Slide, Bottleneck, Lapsteel – Begriffe, die immer dann auftauchen, wenn es um eine ganz bestimmte Spieltechnik geht. Jeder hat den Klang schon einmal gehört. Sei es bei dem weltbekannten Song “Torn” von Natalia Umbraglia, in Robbie Williams Hit “Angel”, bei der Southern Rock Legende Lynyrd Skynyrd oder den Allman Brothers. Aktuell treibt ein Gitarrist aus Florida manche Gitarristen zur Verzweiflung und viele an ihre Instrumente, durch seine atemberaubende Beherrschung der Slide-Gitarre. Ob sitzend mit einer Lapsteel-Gitarre oder auf einer Gibson SG, so wie Derek Trucks, dem wohl bekanntesten Slide-Gitarristen unserer Zeit. In diesem Workshop möchte ich euch ein paar Grundlagen dieser Spielweise vorstellen, zusammen mit einigen Tipps und Übungen, mit denen ihre eure Technik und eure Intonation verbessern könnt.
Den Ursprung der Slide-Gitarre findet man in verschiedenen Kulturen. Viele denken bei diesen Klängen sofort an Baströckchen und Honolulu, und ja: hawaiianische Musik ist definitiv mitverantwortlich für die Entwicklung dieser Technik. Anfang des 20. Jahrhunderts machte ein junger Gitarrist namens Joseph Kekeku eine Aufnahme, auf der er sein Instrument mit einem Slide bespielte, und diese Aufnahme wurden zu einem Hit an der Westküste Amerikas. Kein Wunder, dass es ihm viele Musiker nachtaten und ihre Gitarre auf den Knien liegend spielten, mit selbstgemachten Slides aus Metallröhrchen oder abgebrochenen Flaschenhälsen, was unweigerlich zur Namensgebung führte: Das Bottleneck war geboren.
Fakt ist aber auch, dass schon vor hunderten von Jahren in Afrika auf einfachen Instrumenten gespielt wurde, meist auf einer gespannten Sehne und mit einem Stück Holz, das auf der Sehne geführt unterschiedliche Töne erzeugte. Berühmte Bluesgitarristen wie zum Beispiel Bukka White führten diese Idee fort und begannen ihre Musikkarrieren mit einem gespannten Draht und einer Flasche, bekannt als “Diddley Bow”.
Wo die Idee auch herkommt, der Sound ist aus unserer Musik nicht mehr wegzudenken. Ob im Hintergrund, neue Klangwelten kreierend, oder als fulminante Blues- und Rocksoli bei Duane Allman (Allman Brothers), Derek Trucks (Tedesci Trucks Band) oder Gary Rossington (Lynyrd Skynyrd).
Der Anfang
Zuallererst müsst ihr euer persönliches Bottleneck finden. Das Angebot ist groß, um nicht zu sagen riesig! Ihr habt die Wahl zwischen Bottlenecks aus Metall, Plexiglas oder Glas. Es gibt viele verschiedene Größen und Formen, lange für den ganzen Finger und kurze, die nur einen Teil des Fingers abdecken, welche, die den originalen Flaschenhälsen nachempfunden sind (auf die z.B. zum Beispiel Derek Trucks schwört), oder Bottlenecks, die nur an einer Stelle komplett geschlossen sind, damit sie wie ein Ring um den Finger getragen werden können und bei Bedarf so gedreht werden, dass sie spielbereit sind. Ihr müsst auch ausprobieren, mit welchem Finger ihr am liebsten Slide spielt. Am weitesten verbreitet sind wohl Ringfinger und kleiner Finger, weil ihr so den restlichen Fingern so noch viel Bewegungsfreiheit gebt und zusätzlich viel Kontrolle über die Saitendämpfung habt.
Geht am besten in einen Musikladen, der eine große Auswahl an Modellen hat, die ihr probieren könnt, oder bestellt euch unterschiedliche zum Testen. Wichtig ist: Ihr müsst euch wohlfühlen, es darf nicht zu eng und auch nicht zu locker sitzen. Die Form und das Material haben später großen Einfluss auf den Endsound. Man kann natürlich auch mehrere Modelle zur Hand haben und je nach Geschmack und Bedarf einsetzen. Ich benutze am liebsten ein Bottleneck aus Plexiglas und trage es auf meinem Ringfinger. Plexiglas generiert einen angenehm weichen Sound.
Wer einen etwas dreckigeren Ton bevorzugt, der sollte auf ein Bottleneck aus Metall zurückgreifen, zum Beispiel eines aus Stahl:
Für dich ausgesucht
Auch Messing hat seine Reize:
Oder Aluminium:
ln der Regel verhält es sich so: Je dicker und massiver das Material, desto mehr Sustain bekommt ihr. Im Direktvergleich hört ihr, was ich meine:
Das massivste Bottleneck, das ich einsetze, ist das aus Messing. Es ist sehr dickwandig und unser absoluter Sieger in Sachen Sustain. Dicht gefolgt vom Slide aus Stahl, das auch relativ dickwandig ist, dann Aluminium und zuletzt das aus Plexiglas. Natürlich könnt ihr den Sound aber auch mit Hall und Distortion und durchaus auch durch geschickt eingesetztes Vibrato verlängern.
Wenn ihr euch nun also durch den Dschungel der Slide-Möglichkeiten gekämpft und das zu euch passende Bottleneck gefunden habt, kommt die nächste Entscheidung. Musiker wie Derek Trucks oder Robert Johnson spielen Slide-Gitarre mit den Fingern, meist mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger. Ihr könnt die Saiten aber auch mit einem Plektrum anspielen. Je nachdem, wie ihr euch wohler fühlt und am meisten Kontrolle über Ton und vor allem den nächsten wichtigen Punkt habt, nämliche die Dämpfung der Saiten.
Das A und O beim Slidegitarre-Spielen ist die richtige Dämpfung der Saiten, die nicht klingen sollen. Das gilt übrigens vor UND hinter dem Bottleneck. Dadurch, dass ihr einen Gegenstand auf den Saiten hin und her bewegt, geraten auch die Saiten zur Kopfplatte hin in Schwingung und erzeugen manchmal ungewollte Geräusche. Gitarristen wie Gary Rossington haben zu diesem Zweck alle Saiten ab dem Sattel abgedämpft. Das geht zum Beispiel mit einem herkömmlichen Haargummi oder, indem ihr das Bottleneck auf Mittel-/Ring- oder kleinem Finger sitzen habt und mit den verbliebenen Fingern die Saiten zur Kopfplatte hin abdämpft. Das gibt euch durch den größeren Kontakt mit eurem Instrument auch zusätzlich mehr Kontrolle über die Intonation. Aber auch die Anschlagshand sollte die Saiten kurz vor der Brücke leicht abdämpfen, ansonsten klingen Leersaiten oder Töne mit, die ihr nicht hören wollt. Es ist ein Zusammenspiel beider Hände, aber mit Übung lässt sich schnell Kontrolle und Gefühl für die Sache erlangen, was entscheidend ist. Beim Anschlag müsst ihr euch entscheiden, welche Klangvariante ihr bevorzugt. Spielt ihr komplett mit den Fingern, könnt ihr einen weichen Sound erzeugen, wie Derek Trucks oder Duane Allman.
Werden die Saiten mit dem Pick gespielt, bekommt ihr den typischen Slide Sound, wie ihr ihn von Lynyrd Skynyrd oder aus dem Song Torn kennt, mit viel Attack und viel Sustain. Probiert aus, was euch besser gefällt, es besteht immer die Möglichkeit, auf beides zurück zu greifen.
Widmen wir uns jetzt eurer Hand mit dem Bottleneck. Der wichtigste Punkt zuerst: Wir sind es gewohnt, die Finger immer akkurat zwischen die Bundstäbchen zu setzen, um einen guten Ton zu erzeugen, wenn wir normal Gitarre spielen. Sobald ihr das Bottleneck in der Hand habt, sind diese Regeln nicht mehr gültig. Hier liegt die Intonation direkt in eurer Hand und da der “richtige” Ton dort entsteht, wo Bundstäbchen auf Saite trifft, müssen wir beim Slide-Gitarre spielen auch dort unser Slide hinbewegen. Umdenken ist angesagt. Ist das Bottleneck zwischen den Bundstäbchen, ist der Ton zu flat (zu tief). Nach euren Fingern ist euer Ohr das wichtigste Werkzeug. Deshalb heißt es permanent zuzuhören und gegebenenfalls zu korrigieren, sollte der Ton zu hoch oder zu tief sein. Eine zu tiefe oder zu hohe (tensed) Note kann ein Stilmittel sein, sollte aber mit der nötigen Intention passieren und nicht aus Versehen. Achtet auch darauf, dass ihr das Bottleneck parallel zu den Bundstäbchen bewegt. Als erste Übung würde ich abwechselnd einen Ton ohne Slide wie gewohnt mit dem Finger greifen und anschlagen, um dann mit dem Bottleneck denselben Ton sauber intoniert zu spielen.
Nehmt euch dazu am besten eine Tonfolge, Melodie oder Lick, das ihr kennt. Ich habe für die erste Übung eine E-Moll-Pentatonik gewählt und spiele immer zuerst den Ton mit einem Finger gegriffen, danach spiele ich denselben mit dem Bottleneck.
Versucht die Übung möglichst über das ganze Griffbrett und vor allem auf mehreren Saiten zu spielen. Auch die tiefen Saiten haben bei der Slide-Gitarre durchaus eine Daseinsberechtigung. Sie bergen schneller die Gefahr von Nebengeräuschen. Wenn ihr eine Gitarre spielt, die einen extrem runden Hals hat, müsst ihr experimentieren, wie ihr die tieferen Saiten gut erreicht, ohne die hohen Saiten ungewollt mitklingen zu lassen oder Gefahr zu laufen, dass es klirrt und scheppert. Es kann hilfreich sein, dabei das Bottleneck etwas vom Griffbrett weg anzuwinkeln. In der nächsten Übung spielen wir auf den unteren Saiten und tun außerdem das, was man eben mit einem Bottleneck tut: sliden! Dabei das Dämpfen der nicht angeschlagenen Saiten nicht vergessen.
Hört dabei genau zu, ob ihr zu hoch oder zu tief seid und vergleicht immer wieder mit dem gegriffenen Ton. So bekommt ihr ein Gefühl dafür, wo ihr das Bottleneck hinbewegen müsst, um den gewünschten Ton zu erzeugen. Drückt es dabei nicht zu fest auf die Saiten, sondern legt es dort ab und bewegt es zur gewünschten Position auf dem Griffbrett.
Mit dem Bottleneck bewegen wir uns sehr viel in Längsrichtung auf der Gitarre, was es uns möglich macht, viele Töne legato zu spielen und uns viele Saitenwechsel erspart. In der nächsten Übung spielen wir Tonleitern jeweils auf einer Saite. Ich habe der Einfachheit halber die Übung auf den Saiten G, h und e aufgeschrieben, ist das Konzept aber klar, sollten andere Tonarten, andere Saiten und vor allem auch Molltonarten probiert werden. Hier die Übung.
Probiert es auch in E-Dur:
Oder in F-Dur:
Ihr solltet immer einen Referenzton oder ein Playback dazu benutzen, damit ihr wisst, ob ihr noch richtig intoniert. Ihr könnt auch einfach den passenden Akkord mit einem Looper aufnehmen. Oder nur den Grundton. Hauptsache, ihr habt etwas, wonach ihr euch richten könnt.
Die nächste Steigerung ist das schnelle Wechseln zwischen mehreren Saiten, hier ist das größte Problem, dass oft die vorher gespielten mitklingen (siehe Dämpfung) oder Nebengeräusche entstehen, wenn ihr mit dem Slide ungedämpfte Saiten berührt. In diesem Fall müssen wir mit der Anschlagshand arbeiten, um solche lästigen Nebengeräusche zu vermeiden. In der nächsten Übung spielen wir die Moll-Pentatonik über mehrere Saiten. Benutzt dazu wieder einen Looper für die Referenz. Praktischerweise könnt ihr aber auch das F-Dur Playback (findet ihr unten) benutzen.
Das Ganze sollte aber auch in der Dur-Pentatonik geübt werden. Diese besteht genau wie die Moll-Pentatonik aus fünf Tönen (Penta = lat. Fünf), anders als beim Aufbau in Moll spielen wir aber Grundton, None, Terz, Quinte und Sexte. Falls ihr es euch einfacher machen möchtet: Die Dur-Pentatonik ist eigentlich nichts anderes als eine Moll-Pentatonik von der Mollterz aus gedacht. Oder anders herum: Die Moll-Pentatonik ist dasselbe wie die Dur-Pentatonik von der Sexte aus (dem 5. Ton in der Dur-Pentatonik). Genug der Theorie. Wir spielen eine A-Dur-Pentatonik zum Playback in A-Dur.
Versucht alle Töne, auch wenn ihr mit der Anschlagshand dämpft, möglichst sauber klingen zu lassen – das auch dann, wenn ihr mit dem Slide die Saite wechselt. Um noch einmal intensiver auf das Problem mit der zuvor angeschlagenen Saite einzugehen, hier eine spezielle Übung dafür.
Alle Übungen sollten auch immer in anderen Tonarten ausprobiert werden. Wie wäre es mit E-Moll:
Oder G-Dur:
Als letzte Übung versuchen wir kleine Lines zu spielen. Dabei geht es darum, Zieltöne genau zu erreichen, also wirklich über das Griffbrett zu “sliden”. Ich habe mich hier an einem Lick orientiert, das gerne von Derek Trucks angewendet wird. Versucht schon vorher, die Endpositionen auf dem Griffbrett zu sehen, um dann zielgenau dort anzukommen. Alle Töne sind gebunden, das heißt, ihr schlagt nur einmal am Anfang die Saite an. Das ist eine tolle Übung, um die Kontrolle über das Bottleneck zu erlernen. Immer sofort die Intonation korrigieren, und damit ihr wisst, ob der Ton richtig intoniert ist, nehmt euch einen Referenzton mit einem Looper auf oder benützt das folgende Playback (A-Dur)für diese Übung. Versucht, die Line in einer Bewegung und mit einem, maximal zwei Anschlägen zu spielen.
Dies solltet ihr in mehreren Tonarten ausprobieren und auf unterschiedlichen Saiten. Die Melodie ist, wenn ihr sie einmal im Ohr habt, recht leicht auf alle anderen Tonarten zu übertragen. Hier noch einmal die Übung in E-Dur:
Und noch eine Variante in F- Dur:
Diese Übungen könnt ihr beliebig fortführen, abändern und regelmäßig üben, um eure Ohren und eure Finger an die ungewohnte Spieltechnik zu gewöhnen. Hier noch die passenden Playbacks.
Falls ihr euch fragt, ob beim Sliden nicht auch öfters ein anderes Tuning verwendet wird? Ja, das stimmt! Für den Anfang finde ich es aber sehr wichtig, dass ihr in einer vertrauten Umgebung auf dem Griffbrett die ersten Versuche mit dem Bottleneck macht. In der nächsten Folge, werden wir auf die verschiedenen Stimmungen eingehen, mit denen die Slidegitarristen jonglieren. Bis dahin könnt ihr die Übungen weiterentwickeln, oder ihr versucht, Soli und Melodien, die ihr vorher normal gegriffen gespielt habt, mit dem Bottleneck nachzuvollziehen, um mit der Spielweise vertrauter zu werden. Slidegitarre-Spielen ist leider ein Metier, bei dem man schnell aus der Übung kommen kann, aber wenn ihr es regelmäßig in eure normale Übezeit mit einbaut, werdet ihr auf Dauer viel Spaß damit haben und nicht nur euch selbst, sondern auch euere Mitmusiker begeistern. Außerdem sind gute Slidegitarristen rar gesät, also ran an’s Bottleneck!
Matthias Gausepohl sagt:
#1 - 28.01.2023 um 17:39 Uhr
Super Workshop! Hat mich als einen totalen Neuling der Slidegitarre ein großes Stück vorangebracht. Vielen Dank!
Sven sagt:
#2 - 09.03.2023 um 15:58 Uhr
Vielen Dank für diesen Slide-Workshop! Da steckt ne Menge Arbeit dahinter! Ich habe bis jetzt mit dem Buch von Richard Köchli "Slideguitar styles" geübt, dass seit 20 Jahren :-). Also werde ich auch hier einige Zeit verbringen um mit den Übungen zu spielen. Slideige Grüße