Praxis
Hat hier jemand gelacht? Oder hat sich an die Stirn gefasst und gedacht „Au Mann. So ein unflexibles Spielzeug braucht ja wohl niemand.“? Bitteschön, das kann man denken, ich tue das jedenfalls nicht. Ich kann auch mit einem Satz erklären, warum: Dieses Brilliance Pack klingt einfach unfassbar genial! Bedenkt man, dass Höhen ein diffiziles und bisweilen teuer erkauftes Frequenzband sind, so ist es nur folgerichtig, sich angemessen um die passende Auswahl der Werkzeuge zu kümmern, mit denen man es fein austarieren möchte. Ihr Grundcharakter erinnert im Boost schon etwas an Pultec-Designs, zeigt jedoch etwas weniger „Richness“ und eine gewisse, vornehme Mattigkeit. Das leicht britzelige Reiben fällt bei der transformatorlosen 127-Box so gut wie komplett weg, doch ist auch sie weit davon entfernt, hart und eckig zu klingen. Etwas „frischer“ wirkt die Bearbeitung mit der grünen Kiste jedoch! Auch bei vollem Boost von 10 dB läuft man nicht Gefahr, kratzenden oder aggressiven Klang zu erzeugen, alle drei Plugs sind deutlich gutmütige Kollegen – ohne auf der anderen Seite dazu zu neigen, indifferent und wenig greifbar zu werden. Was generell im Umgang mit EQs stark auffällt und dem mit den Brilliance-Paketen von Softube insbesondere, ist, dass sich höhere Samplerates deutlich bezahlbar machen – schließlich ist man bei der Nutzung des 10kHz-Bandes bei 1/4 Samplefrequenz, also eine Oktave unter der notwendigen Anti-Aliasing-Filterung bei der Wandlung.
Der 10k-Boost gefällt besonders, vor allem bei der Verwendung von Vintage-Equipment unterschiedlicher Art. Viele dynamischen Mikrofone, aber auch Amps und Cabinets liefern ab dem hohen einstelligen Kilohertzbereich nur noch wenig Energie. Geht man mit einem High-Shelf zu Werke, zieht man vor allem hochfrequentes Rauschen hoch und erzeugt schnell einen künstlich auf modern getrimmten Klang. Liegt man etwas weiter unten mit der Mittenfrequenz einer Bell-Charakteristik, sieht die Welt schon besser aus. Hier zeigt sich auch, weshalb oft die grüne 127-Version besser geeignet scheint: Durch den Übertrager kommt etwas mehr Farbe in den Höhenbereich (auch bei den beiden tieferen Frequenzen sehr schön!), sie werden griffiger. Ein Signal eines recht höhenarmen Coles 4038 kann ganz besonders davon profitieren. Bei Vocals finde ich zudem die Wählfrequenz von 10 kHz der EMI-Geräte oft deutlich praktischer als die 7,2 kHz des Neve 1073 oder seinen 12k-Shelf. Nun hat ein 1073-Bell auch einen 4,8kHz-Punkt, den man beim 127 aus oben genannten Gründen schmerzlich vermisst – aber hier kommt der RS135 ins Spiel, der diese Aufgabe hervorragend gut löst. Doch leider, leider kann er nur boosten, zum Entschärfen gerade „deutscher“ Stimmen würde ich mir einen negativen Bereich wünschen. Aber Softube kann man diesen Umstand kaum ankreiden, schließlich wurden diese Layouts vor fünfzig Jahren gemacht, und deren Erfolg spricht für sich.
Tatsächlich wurden die drei EQs ständig eingesetzt, der Legende nach auf Sgt. Pepper sogar auf jedem Signal. Sehr oft genutzt wurde in den 1960ern und 1970ern der volle 10k/10dB-Boost auf Drum-Mikros (was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass vor allem AKG D20, D19C, STC 4033 und 4038 benutzt wurden). Zwar haben Bandmaschinen Emphasis- und De-Emphasis-Filter, doch ist es nicht unüblich gewesen, mit einer leichten Höhenanhebung zusätzlich etwas zu buffern – die RS127 kamen auch beim Transfer (also im Mastering) und im Mix in der Summe zum Einsatz, ferner im Reverb-Send. Wie man es auch dreht und wendet: Trotz ihrer recht starren Struktur sind die Pakete flexibler einsetzbar, als man zunächst vielleicht denken mag. Klar: Als Sibilance Controller wird sie kaum jemand einsetzen wollen, doch lohnt es sich, bei der Arbeit im Kilohertzbereich immer mal wieder, an die AR-Plug-Ins zu denken. Sicher: Sie sind Soundmaker und deswegen auch nicht immer passend, aber manchmal ist es genau das kleine Etwas, was das Klangergebnis ein wenig „teurer“ macht. Den EQ-Reigen aus Neve-, API-, Pultec- und SSL-Plug-Ins oder ihren virtuellen Pendants erweitert Softube um neue Facette mit eigenem Charakter.
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Die Brilliance-Boxen sind ein echter Gewinn, vor allem, wenn man die Klangwelten der Beatles, Pink Floyd und den vielen anderen Größen, die Musik- und eben auch Tontechnikgeschichte geschrieben haben, mag. Softube sollen mal ruhig weitermachen, auch die vermeintlichen Kleinigkeiten aus den Abbey-Road-Studios zu modellieren, es gibt ja noch die 8196Hz/+4dB-Box, diverse Hochpassfilter, Phase-Shifter und dergleichen. Von mir aus müssten sie damit erst kurz vor dem Modelling der Original-Schreibtischlampen in den Dispo-Büros des Studios aufhören. Aber auch für Nicht-Abbey-Road-Fans, sofern es sie gibt: Das Softube-Paket liefert eine Variation im Präsenz- und Höhen-Equalizing, die man so tatsächlich nicht noch einmal auf der Welt findet.
Was wirklich ebenfalls hervorragend ist, ist der Umstand, dass alle drei Plug-Ins so gut wie latenzfrei arbeiten und – nicht unwichtig, wenn man sich die Aussage zu Sgt. Pepper zu Herzen nimmt und bei aktuellen Track-Counts ähnlich vorgehen will – enorm sparsam mit den Processing-Ressourcen umgehen. Aber hervorragend optimierten Code kennt man nicht anders von den Schweden.