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Solo spielen über verminderte Akkorde

In der heutigen Folge wollen wir uns mit einem Akkordtyp beschäftigen, der zwar auch häufig im Pop und Rock vorkommt, wesentlich regelmäßiger jedoch in Jazz- und Fusion-Tunes: der verminderte Vierklang.

(Bild: © Shutterstock / Irina Sergeyeva)
(Bild: © Shutterstock / Irina Sergeyeva)


Wer sich mit dem Greifen und der Theorie hinter diesem Akkord noch etwas schwer tut, dem seien an dieser Stelle die Workshops “Kreatives Rhythmus Gitarrenspiel #1 Vierklänge” und “Harmonielehre Workshop #9 Verminderte Akkorde / Diminished Chords” ans Herz gelegt, in denen solche Punkte geklärt werden.
Für Verwirrung und Uneinigkeit sorgt häufig die Frage, welches Tonmaterial zur Anwendung kommt, wenn man über diesen Akkordtypus improvisieren soll. Viele Gitarristen meiden das Spielen über diesen Vierklang oder verwenden das verminderte Arpeggio, das natürlich immer funktioniert. Allerdings begegne ich häufig auch Gitarristen, die gerne etwas tiefer in den Topf der Skalentöne langen möchten und sich nach mehr Gestaltungsmöglichkeiten sehnen. Die Frage nach der richtigen Skala ist sicherlich nicht ganz einfach und pauschal zu beantworten, weshalb wir uns heute dem Solieren über diesen sehr speziellen Akkord widmen wollen.

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1. Der Diminished Akkord als Dominantvertreter in einer Mollkadenz

Vielleicht sollte man gleich zu Beginn erwähnen, dass vieles, was unter “Verminderter Akkord” läuft, eher als Stellvertreterakkord für einen Dominantseptakkord wahrgenommen wird. Dieser Fall begegnet uns gehäuft, wenn sich ein Dominantseptakkord quintfällig in eine Molltonika auflöst, z.B. ein E7 löst sich in einen Am-Akkord auf.
Betrachten wir z.B. folgende Akkordfolge:

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Akkordfolge

Lege ich nun die Terz G# in den Bass, lande ich bei:

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Terz im Bass

Nun ist der Schritt zu einem verminderten Akkord nicht mehr weit. Denn wenn ich die b9 als sehr gut klingende Optionsnote zum E7 hinzufüge und den Grundton weglasse, steht am Ende ein G#07:

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Verminderter Akkord

Rein funktional bin ich hier immer noch bei einem E7-Akkord und würde als Tonleiterwahl E HM5 (bzw. Phrygisch-dominant, Flamenco, etc.) spielen, oder anders ausgedrückt: die Harmonisch Mollskala des Zielakkordes, also A Harmonisch Moll.
Diese Methode hört man oft bei neoklassischen Gitarristen wie Ritchie Blackmore, Randy Rhoads oder Yngwie Malmsteen, häufig auch in Kombination mit diversen verminderten Arpeggio-Runs, da die Harmonisch Moll-Skala ja auch einen verminderten Vierklang auf der VII. Stufe beherbergt.

2. Der verminderte Akkord als eigenständige Funktion

Kommen wir nun zu einer etwas genaueren und umfassenderen Einteilung dieses Akkordtypus. Dazu gehen wir von der übergeordneten Tonart C-Dur aus und betrachten die Stufenakkorde:
Cmaj7 – Dm7 – Em7 – Fmaj7 – G7 – Am7 – Bm7b5
Verminderte Akkorde begegnen uns innerhalb einer Tonart in diversen Kompositionen jeweils einen Halbton unter den Hauptdreiklängen C, F und G, d.h. wir erhalten B07, E07 und F#07.
Bedenkt man nun, dass bei einem 07 Akkord jeder Ton Grundton sein kann, führt uns das zu drei Funktionen multipliziert mit vier verschiedenen Positionen (Grundstellung plus drei Umkehrungen), also zwölf verminderten Akkorden pro Tonart.
Nun können diese verminderten Akkorde verschiedene Auflösungstendenzen haben:
a) Sie können als Vorhalt auf der gleichen Stufe sein wie der Zielakkord (z.B. C07 nach Cmaj7)
In diesem Fall spricht man von “Auxiliary Chords”, bzw. “Aux”, z.B. I Aux für den C07
b) Sie können einen Halbton unter dem Zielakkord sein (z.B. das oben erwähnte G#07 nach Am7).
Hier spricht man dann von “VII von Zielakkord“, also in diesem Fall “VII von VI”
c) Sie können einen Halbton über dem Zielakkord sein (z.B. Eb07 nach Dm7)
Dieser Fall tritt im Jazz häufig vor II-V-I Kadenzen auf, wie z.B. Eb07-Dm7-G7-Cmaj7 Da hier der Dm7 nur als Vorhaltsakkord für das G7 fungiert, erfüllt das Eb07 die Funktion der Umkehrung eines F#07, der sich in G7 auflöst. Da der Eb07 die dritte Umkehrung (Sekundstellung) des F#7 ist, benennt man den Akkord in diesem Fall (VII von II)2, sprich: “7 von 2 in Sekundstellung”.

3. Die Scales

Nähern wir uns nun jeder Funktion mal einzeln an und betrachten das Tonmaterial, das zur Verfügung steht. Hierzu möchte ich euch drei mögliche Skalen und eine denkbare Pentatonik vorstellen. Ihr seht alle sinnvollen Fingersätze und könnt euch die Tonleitern über eine Oktave gespielt anhören.
3.1. Die Ganzton-Halbtonleiter (auch Dominant Diminished, Octatonic oder Symmetrical Diminished genannt).
Hier handelt es sich um eine achttönige, symmetrische Skale, die, wie der Name schon sagt, aus abwechselnden Ganzton- und Halbtonschritten besteht. Dadurch gibt es für dieses Tonfeld auch nur zwei Modi, nämlich besagte GTHT-Skala, die über verminderte Akkorde eingesetzt werden kann und die HTGT-Leiter, die über Dominantseptakkorde verwendet wird. Die Skala ist aufgrund ihres Aufbaus in kleinen Terzen verschiebbar.
Hier findet ihr zwei mögliche Skalenpattern auf A:

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Skalenpattern auf A

3.2. Die Harmonisch Molltonleiter
Harmonisch Moll ist eine natürliche Molltonleiter mit erhöhter Septime (1 2 b3 4 5 b6 maj7) und beherbergt auf der VII. Stufe einen verminderten Akkord, der in verschiedenen Situationen gut Verwendung finden kann. Die Skala wird wahlweise HM VII oder “diminished b2b4” genannt.
Hier seht ihr die Skalenpattern in Am:

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Skalenpattern in Am

3.3. Die Harmonisch Dur Tonleiter
Bei dieser Skala handelt es sich um eine Durtonleiter mit erniedrigter Sexte, der Aufbau ist also: 1 2 3 4 5 b6 maj7
Auch in der Harmonisch Dur-Skala findet sich auf der VII. Stufe ein verminderter Akkord. Die Skala nennt sich wahlweise HD VII oder “diminished b2”.
Hier seht ihr die Skalenpattern für C Harmonisch Dur:

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Skalenpattern für C Harmonisch Dur

3.4. Die Moll b4 Pentatonik
Diese Pentatonik ist auf verschiedenen Stufen der oben genannten Skalen zu finden. Die Struktur ist: 1 b3 b4 5 7, d.h., die Skala hat eigentlich eine kleine und mit der b4 den Sound einer großen Terz. In der GTHT-Skala findet man vier mb4 Pentas und zwar auf der II., IV., bVI. und VII. Stufe, in Harmonisch Moll auf der V. und in Harmonisch Dur auf der III. Stufe.
Die Fingersätze für die Amb4 Penta sehen so aus:

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A Moll b4 Pentatonik

4. Die richtige Skala für die richtige Funktion
Kommen wir nun zurück zu unserer übergeordneten Tonart C-Dur und betrachten die oben erwähnten drei Möglichkeiten, auf denen der verminderte Akkord erscheint. Wenn wir das passende Tonmaterial aussuchen, müssen wir zwei Ziele verfolgen: Zum einen müssen die Arpeggiotöne des verminderten Akkordes in der Tonleiter abgebildet sein, und zum anderen sollten die restlichen Skalentöne so nahe wie möglich an der übergeordneten Tonart sein.
Das klappt meistens relativ problemlos, nur in der GTHT-Leiter finden wir ein paar Noten, die etwas dissonant klingen und daher mit Vorsicht behandelt werden sollten.
Im folgenden Abschnitt präsentiere ich euch eine kurze Solophrase zu jeder Funktion und zu jeder Tonleiter, sowie ein Playback, an dem ihr alle genannten Skalenmöglichkeiten ausprobieren könnt:

4.1. Familie B07 (beinhaltet: D07, F07, G#07)
Repräsentativ für diese Funktion wählen wir folgende Kadenz:

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Playback

– B (D,F,G#) Ganzton-Halbton (Achtung bei C# und A#)

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B (D,F,G#) Ganzton-Halbton

– A Harmonisch Moll bzw. B dimb2b4

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A Harmonisch Moll bzw. B dimb2b4

– C Harmonisch Dur, bzw. B dimb2

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C Harmonisch Dur

– Emb4 Pentatonik

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Emb4 Pentatonik

4.2. Familie E07 (beinhaltet: G07,Bb07,C#07)
Hier eine Kadenz mit dieser Funktion:

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Playback

– E (G,Bb,C#) Ganzton-Halbton (Achtung bei D# und F#)

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E (G,Bb,C#) Ganzton-Halbton

– D Harmonisch Moll bzw. C# dimb2b4

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D Harmonisch Moll bzw. C# dimb2b4

– F Harmonisch Dur, bzw. E dimb2

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F Harmonisch Dur, bzw. E dimb2

– Amb4 Pentatonik

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Amb4 Pentatonik

4.3. Familie F#07 (beinhaltet: A07,C07, Eb07)
Zuerst wieder eine Kadenz mit dem besagten Dim-Akkord:

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Playback

– F# (A,C,Eb) Ganzton-Halbton (Achtung bei Ab)

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F# (A,C,Eb) Ganzton-Halbton

– E Harmonisch Moll bzw. D# dimb2b4

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E Harmonisch Moll bzw. D# dimb2b4

– G Harmonisch Dur, bzw. F#dimb2

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G Harmonisch Dur, bzw. F# dimb2

– Bmb4 Pentatonik

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Bmb4 Pentatonik

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Flut an Möglichkeiten ganz schön erdrückend sein kann, aber ihr müsst natürlich nicht alle Varianten sofort auswendig parat haben. Sucht euch zunächst einen Skalentyp aus, der euch besonders zusagt und nähert euch dann den anderen Möglichkeiten. Die Moll b4 Penta ist ein guter Einstieg, da die Fingersätze sehr übersichtlich sind und Harmonisch Moll dürften auch schon einige von euch gespielt haben.
Eine tolle Eselsbrücke für die Skalenstufen ist z.B., dass die Harmonisch Dur-Skalen auf C, F und G (also den Hauptstufen) liegen, und die benannten Harmonisch Moll Skalen Am, Dm und Em sind und damit auf den Stufen der Mollparallelen zu finden sind.
Ich wünsche Euch viel Spaß mit den verminderten Akkordskalen!

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(Bild: © Shutterstock / Irina Sergeyeva)

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