So findest du die Tonleiter des Songs auf dem Gitarren-Griffbrett

In dieser Folge widmen wir uns einem Thema, das vor allem bei der Improvisation, aber auch bei der Melodie-Komposition über eine feste Akkordfolge extrem wichtig ist. Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Ihr kommt in den Proberaum, der Keyboarder hat ein paar interessante Harmonien für einen Song dabei, bittet euch, eine tolle Melodie darüber zu schreiben und danach auch noch ein kleines Solo zum Besten zu geben.

(Bild: © Shutterstock / Roman Voloshin)
(Bild: © Shutterstock / Roman Voloshin)


Wie geht man nun vor und wie stellt man sicher, dass die Lines und das ganze Spiel zur Tonart des Stückes passen? Hierfür gibt es ein paar handfeste Tricks, wie man sich auf dem Griffbrett der Gitarre zurecht finden kann, die ich euch hier zeigen möchte:

1. Tonart des Stückes kennen

Will man ganz einfach die richtige Tonleiter eines Songs finden, sollte man zuerst klarstellen, in welcher Tonart das Stück überhaupt steht. Stücke in C-Dur beispielsweise können bekanntlich super mit der C-Dur-Tonleiter bedient werden.
Falls ihr euch etwas vorsichtiger an die Improvisation herantasten wollt, könnt ihr auch mit der C-Dur-Pentatonik oder Bluestonleiter einsteigen, denn dieser Sound ist anfangs meist vertrauter und intuitiver. Wenn gerade kein Mitmusiker zur Hand ist, den ihr nach der Tonart fragen könnt, aber es gibt ein Leadsheet zu dem Song, kann man die Tonart anhand der Vorzeichen erkennen, denn jede Tonart hat ihre eigenen Versetzungszeichen und dafür gibt es zwei einfache Merksprüche:
Für Kreuztonarten: Geh Du Alter Esel Hole FISche
Für B-Tonarten: Frische Brezeln ESsen ASse DES GESangs
Der Anfangsbuchstabe verrät euch die Tonart, die Wortabfolge die Anzahl der Vorzeichen. So hat G-Dur ein Kreuz, D zwei, A drei usw. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Bs: F-Dur hat ein B, Bb hat zwei, Eb hat drei etc.
Ihr könnt dazu auch gerne in unserem Harmonielehre Workshop nachschmökern:

2. Skalenstufen erkennen

Auch für diesen Tipp benötigen wir ein rudimentäres musiktheoretisches Verständnis, das ihr euch im obigen Link aber leicht aneignen könnt. Nehmen wir einmal an, ihr kennt nur die Akkordfolge des Songs bzw. auf dem Leadsheet stehen nur Akkordsymbole und keine Notenzeilen mit Vorzeichen, so könnt ihr auch nur anhand der Akkorde die Tonart des Stückes identifizieren.
Dazu müsst ihr wissen, welche Akkorde in einer Tonart vorkommen können und das sind in erster Linie die sogenannten “diatonischen Akkorde”. Wenn ihr euch z.B. die C-Durtonleiter vorstellt, und bildet auf jeder Stufe einen Akkord, so erhaltet ihr: C, Dm, Em, F, G, Am, Bdim ( s. auch hier: Harmonielehre-Workshop #2 – Intervalle, Akkorde und Kadenzen). Das bedeutet, wenn eure Akkordfolge nun Am-F-G-C lautet, so sind dies alle Akkorde aus C-Dur und somit wäre die C-Dur Scale die passende Option!
Selbstverständlich müsst ihr die diatonischen Akkorde in allen Tonarten parat haben und bei manchen Kompositionen begegnen euch auch noch Sekundärdominanten oder Modal Interchange Akkorde (siehe Harmonielehre-Workshop #6 – Die II-V-I Verbindung oder Harmonielehre-Workshop #7 – Modal Interchange). Ich gebe zu, das ist anfangs etwas lernaufwändig, aber es lohnt sich für viele Anwendungsbereiche, und die einfache Binsenweisheit “der erste (letzte) Akkord des Stückes ist die Tonart!”, trifft leider nicht immer zu.

3. Gehör

Gehen wir einmal davon aus, dass ihr mit Theorie und Harmonielehre vollkommen auf Kriegsfuß steht oder aber, die Session ist schon in vollem Gange, es gibt keine Noten und keiner kann euch sagen, in welcher Tonart das Stück steht, so ist das noch lange kein Grund aufzugeben, denn ihr habt euer Gehör und das ist ein sehr mächtiger Verbündeter!
Selbstverständlich könnt ihr auch einfach dem Bassisten auf die Finger schauen aber auch die Kombination von Zuhören und “Trial and Error” führt euch zum Ziel. Zunächst schnappt ihr euer Instrument und spielt eine Note – möglicherweise klingt diese Note falsch aber die gute Nachricht ist: nur einen Halbton rauf oder runter liegt dann der nächste richtige Ton. Habt ihr dieses “Herumprobieren” mit drei oder vier Tönen gemacht, kristallisiert sich schon so langsam ein kleiner Tonleiterfingersatz heraus und wenn dieser vollständig ist, habt ihr im Prinzip die Tonart!
Ich gebe zu, das erinnert ein wenig an das Spiel “Schiffe versenken” und es lässt sich auch nicht ganz vermeiden, dass ein paar anfängliche Töne daneben klingen, aber das ist nicht weiter tragisch, denn ein guter Leitspruch hierfür lautet: “Wenn du eine falsche Note gespielt hast, dann spiel sie zweimal und es klingt nach Absicht.”

4. Melodietöne des Stückes sind Tonleitertöne

Diese Methode ist im Prinzip die Wurzel der Improvisation und wurde bereits von beispielsweise Louis Armstrong so eingesetzt.
Angenommen ihr kennt die Melodie des Stückes, allerdings nicht die Tonart oder Tonleiter, so führt euch vor Augen, dass die Songmelodie ja logischerweise aus den Tonleitertönen des Stückes bestehen muss, denn sonst würde es falsch klingen! Das heißt im Umkehrschluss, dass ihr bereits einen Großteil der Tonleiter unter euren Fingern habt. Stellt euch die Frage: In welches Skalenpattern passt denn diese Melodie?
Die frühen Jazz-Improvisationen bis weit in die 20er und 30er Jahre waren nichts anderes als Variationen des Themas (=Melodie) und mit dieser Methode fahrt ihr immer gut, denn ihr gebt dem Zuhörer auch einen Bezug zur Melodie des Stückes. Fangt mit dem Thema an, variiert es und tastet auch an dieser Linie vor!
Ich wünsche euch gutes Gelingen bei eurer Tonleitersuche!

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(Bild: © Shutterstock / Roman Voloshin)

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