Overdrive-Pedale richtig einstellen – Overdrives sind wahre Tausendsassas und können in eurem Setup eine unglaubliche Fülle an Aufgaben erledigen. Das fängt bei einem dezenten Push des Clean-Tons an und geht über geschmackvolle Break-Up-Sounds bis hin zu Medium- und High-Gain-Bretter, wenn man bereits einen zerrenden Amp vor sich hat. Allerdings muss man schon präzise wissen, welches Pedal was hergibt, und genau hier setzt dieser Workshop an. Aus diesem Grund betrachten wir fünf klassische Overdrives und wie man sie in freier Wildbahn richtig einsetzt.
Diese fünf Overdrives sind ganz subjektiv ausgewählt, aber es sind durchweg Klassiker, von denen sich der eine oder andere mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf euren Boards wiederfindet. Ein großer Vorteil der aufgeführten Modelle ist die überschaubare Anzahl an Regelmöglichkeiten und dass sie oder ihre Nachbildungen oft zum relativ kleinen Preis zu haben sind. In den Soundfiles hört ihr immer zuerst das cleane Gitarrensignal, anschließend werfe ich das Pedal mit den angegebenen Settings an.
Tubescreamer Style Overdrive-Pedale richtig einstellen
Der erste Tubescreamer TS808 erschien 1979 und wurde von Susumu Tamura entwickelt. Klanglich zeichnet sich dieser frühe Overdrive durch die Bassabsenkung und den sehr deutlichen Mittenboost bei ca. 732 Hz aus. Diese beiden Eigenschaften können zwar unerwünscht sein, wenn man z. B. einen eher transparenten Verzerrer sucht, der das Originalsignal unbefleckt lässt oder man das Lowend seines Amps unangetastet hören will. Dennoch kann man sich gerade diese beiden klanglichen Qualitäten sehr zunutze machen, wenn man sie geschickt einzusetzen weiß.
Das “Stevie Ray Vaughan” – Setting
Das erste Beispiel zeigt die klassische “Stevie-Ray-Vaughan”-Variante. Hier wird der Level-Regler und damit der Ausgangspegel auf ein Maximum aufgedreht und der Gain-Regler bleibt in der Minimalstellung. Dadurch holt man sich die Zerre aus der Vorstufe seines Amps und benutzt den TS als reinen Boost, der aber auch die Mitten betont und das Lowend aufklart. Den Tone-Regler kann man nun nach Geschmack tweaken, wobei der Sweetspot des TS eher zwischen 11 und 13 Uhr liegt. Darüber wird es schnell giftig. Im Beispiel hört ihr eine Strat über einen Fender Bassman.
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Overdrive | Tone | Level |
Min | 12:00 | Max |
Rhythm- und Lead-Boost vor einem angezerrten Amp
Für das nächste Beispiel kommt eine Les Paul und ein bereits leicht verzerrter Marshall JTM45 zum Einsatz. Hier möchte ich einen klaren Zerr-Boost erreichen und meinen Amp quasi um einen weiteren Gain- bzw. Leadkanal erweitern. Zu diesem Zweck darf ich mit dem Gain etwas höher gehen und drehe zusätzlich den Level-Regler für einen ordentlichen Ausgangspegel auf, um die Ampzerre noch etwas in die Höhe zu treiben. Auch hier bleiben meine Bässe schön klar, was ja bei höheren Gainwerten und vor allem bei Leads ein gewünschter Effekt ist.
Overdrive | Tone | Level |
12:00 | 12:00 | 15:00 |
Djent-Sounds kerniger und mit tighteren Bässen gestalten
Wer denkt, dass der Tubescreamer nur für Mid-Gain-Blueser geeignet ist, irrt, denn auch im Metal leistet der grüne Kobold wertvolle Dienste. Hier wird er gerne eingesetzt, um bei High-Gain-Sounds das Gitarrensignal etwas tighter, kerniger und kompakter zu gestalten. Das Ergebnis ist dabei gar keine so drastische Klangänderung, aber der Sound wird mehr “chuggy” und die Bässe bleiben definiert. Ihr hört eine Les Paul über einen Peavey 5150.
Overdrive | Tone | Level |
Min | 12:00 | 12:00 |
Den Boss SD-1 richtig einstellen
Der Boss Super Overdrive SD-1 erblickte 1981 als Nachfolger des OD-1 das Licht der Welt. Hier gesellte sich ein zusätzlicher Tone-Regler hinzu, der dem OD-1 fehlt. Davon und von möglicherweise leicht abweichenden Bauteilwerten abgesehen sind die Pedale jedoch weitgehend identisch. Auch wenn sich der SD-1 klanglich leicht vom TS-Sound unterscheidet, kann man hier ähnliche Arbeitsbereiche ansetzen wie beim Ibanez-Klassiker. Prinzipiell klingt der SD-1 aufgrund des asymmetrischen Clippings einen Hauch rauer, hat mehr “Grit” und die Potis sind etwas flexibler.
Plexi-artige Sounds aus einem cleanen Amp gewinnen
Ein mittiges Setting vor einem cleanen Amp bringt eine moderate, ampartige Zerre, die sich sowohl für kernige Rhythmsounds als auch crunchige Leads eignet. Hat euer Amp etwas Marshall-DNA, wie z. B. ein Bassman, Bassbreaker oder ein JTM45, kann man ihm tolle Classic-Rock und plexi-artige Riffs entlocken. Ihr hört einen Bassman und eine Fender Strat!
Level | Tone | Drive |
12:00 | 13:00 | 12:00 |
Boosten eines bereits verzerrten Amps
Wie der TS ist auch der SD-1 ein hervorragendes Boostpedal, wenn es darum geht, einem ohnehin schon zerrenden Amp etwas mehr Gain und einen anderen Charakter zu entlocken. Hier gilt ein ähnliches Prinzip: Gain runter und Output Level hoch! Auch beim SD1 gibt es den Basscut, aber das Ergebnis ist etwas weniger “smooth” als beim TS.
Level | Tone | Drive |
Max | 13:00 | 9:00 |
Straffere Bässe für Metal-Sounds
Nun kommt ein Peavey 5150 und eine Les Paul zum Einsatz. Auch der SD-1 wird gerne im Metal eingesetzt, um das Lowend etwas tighter zu gestalten und dem Klang mehr Aggressivität zu verleihen. Sinn und Zweck sind hier ähnlich wie beim Tubescreamer, aber das Ergebnis zeigt sich in den Nuancen minimal anders. Übrigens war der SD-1 bzw. OD-1 das Boostpedal von Kirk Hammett auf Metallicas “Kill ’em all“, aber auch Zakk Wylde blies damit seinen 800er Marshall an!
Level | Tone | Drive |
15:00 | 14:00 | 8:00 |
Den Boss BD-2 richtig einstellen
Ein weiteres sehr beliebtes Pedal aus dem Hause Boss ist der Blues Driver BD-2, der 1995 erschien. Dieser zeigt sich als Stand-Alone-Zerrer etwas vielseitiger als der TS oder SD-1, weil er mehr Ausgangsreserven bietet und die Mitten eher transparent, wenn nicht sogar minimal gescoopt sind. Der BD-2 reagiert ebenfalls ganz hervorragend auf das Volume-Poti eurer Gitarre und klaut auch weniger Bass.
Cleansounds definierter und kompakter gestalten
Im ersten Beispiel hört ihr eine Strat über einen Fender Bassman und mein Ziel ist es, lediglich meinen cleanen Sound etwas griffiger werden zu lassen und ihm gleichzeitig etwas “sparkle” unterzujubeln. Hierzu lasse ich das Gain-Poti etwas weiter unten, das Volume-Poti mittig und den Tone-Regler drehe ich sogar leicht zurück, da das Pedal ohnehin mit Höhen nicht geizt.
Level | Tone | Gain |
12:00 | 11:00 | 9:00 |
Zerrenden Amp um einen Leadkanal erweitern
Auch vor bereits zerrenden Amps sorgt der BD-2 für mehr Definition und eine hellere Zerrcharakteristik. Die Bässe bleiben schön dick und das Gesamtergebnis ist ein sehr cremiger Drive-Ton, wie man ihn von frühen Clapton-Aufnahmen kennt. Ich benutze hier eine Les Paul über einen nur schwach zerrenden JTM45. Das Aktivieren des Pedals hat fast den Effekt, als ob ich den Gain des JTM auf Anschlag gedreht hätte.
Level | Tone | Gain |
12:00 | 14:00 | 13:00 |
Der dicke Andy Timmons Clean-Ton
Nun möchte ich euch zeigen, wie Andy Timmons den BD-2 einsetzt. Dieser verwendet einen cleanen Amp und will durch das Pedal lediglich etwas Break-Up und eine höhere Dichte erreichen. Ich setze hier eine Ibanez AT-10 mit dem Cruiser Pickup in der Halsposition ein und drehe mein Volume-Poti an der Gitarre minimal zurück. Dieses Beispiel verdeutlicht gut, wie dynamisch das Pedal auf Spielnuancen eingeht und wie man von vollkommen clean bis zu bluesigem Crunch alles nur mit Potiarbeit umsetzen kann.
Level | Tone | Gain |
14:00 | 12:00 | 13:00 |
Klon Typen Overdrive-Pedale richtig einstellen (JRAD Archer)
Den J.Rockett Archer verwende ich hier stellvertretend für alle Klon-Style-Pedale, die der Markt bietet, also ist alles, was ihr hier hört, mehr oder weniger auch auf die Pedale anderen Hersteller anwendbar. Das Archer wurde 1990 von Bill Finnegan entwickelt und liegt technisch irgendwo zwischen Overdrive und Distortion, auch wenn es klanglich sicherlich eher zur ersten Kategorie gezählt werden darf. Je nach Setting arbeitet der Klon entweder wie ein “always-on” Cleanboost oder wie ein dezentes, nahezu transparentes Overdrive-Pedal, wobei hier schon eine deutliche Mittenanhebung zu verzeichnen ist.
Clean-Ton mit leichtem Push und mehr Definition
Wenn es nur darum geht, eurem Cleanton einen subtilen Push und Griffigkeit zu verleihen, könnt ihr das Gain-Poti des Klons auf einen Minimalwert setzen. Das Ergebnis ist eine dezente Kompression, die euer Signal etwas mehr nach vorn holt. Dieses Setting eignet sich übrigens auch hervorragend für jazzige Töne und Hollowbody-Gitarren, aber auch matt klingende Amps werden so deutlich aufgewertet und erfahren eine Klangveredelung. User, die den Klon als “always-on”-Pedal einsetzen, nehmen häufig genau dieses Setting. Ihr hört eine Les Paul über einen Fender Bassman.
Output | Gain | Treble |
11 | Min | 13:00 |
Der Jeff Beck Lead Tone
Hohe Gainwerte geben euch einen schönen mittenbetonten Sound, der einen leichten “Honky-Quäk” hat. Diesen Effekt kennt man z. B. von Jeff Beck, der zwar einen leicht modifizierten Klon verwendet, aber auch die Standardausführung wird euch dieses Ergebnis liefern. Ich verwende eine Ibanez AZ über einen Fender Bassman.
Output | Gain | Treble |
11:00 | 15:00 | 11:00 |
Einem zerrenden Amp einen fetten Lead Tone entlocken
Habt ihr nur einen einkanaligen Amp zur Hand, eignet sich der Klon hervorragend dazu, eurem Verstärker einen fetten Leadkanal zu entlocken. Der Sound kann je nach Gainsetting mehr Verzerrung bekommen, aber vor allem profitiert ihr im Mix von den durchsetzungsfähigen Mitten. Die Entscheidung liegt hier ganz bei euch: Wollt ihr Klon-Zerre, dann erhöht den Gain und lasst den Output mittig. Wollt ihr hingegen die Zerre aus eurem Amp, dann benutzt weniger Gain und stellt den Output höher.
Output | Gain | Treble |
11:00 | 14:00 | 13:00 |
Den Nobels ODR-1 richtig einstellen
Der ODR-1 wurde 1993 von Kai Tachibana für Nobels mit dem Ziel entwickelt, im Gegensatz zu den meisten damals erhältlichen Overdrives keine allzu starke Mittenanhebung oder Beschneidung der Bässe zu generieren. Geboren war die Idee des natürlichen, transparenten Overdrives. Die Beliebtheit des “Green German Pedals” spricht für sich, denn schon bald wurde es in der Studioszene zu einem heißen Insider-Tipp. Der Haupteinsatzbereich des ODR-1 ist sicherlich das Zusammenspiel mit Singlecoils, denn diese werden im Bassbereich ordentlich angedickt und alles klingt voluminöser und bekommt viel mehr Fundament. Auf den Kritikpunkt, dass das ODR-1 Humbucker im Lowend zu mächtig macht, reagierte Nobels mit einem schaltbaren Basscut, den ich jedoch in den Folgebeispielen nicht aktiviere.
Den Clean-Ton mit Singlecoils andicken
Das erste Beispiel bleibt vollkommen clean und mein Ziel ist es, die Singlecoils meiner Tele fetter werden zu lassen. Im Ergebnis klingt das fast so, als hätte ich dickere Saiten aufgezogen. Für diesen Sound belasse ich den Drive-Regler auf dem Minimalwert, erhöhe den Level ganz leicht und hole mir über den Spectrum-Regler etwas Höhen zurück. Der verwendet Amp ist ein Fender Bassman.
Drive | Spectrum | Level |
1:00 | 7:00 | 7:00 |
Crunchige Southern Rock Tones mit Singlecoils
Geht man nun mit dem Drive etwas höher, erhält man crunchige Southern-Rocksounds, die den Singlecoils viel Autorität verleihen. Die große Leistung des ODR-1 ist jedoch, dass der Twang und die Spritzigkeit trotzdem erhalten bleiben.
Drive | Spectrum | Level |
3 | 8 | 5 |
Den ODR-1 in einen Fuzz verwandeln
Der Spektrum-Regler arbeitet beim ODR-1 extrem effektiv und ist mit dem Tone-Poti des TS oder SD-1 nicht zu vergleichen. Vielmehr handelt es sich hier um eine Doppelfilterschaltung, die nicht nur die Höhen, sondern gleichzeitig die unteren Mitten bei ca. 300 Hz bearbeitet. Dreht man ihn auf den Maximalwert und reißt den Drive voll auf, erhält man sogar fuzz-artige Klänge im Stile des Big Muffs. Bei Singlecoils empfiehlt es sich, den Tonregler an der Gitarre minimal zurückzunehmen.
Drive | Spectrum | Level |
Max | Max | 3 |
Ich hoffe, der Artikel hilft euch dabei, die Wunschsounds aus euren Pedalen zu zaubern und wünsche euch gutes Gelingen!
Maik Fuhrmann sagt:
#1 - 28.06.2023 um 18:51 Uhr
Wenn mich nicht alles täuscht, sind beim BOSS Blues-Driver die ersten beiden Audios vertauscht.
Doomsday sagt:
#2 - 28.06.2023 um 19:31 Uhr
Das erste Soundbeispiel für den Bluesdriver ist völlig falsch, das ist ein Metal-Sound. Ansonsten finde ich den Ansatz des Artikels insgesamt fragwürdig: seit wann gibt es "richtig eingestellte" Pedale? Einfach nur klassischen, zig-tausendfach durchgenudelten Sounds irgendwelcher Promis nachzueifern, würde ich nicht als "richtig" bezeichnen. Ich benutze meinen Blues Driver übrigens mit Gain auf Vollanschlag, da kommt man schon ins Fuzz-Terrain. Warum? Weil ich das so richtig finde.^^
Haiko (Bonedo) sagt:
#3 - 28.06.2023 um 19:35 Uhr
Danke für den Hinweis! Das entsprechende File wurde korrigiert!
Sebastian aus Berlin sagt:
#4 - 30.06.2023 um 10:32 Uhr
Danke für diese tolle Einführung in die klassischen Overdrives und welche Charakteristiken damit möglich sind, wieder was gelernt. Die Beispiele sind auch schön eingespielt. Wirklich gut gemacht.
Orange 1971 sagt:
#5 - 15.07.2023 um 19:10 Uhr
Es ist wie mit allem : Jeder sieht respektive hört es anders. In der Musik gibt es kein falsch oder richtig, nur der persönlich Geschmack. Soll heißen : Was wie eingesetzt wird , in diesem Falle Overdrive Treter ist dem persönlichen Geschmack unterworfen. Genau so ist es mit dem übrigen Musiker-Equipment, dass in seiner unüberschaubaren Vielzahl unendlich viele Sounds möglich macht. Allein er persönliche Geschmack entscheidet darüber was gefällt. Letztendlich ist der Mensch der diese Musik, diese Sounds kreiert der entscheidende Faktor. Finden diese Sounds, diese Songs gefallen bei anderen ist das eigentliche Ziel erreicht. Die Mittel die dazu notwendig sind, das angewendete Equipment sind nur zweckdienlich. Musik zu erschaffen gelingt nur dem Musiker, dem Menschen der dieses Equipment dafür benutzt.