Hallo geschätzte Gitarrenkollegen und willkommen zum siebten Teil meiner Dreiklangs-Workshopreihe.
In der letzten Folge haben wir uns mit allen möglichen Upper und Lower Structure Dreiklängen über verschiedenen Akkordtypen beschäftigt. Diesmal möchten wir uns nun gleich zwei verschiedene Dreiklänge pro Skala oder Modus herauspicken und sie genauer unters Ohr nehmen um herauszufinden, welche Sounds uns das wohl liefern mag. Zählt man die Töne zweier Triads zusammen, landen wir unwillkürlich bei der Zahl “sechs”, und bezogen auf die Durtonleiter mit ihren sieben Tönen entfällt genau einer davon.
Das ist jedoch nicht schlimm und eigentlich sogar gewünscht, denn wenn wir Sounds organisieren, kommt es nicht nur darauf an, was wir spielen, sondern auch auf das, was wir ganz bewusst eben nicht spielen (siehe z.B. auch die Pentatonik, die ja im Prinzip eine Durtonleiter minus zwei Noten ist), und genau durch dieses “Weglassen” entsteht eine gewisse Färbung bzw. Stimmung. Die Zahl “sechs” wird im Griechischen mit der Vorsilbe “hexa” beziffert (dem einen oder anderen werden bestimmt noch schlimme Erinnerungen an den Chemieunterricht hochkommen), weshalb man diese Organisationsform von zwei Dreiklängen entweder “triad coupling” bzw. “triadcouple” oder “Hexatonics” nennt.
Knöpfen wir uns zu Beginn die Durtonleiter vor: Bekanntermaßen erhalten wir dort folgende diatonische Dreiklänge:
C – Dm – Em – F – G – Am – B0
Rein theoretisch könnten wir natürlich jeden Akkord mit jedem anderen verknüpfen, allerdings erzielen wir das effektivste Ergebnis, wenn wir zwei Dreiklänge auswählen, die sich keine gemeinsamen Töne teilen. Würden wir z.B. C und Am zusammenstecken, erhalten wir c e g vom C- Dur und a c e vom Am, also insgesamt die Töne c e g a, die ein Am7 Arpeggios bilden und uns keinen wirklich neuen Sound liefern. Am Interessantesten wird es, wenn wir zwei benachbarte Dreiklänge in einen Topf werfen, da es dort nie zu Überschneidungen kommen wird.
Die Durtonleiter liefert uns folgende Möglichkeiten:
- Dur – Moll im Ganztonabstand (C- Dm bzw. G – Am)
- Moll – Moll im Ganztonabstand (Dm – Em)
- Moll – Dur im Halbtonabstand (Em – F)
- Dur – Dur im Ganztonabstand (F – G)
- Moll – vermindert im Ganztonabstand (Am – B0)
- vermindert – Dur im Halbtonabstand (B0 – C)
Keine Angst, wir brauchen nicht alle Varianten, und um diese Fülle an Möglichkeiten etwas einzuschränken, ändern wir unseren Blick nun auf die Akkorde, über die wir diese Hexatonics spielen wollen.
Beginnen wir mit der Tonika C-Dur. Wenn wir jedes Dreiklangspaar einzeln durchgehen, fällt uns auf, dass Arpeggios, die den Ton f beinhalten, fast immer irgendwie seltsam über den C-Dur Akkord klingen. Das darf uns allerdings nicht wundern, da wir in der Harmonielehrereihe gelernt haben, dass der Ton f über C-Dur eine sogenannte Avoid-Note ist.
Das bedeutet, dass wir jetzt als Voraussetzung für unsere Hexatonics folgendes zugrunde legen werden:
Für dich ausgesucht
- Die Triads sollen sich nicht überschneiden
- Die Triads sollen keine “avoid note” beinhalten
So reduzieren sich im Handumdrehen unsere Möglichkeiten über den C-Dur Akkord auf die Variante G – Am. Und wir können gleich noch einen Schritt weitergehen, denn für Stücke in Am gilt das Gleiche wie für Stücke in C-Dur: Auch für Am ist das f eine Avoid Note und somit ist die Hexatonik G – Am auch hier das Mittel der Wahl. Oder anders ausgedrückt: So wie C und Am sich auch beim Solieren die gleiche Tonleiter – sei es Durscale oder Pentatonik – teilen, so teilen sie sich auch die gleiche Hexatonik.
Hier ein kleines Beispiel für den sehr lyrischen Sound der “triadcouplings”:
1. G – Am über C-Dur:
2. G – Am über Am:
Natürlich können wir die Hexatonics als ganz gewöhnliche Skalenfingersätze betrachten, was in diesem Fall der C-Durtonleiter ohne f gleichkommen würde. Die Visualisierung der Shapes macht durchaus Sinn und anhand der Fingersätze lässt sich schon erkennen, dass diese neue Struktur sich irgendwo zwischen Pentatonik, Durscale und Arpeggio bewegt:
Um dem Sound näherzukommen erachte ich es jedoch für sinnvoller, die Dreiklänge (hier im Beispiel G – Am) “pendeln” zu lassen. Das heißt, wir spielen abwechselnd den einen und dann den anderen Triad in allen Umkehrungen. Als Ausgangsbasis nehme ich die C-Durtonleiter in fünf Fingersätzen und spiele die Dreiklangsarpeggios innerhalb der Pattern.
Hier Pattern 1:
Pattern 2:
Pattern 3:
Pattern 4:
Pattern 5:
Wie ihr bereits aus der letzten Folge wisst, ergeben sich für diese Zerlegungen die vier Bewegungsrichtungen steigend, fallend, ZickZack und ZickZack invers, was ich euch exemplarisch am Pattern1 aufzeigen möchte:
Die steigenden Dreiklänge habt ihr oben bereits gesehen, hier geht es in die fallende Richtung:
ZickZack:
und ZickZack invers:
Um das harmonische Potential der Hexatonics voll ausschöpfen zu können, würde ich euch empfehlen, die Dreiklänge auch mal “nicht-arpeggiert”, also als volle Akkordbilder über einen steady Akkordgroove, auszuprobieren. Das kann sowohl in Improvisationen als auch innerhalb einer Komposition sehr wirkungsvoll sein, hier ein Beispiel dazu:
In einem solchen Fall ist es natürlich ratsam, sich eher auf den höheren Saitensets zu bewegen, um dem Bass oder evtl. einem zweiten Harmonieinstrument nicht in die Quere zu kommen. Ein bekanntes Beispiel aus der Rock/Popwelt wäre z.B. das 12-String-Intro von “Dead or alive” von Bon Jovi, hier pendeln ein Dm und C-Dur Akkord über eine Bassnote D.
Oder auch beim Begleiten von Balladen bieten solche Dreiklangspendel tolle Möglichkeiten, um lang stehenden Akkorden etwas Variation einzuhauchen, wie z.B. in folgendem Fall:
Eine weitere Möglichkeit, die Hexatonics zu üben, wäre neben der dreitönigen Zerlegung in Form der Dreiklänge auch die zweitönige Zerlegung, denn oftmals sind zwei Noten des Dreiklangs vollkommen ausreichend, um den Sound zu etablieren. Aus diesem Grund würde ich euch auch raten, die zweitönigen Zerlegungen mitzuüben. Das sieht dann in aufsteigender Form folgendermaßen aus:
Pattern 1:
Pattern 2:
Pattern 3
Pattern 4:
Pattern 5:
Natürlich können wir auch diese Zerlegung in steigender, fallender, Zickzack und Zickzack invers-Manier üben.
Ähnlich wie auch im Pentatonikworkshop oder im Triadworkshop Folge 5, kann man sehr interessante rhythmische Effekte erzielen, wenn man die zwei- und dreitönigen Bausteine nach dem Zufallsprinzip variiert. Das solltet ihr anfangs vielleicht nur mit einem Metronom sehr langsam üben und später über einem Playback, und zwar in der Art, wie ihr es am Ende der Folge sehen und hören werdet.
Wenn ihr alle obigen Zerlegungen geübt habt, seid ihr innerhalb einer Tonart bereits sehr fit – dennoch empfehle ich euch, immer alles in allen Tonarten zu üben, um maximal flexibel zu werden.
Dazu erweisen uns die chromatischen Zufallsreihen unschätzbare Dienste:
D – F# – C – Bb – G – E – A – Db – B – Eb – F – Ab
Die obige Reihe markiert den zugrundeliegenden Akkord.
Die Schritte wären in diesem Fall:
- Ihr wählt einen Akkordtyp (wir haben nur maj7 und m7 momentan zur Auswahl)
- Ihr wählt eine Lage ( +/- einen Bund)
- 3. Ihr spielt die Reihe innerhalb der Lage durch, bei maj7 heißt die Formel: Dur – Moll Pärchen eine Quinte höher (z.B. bei C-Dur das G-Dur und Am Arpeggio), bei Moll lautet die Formel: Dur und Moll Pärchen einen Ganzton tiefer (bei Am(7) wäre das ebenfalls G und Am)
Dazu ein Beispiel:
Maj7 in der V. Lage:
Zum Festigen der Fingersätze und der Zerlegungen habe ich euch ein Playback vorbereitet, über das ihr konstant mit einer Hexatonic spielen könnt.
Die Akkordfolge lautet:
II: Dm I Dm C :II
Und prinzipiell funktioniert auch genau das Triadcouple C – Dm einwandfrei über die komplette Akkordfolge.
Das kann dann folgendermaßen klingen:
Playback:
Bei der folgenden Progression bleiben wir zwar innerhalb einer Tonart, sollten jedoch unsere Hexatonic über den entsprechenden Akkorden wechseln.
Die Progression lautet:
II: Am7 I Am7 I Fmaj7 I Fmaj7 :II
Für unseren Am7 verwenden wir gemäß unserer Formel das Triadcouple einen Ganzton tiefer, also G – Am. Beim Fmaj7 kommt das Triadcouple auf der Quinte, also C – Dm zum Einsatz, also zwei Takte G – Am und zwei Takte C – Dm.
Hier dazu ein Beispiel und euer Playback:
Natürlich sind die Beispieltracks reine Übungsstücke und selbstverständlich würdet ihr beim Solieren nie ausschließlich auf dieses Mittel zurückgreifen. Dennoch, beim Üben ist Übertreiben angesagt – wie viel man in der tatsächlichen Spielpraxis wirklich anwendet, ist natürlich dem eigenen Geschmack überlassen.
Und damit sind wir auch schon wieder am Ende einer Folge angelangt. Ich hoffe, es ist mir geglückt, euch diese neue Klangwelt näherzubringen und euer Spiel etwas zu bereichern. In der nächsten Folge schauen wir uns genauer an, was sich hinter dem Konzept des Triadcouplings außerdem versteckt und wie weit wir diese Idee treiben können. Auch hier gibt es noch einiges zu entdecken!
In diesem Sinne,
stay tuned,
Haiko