktabelle folgendermaßen aus:
Cm7 | Am7b5 | Dm7b5 | G7alt. |
---|---|---|---|
Cm Penta | Dm Penta | Gm Penta | Bbm Penta |
Gm Penta | Am7b5 Penta | Dm7b5 Penta | Fm7b5 Penta |
Am7b5 Penta |
Auch hier können wieder alle Möglichkeiten kombiniert werden, und das klingt dann so:
So, werte Freunde der gehobenen Unterhaltungsmusik, wir sind mal wieder am Ende einer Folge angelangt und ich hoffe, ihr habt tolle neue Sounds entdecken können, die euer Spiel weiter nach vorne bringen. Beim nächsten Mal wollen wir das Thema alterierte Pentatoniken noch etwas vertiefen – denn in unserem kleinen Fünftonfreund stecken noch einige Soundüberraschungen!
Bis dahin alles Gute und viel Spaß beim Üben.
Haiko