Als die Eagles im Jahre 1976 das Grammy-prämierte Album “Hotel California” veröffentlichten, spielte sich der Titeltrack unmittelbar in die Liste der “Alltime Evergreens” des letzten Jahrhunderts und rangiert noch heute im Ranking des Rolling Stone unter den “Greatest Songs of all times” auf Platz 49.
Insbesondere für uns Gitarristen liefert dieser Meilenstein ein riesiges Arsenal an wunderschönen und sehr interessanten Gitarrenparts. Das für einen Radiohit relativ lange Gitarrensolo wirkt geradezu wie eine Enzyklopädie treffender melodischer Phrasen und Musikalität und zeigt, wie interessant zwei Gitarristen zusammen spielen können.
Die Saitenfraktion wurde bei “Hotel California” durch Joe Walsh und Don Felder vertreten, zwei Gitarristen, die nach dem “country-esken” Einstieg der Eagles – ursprünglich die Backing Band von Linda Ronstadt – eine eher rockigere Richtung einleiten sollten. Don Felder benutzte für die Aufnahme eine 59er Les Paul, die er ziemlich straight durch einen schnuckeligen Fender Tweed Deluxe (auch bekannt unter Namen wie 5e3) schickte, der vermutlich wie damals üblich mit einem 12″ Jensen P12Q oder P12R Speaker bestückt war. Dieser Amp ist dafür bekannt, bei weiterem Aufreißen in eine angenehm warme Zerrung zu gehen, so wie wir sie auch bei “Hotel California” hören.
Sein Kollege Joe Walsh entschied sich bei der Wahl der Waffen für eine Fender Telecaster, die er jedoch ebenfalls durch einen 59er Fender Tweed Deluxe schickte. Ganz klar ist bei Joe Walsh zum Andicken des Sounds ein “Phaser”-Effekt wahrzunehmen, wie ihn z.B. auch Eddie Van Halen wenige Jahre später benutzen sollte. Das genaue Fabrikat ließ sich leider nicht recherchieren, es deutet jedoch einiges darauf hin, dass es sich um einen MXR Script Phaser handelte.
Das Besondere bei diesem Solo ist die sehr elegante Call and Response Aufteilung der beiden Gitarristen. Don Felder übernimmt den Anfang und soliert acht Takte, gibt dann an Joe Walsh ab, der ebenfalls acht Takte spielt. Anschließend übernimmt wieder Don Felder mit vier Takten und Joe Walsh entgegnet mit ebenfalls vier Takten. Zum Abschluss münden beide in einem zweistimmigen Gitarrenpart, der in der Dreiklangs-Arpeggiosequenz endet, die am Schluss bis zum Fade Out wiederholt wird.
Werfen wir nun einen Blick auf die Akkordprogression, die man landläufig auch gerne “spanische Akkordfolge” nennt.
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||: Bm | F#7 | A | E7 | G | D | Em | F#7 :||
Das Stück bewegt sich in Bm, allerdings ist die Progression mit zahlreichen Zwischendominanten angereichert wie z.B. F#7 oder E7. Interessanterweise werden diese Zwischendominanten erst hinter dem Akkord nachgereicht, in den sie sich auflösen würden (z.B. F#7 nach Bm oder E7 nach A). Wer sich für das harmonische Phänomen der Zwischendominanten interessiert, dem sei an dieser Stelle nochmals mein Harmonielehre-Workshop ans Herz gelegt.
Besonders macht dieses Endsolo jedoch, wie elegant Walsh und Felder auf die jeweilige große Terz der Dominanten hinspielen und den eigentlich skalenfremden Ton somit gekonnt zum Ausdruck des Akkordwechsels nutzen. Das ist wirklich sehr schön gelöst und verleiht dem Solo dieses unfassbare Melodiöse. Auch der geschickte Einsatz von Countrybendings, Halbtonbends bis hin zu Kleinterzbends geben den Melodien ein interessantes Timbre, das irgendwo zwischen Rock und Country liegt. Der Fade Out-Schluss des Solos besteht im Prinzip aus dem Spielen der zugrundeliegenden Dreiklangsarpeggios, wobei jeweils der tiefste Ton des Arpeggios am Ende der Phrase eine Oktave höher wieder angeslidet wird. Der zweistimmige Effekt entsteht durch das Spielen des gleichen Dreiklangsarpeggios, allerdings eine Umkehrung versetzt (spielt Felder z.B. die Grundstellung, so spielt Walsh die erste Umkehrung).
Genug Theorie, ab in die Praxis! Hier zunächst das komplette Solo, das ich auch mit zwei Gitarren (nämlich einer Les Paul und einer Tele) und in zwei Spuren gespielt habe. Als Amp habe ich einen virtuellen Fender Tweed Deluxe und einen Phaser für den Walsh-Sound benutzt:
Hier das Playback einmal komplett ohne Gitarren:
Das Playback nur mit der Felderschen Gitarre:
Das Playback nur mit der Walshen Gitarre:
Hier findet ihr die Noten zum Solo, wobei ich die Gitarren von Joe Walsh und Don Felder getrennt notiert habe:
Don Felder:
Joe Walsh:
Als kleine Soundanregung, möchte ich euch noch ein paar Einstellungen für den Amp und den Phasereffekt ans Herz legen, wie sie z.B. in GuitarRig aussehen könnten:
Viel Spaß beim Jammen und bis demnächst !
Harringer sagt:
#1 - 31.05.2015 um 12:27 Uhr
Leider wird hier meiner Meinung nach zu wenig gelobt. Sehr gut gemacht, klasse Tracks und wirklich hilfreich beim Üben. Weiter so.
Haiko Heinz sagt:
#1.1 - 01.06.2015 um 09:33 Uhr
Vielen Dank - das freut mich sehr!
Antwort auf #1 von Harringer
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenTom Haubner sagt:
#2 - 08.06.2015 um 12:03 Uhr
Sehr cool aufbereitet!
Das Hotel California Solo ist meiner Meinung nach echt eines der absolut geilsten Soli der Gitarrengeschichte ... und es ist tatsächlich so viele Jahre her, dass ich es mal rausgehört habe, dass ich momentan gar nicht mehr komplett spielen könnte. Dieser coole Artikel ist doch also direkt mal ein Anlass, es mir vieder drauf zu schaffen. Vielen Dank dafür :-)
Dirk sagt:
#3 - 02.09.2016 um 22:22 Uhr
Wirklich Klasse!
Cane Lobster sagt:
#4 - 30.10.2016 um 21:15 Uhr
Hammer Solo! Danke für die Tabs und die Soundfiles. An anderer Stelle muss man dafür Geld bezahlen. Fetter Service von Euch. Weiter so!