Modal charakteristische Intervalle
Am Ende des letzten Teils habe ich vorgeschlagen, ein wenig mit den Kirchentonarten zu improvisieren, um sich so mit dem Kolorit jeder Skala anzufreunden. Das folgende Stück von den Beatles, das gemessen an seinem Titel fast als Werbejingle für eine große Möbelhaus-Kette durchgehen könnte, hätte ohne weiteres aus einer solchen Improvisation hervorgehen können. Die Strophe, in der die Pilzköpfe eine Faszination für Inneneinrichtung verlauten lassen, besteht aus einem mixolydischen Thema, das über nur einem gehaltenen Akkord erklingt. Kadenzen gibt es also noch keine. Und wenn wir uns an den Klosterbruder aus der letzten Folge erinnern, so steht dieser auf der fünften Stufe der Treppe. Am Rande bemerkt: es gibt Theorien, dass es für alle und wirklich alle musiktheoretischen Vorgänge ein Beispiel in den Songs der Beatles gäbe.
Das Ohr ist von Natur aus sehr gemütlich veranlagt. Auf gut deutsch: es ist stinkefaul und neigt dazu, die Dinge so einfach zu hören, wie es nur geht, und das ist auch gut so. Um zu verstehen, womit unser phlegmatisches Hörorgan im Verlauf der Strophe von „Norwegian Wood“ konfrontiert wird, versetzen wir uns nun einmal in seine Situation und schalten den Slow-Motion-Modus an, um uns Schritt für Schritt durch die musikalische Innenausstattung des Songs zu tasten.
Von Anfang an klingt ein H-Dur Akkord, und daraus folgert unser Ohr gleich zu Beginn, dass die Musik sich im Bereich einer Dur Tonleiter bewegt. Alle Töne, die es auf den ersten Beats der Strophe hört, decken sich mit dieser Erwartungshaltung, und die beiden großen Terzen am Ende von Takt eins bestätigen es noch einmal: Wir befinden uns bisher in wunderschön schimmerndem reinem Dur. In der Mitte von Takt zwei aber wird die ganze Angelegenheit in eine andere (dunklere) Schattierung gerückt. Völlig unerwartet erklingt hier ein fremder Ton, nämlich eine kleine Septim, und das passt mit dem angenehmen Vorurteil überhaupt nicht zusammen. „In der Dur Tonleiter wäre die Septime groß – vielleicht geht es hier ja nur um eine chromatische Verzierung, einen Durchgang oder einen Vorhalt…“ könnte das Ohr jetzt mutmaßen. Dieser müsste aber gleich aufgelöst werden, und das passiert nun einmal nicht – die kleine Septim bleibt klein.
Diese harten Fakten lassen unserem Ohr exakt zwei Möglichkeiten: sich anzupassen oder zu rebellieren. Glücklicherweise sind unsere Lauscher tatsächlich sehr anpassungsfähig, und nur wenige Arten von Musik haben eine dauerhaft so verstörenden Wirkung auf das Ohr, dass es ins straucheln geraten und auf die Nase fallen würde. Einen Aufstand zu proben wäre ohnehin viel zu anstrengend, und so entscheidet es sich also dafür, sich der Musik mit Schicksalsergebenheit zu fügen. „Wenn dieser Ton nicht aufgelöst wird, dann soll er wohl hier sein und ist Teil einer zugrunde liegenden Tonleiter“ beschließt es in einem weiteren inneren Monolog, und die Welt ist wieder in Ordnung. Was dem Ohr im letzten Absatz passiert ist, lässt sich auch ein wenig akademischer ausdrücken. Die beiden Stammtöne der großen Terz und kleinen Septim sind die modal charakteristischen Intervalle der mixolydischen Tonleiter. Diese sind sozusagen die Farb-Töne, grenzen eine Kirchentonart von den anderen Kirchentonarten ab und sorgen für ihr bezeichnende modale Färbung.
Leitereigene Akkorde der Kirchentonarten
Es hätte auf Dauer wohl eine etwas monotone Wirkung, wenn man Kirchentonarten immer nur im Kontext von einem einzelnen Akkord anwenden würde, so wie das bei der Strophe von „Norwegian Wood“ der Fall ist. Zumindest die westlichen Ohren des 21. Jahrhunderts verlangen nach ein wenig mehr Action im Unterhaltungsprogramm, und die können wir ihnen auch anbieten. Dazu brauchen wir natürlich erst einmal leitereigene Akkorde, und diese lassen sich für die Kirchentonarten ganz genau so wie bei der Dur Tonleiter durch Terzschichtung ableiten. Wir bleiben dafür vorerst bei der mixolydischen Skala.
Sehen wir uns die Akkorde einmal genauer an: das modal charakteristische Intervall der großen Terz kommt bereits auf der ersten Stufe vor. Dass diese in Aktion tritt, ist natürlich eine Voraussetzung, da sonst kein Ohr der Welt auf den Gedanken käme, es handele sich um mixolydisches C. Die Septim findet sich dagegen nur als Teil der Akkorde auf der dritten, fünften und siebten Stufe – zumindest solange wir auf Dreiklangs-Basis bleiben. Wenn wir also mittels Harmonik artikulieren wollen, dass die Musik sich im „dunklen Dur“ der mixolydischen Skala bewegt, sollte wenigstens einer dieser modal charakteristischen Dreiklänge in unserer Kadenz vorkommen. Die dritte Stufe mit ihrem verminderten Akkord wäre allerdings nicht die erste Wahl, da dieser sehr spannungsreiche Klang auf unser zerbrechliches modales Tonfeld wie ein Schmiedehammer wirken kann. Der Tritonus zwischen Grundton und verminderter Quinte des Akkordes will aufgelöst werden, und zwar am liebsten zur ersten Stufe der Dur Tonleiter.
Unser Mönch aus der ersten Folge wird davon sozusagen von der Treppe gestoßen und kugelt zurück auf den Boden. Dies ist auch der Grund, warum der siebte Modus (lokrisch) für die meisten Bereiche außerhalb der Welt der avantgardistischen Experimente weitgehend unbrauchbar ist, denn dieser beherbergt einen verminderten Akkord auf seiner ersten Stufe. Der bloße Versuch einen lokrischen Popsong zu schreiben mündet für gewöhnlich in nächtelangem Zähneknirschen und Haareraufen. An dieser Stelle muss ich dir ein deutliches „Do Not Try This At Home“ mit auf den Weg geben.
Eine erste modale Kadenz
Mit dem folgenden Auszug möchte ich zeigen, dass nicht nur geschichtsträchtige Stücke aus der Pop-Antike, sondern auch aktuellere Welthits auf Kirchentonarten beruhen. Du hörst die erste Strophe des Songs „Clocks“ von der Band Coldplay. Prinzipiell sind Faktoren wie Groove oder Instrumentalbegleitung für die Audios in diesem Workshop nicht wichtig, da es uns hier um die destillierte kompositorische Essenz der Stücke geht – Melodie und Akkorde. In diesem Fall konnte ich aber nicht widerstehen, die kurze Intro mit der markanten instrumentalen Hookline vorzuschalten.
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Für dich ausgesucht
Wie man hört und sieht, werden hier leitereigene Akkorde aus Es mixolydisch verwendet, und wir dürfen uns freuen, denn diese formen die erste richtige modale Kadenz des Workshops. Genauer gesagt handelt es sich dabei um eine mixolydische I-V-II-I Kadenz, wobei die römischen Zahlen für die Stufen auf der Tonleiter stehen. Der modal charakteristische Dreiklang auf der fünften Stufe beinhaltet die so wichtige Septim der Tonart (des), die auch in der Melodie wiederholt verwendet wird. Die große Terz kommt in der Melodie der Strophe dagegen gar nicht vor, sondern wird für den später folgenden Chorus aufgespart. Nur der Dur Dreiklang auf der ersten Stufe sorgt also dafür, dass die Musik mixolydisch klingt. Hätte dieser statt einer großen Terz eine kleine Terz, dann wären wir in dem Modus, den wir als nächstes in Augen- und Ohrenschein nehmen werden, nämlich im dorischen Modus (bitte ausprobieren! In der Strophe funktioniert das sehr schön!). Vorher aber noch ein paar Anspieltipps für Songs mit mixolydischen Parts, über die ich im Verlauf meiner Recherchen gestolpert bin. Es gibt natürlich weit, weit mehr und wenn du einige weißt, würde sicher nicht nur ich mich freuen, in den Kommentaren zu diesem Workshop davon zu lesen.
Anspieltipps zu mixolydischen Songs/Parts
Die dorische Tonleiter
Schicken wir unser Ohr in ein neues Hörabenteuer: Diesmal geht es um das „helle Moll“ in der Welt der dorischen Skala, den zweiten Modus der Dur Tonleiter. Dazu hörst du zu Beginn einen Song von Sting, den der Songwriting-Aristokrat auf seinem zweiten Soloalbum „Nothing Like The Sun“ veröffentlichte.
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Die Prinzipien sind bei allen Kirchentonarten die gleichen, und dementsprechend gibt es auch hier modal charakteristische Intervalle. Die kleine Terz erinnert uns an das natürliche Moll der aeolischen Skala, die große Sexte (in aeolisch klein) stellt aber klar, dass wir in einer dorischen Tonart sind. Im Falle von „Be Still My Beating Heart“ geschieht das in der Melodie und auch in der Akkordbegleitung. Das lange gehaltene „cool“ im dritten Takt macht unserem Ohr unmissverständlich klar, in welchem Modus die Musik sich befindet. Die Harmonik ist für diesen Teil des Stückes eher sekundär, da die Akkordwechsel, wenn man es ein wenig patzig formulieren will, ein Pausenfüller für die Melodie sind. Trotzdem kommen wir jetzt aber natürlich noch zu den leitereigenen Akkorden der dorischen Tonleiter.
Wenn wir eine dorische Kadenz zusammenstellen wollen, brauchen wir, wie auch bei der mixolydischen Skala, zumindest einen der modal charakteristischen Dreiklänge. Diese finden sich auf der zweiten, vierten und sechsten Stufe, wobei auf der sechsten wieder ein verminderter Akkord steht, der für unsere Zwecke nur schwer zu gebrauchen ist. Die vierte Stufe ist dagegen mit Sicherheit die meistverwendete. Auch Emiliana Torrini verwendet sie in ihrem Hit-Song „Jungle Drum“.
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Die Abwesenheit von roten und grünen Farben in den Noten zu „Jungle Drum“ zeigt, dass die Melodie der Strophe sich sehr bedeckt hält, was Aussagen über eine umgebende Tonart angeht. Tatsächlich besteht sie nur aus drei Tönen, nämlich Quinte, kleiner Septim und Oktave der Tonart und macht damit nicht einmal eine Andeutung zu Dur oder Moll. Im Gegensatz zum letzten Beispiel liegt der modale Charakter also ausschließlich in der Akkordfortschreitung begründet: einer dorischen I-III-IV-I Kadenz. Dies ändert sich auch in der dritten Zeile nicht, bis als letzter Akkord ein H-Dur auf der fünften Stufe die Luft zum Schwingen bringt. Dieses sprengt sozusagen das Korsett der dorischen Skala und dient als Überleitung in den Chorus – für fünfte Stufen an sich kein ungewöhnliches Verhalten. Für die Gehörbildungs-Asse: Da in der Melodie an dieser Stelle ein e gehalten wird (die Quarte über dem H-Dur) habe ich mir aber erlaubt, ein H-sus4 zu spielen und so eine unangenehme Halbtonreibung zu vermeiden.
Anspieltipps zu dorischen Songs/Parts
Die lydische Tonleiter
Nicht ganz so häufig wie den mixolydischen oder dorischen Modus findet man in der Rock- und Popgeschichte die Anwendung der lydischen Skala. Trotzdem gibt es natürlich auch hier Beispiele. Eines davon wäre „Human Nature“, ein Song, der von John Bettis und Steve Porcaro (ja, dem Keyboarder von Toto) für Michael Jackson geschrieben wurde.
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Die modal charakteristischen Intervalle für den lydischen Modus sind die große Terz und übermäßige Quarte. Der Song, den der King of Pop Anfang der 80er Jahre für das Album „Thriller“ aufgenommen hat, stellt gleich zu Beginn der Strophe klar, dass wir uns in diesem Modus befinden. Schon im ersten Takt kommen in der Melodie beide modal charakteristischen Intervalle vor, und auch der Dur Akkord auf der zweiten Stufe enthält die übermäßige Quarte der Tonart. Bei der Kadenz der ersten drei Zeilen kommen regelmäßig Slash Chords zur Anwendung. Dabei handelt es sich um Akkorde, die über einen anderen Basston als den eigentlichen Grundton gespielt werden. In den meisten Fällen sind das Akkordumkehrungen, und diese können jederzeit eine Alternative zu den Grundstellungen der leitereigenen Stufen sein.
Die modal charakteristischen Dreiklänge stehen im lydischen Modus auf der zweiten, vierten und siebten Stufe, wobei auf der vierten wieder ein verminderter Akkord steht, der sich, wie erwähnt, nicht gut für modale Kadenzen eignet. Wenn sich nun eine Basslinie doch einmal über diese Stufe bewegen soll, wäre es eine Möglichkeit, den Spannungsgehalt des verminderten Dreiklangs durch eine Umkehrung eines anderen Akkordes zu umgehen. So könnten in C lydisch beispielsweise ein D-Dur oder ein H-Moll über einem fis im Bass stehen.
Die resolutere und eigentlich auch einfachere Variante, Slash Chords in modalen Kadenzen einzusetzen, besteht darin, ein Basspedal zu verwenden. Hierbei handelt es sich nicht etwa um einen effektbeladenen Bodentreter für Bassisten, sondern schlicht und einfach um einen dauerhaft gehaltenen Basston, auch Orgelpunkt genannt, der unabhängig von den Akkorden im seinem tiefen Register „stehen bleibt“. Dies war bereits in dem dorischen „Be Still My Beating Heart“ von Sting der Fall, ist aber in der lydischen Strophe von „Keep On Loving You“, das der Sänger und Gitarrist Kevin Cronin einst für seine Band REO Speedwagon geschrieben hat, noch deutlicher zu hören.
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Das dauerhafte f im Bass schert sich nicht im Entferntesten um die Akkordbewegungen der lydischen I-II-III-II-I Kadenz (zweite Zeile: I-II-I-II-I) und liefert so ein sehr festes Fundament für den Charakter des Modus. Das G Dur, das wir immer wieder zu hören bekommen, klingt in diesem Kontext gar nicht so dissonant wie es das in einem anderen Umfeld wohl tun würde, sondern passt sich im Gegenteil sogar sehr schön in die Progression ein. Aus den Reihen der Jazzer tönt in diesem Augenblick wahrscheinlich ein lang gezogenes „Mooooment!“, denn der folgende A Moll Dreiklang über dem f im Bass könnte auch als F-major 7 bezeichnet werden. Das wäre natürlich möglich, aber da die Akkorde sich in diesem Moment losgelöst vom Basston bewegen, tendiere ich zu der hier verwendeten Bezeichnung als Slash Chord.
Anspieltipps zu lydischen Songs/Parts
Lydische Stücke oder Songteile sind nicht leicht zu finden. Deshalb möchte ich dich auch hier noch einmal auffordern: wenn du welche kennst, hinein damit in die Kommentare!
Vorübergehende Zusammenfassung
Jeder Modus hat seine modal charakteristischen Intervalle (MCI) und Dreiklänge (MCD). Diese können sowohl über die Melodik als auch über die Harmonik eines Stückes zum Ausdruck gebracht werden und natürlich auch über beides gleichzeitig. Für die dorische, lydische und mixolydische Tonleiter, die wir bisher genauer betrachtet haben, hier noch einmal eine Übersicht:
Die modal charakteristischen Dreiklänge können wie jeder andere Dreiklang jederzeit als Umkehrungen oder Slash Chords eingesetzt werden. Oft wird dabei auch ein Basspedal verwendet, um den Charakter der klingenden Kirchentonart zu stärken. Akkorde, die wie der leitereigene verminderte Dreiklang einen Tritonus beinhalten, wirken dagegen eher zerstörerisch auf das modale Umfeld, da sie Assoziationen mit funktionsharmonischen Vorgängen wecken und zur ersten Stufe der Dur Tonleiter aufgelöst werden wollen.
Aufgabe:
Schreibe für jede der drei hier betrachteten Kirchentonarten jeweils einen acht Takte langen Songpart mit Melodie und Akkorden. Verwende dabei jeweils eines der folgenden Modelle:
1. Harmonischer Ansatz: Verwende Keine MCI in der Melodie, sondern nur MCD – der Modus soll seinen Ausdruck also über die Harmonik finden, während die Melodie alleine keine klaren Aussagen über die Tonart macht.
2. Melodischer Ansatz: Verwende KEINE MCD, sondern nur MCI in der Melodie. Das gleiche Spiel anders herum. Hier soll die modale Färbung also über die Melodie erfolgen. Zwangsläufig müssen hier auch akkordfremde Töne (Optionstöne) eingesetzt werden.
3. Kombination: Verwende MCD und MCI gleichermaßen, und scheue dich dabei nicht, auch Slash Chords oder Pedaltöne einzusetzen.
Ausblick:
In der nächsten Folge werfen wir ein Auge (und Ohr) auf die noch offene phrygische Tonleiter, für die es einen kleinen Sonderfall gibt. Lokrisch ist für uns als Rock/Pop Songwriter wie gesagt nicht interessant. Sobald alle Kirchentonarten abgedeckt sind, widmen wir uns den modalen Variationen, also Kontrasten verschiedener Kirchentonarten in einem Stück. Außerdem werden wir, wie bereits in der letzten Folge angekündigt, einen eigenen kurzen Song schreiben und sehen, wie dieser in den verschiedenen Kirchentonarten klingt. Bis dahin bedanke ich mich bei der Sängerin Carolin Obieglo, die so freundlich war, den Audios ihre schöne Stimme zu leihen, und wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren der modalen Kadenzen. Mögen sie deiner Musik viele schöne Farben verleihen und dir Inspiration, künstlerische Anerkennung und weltlichen Reichtum bescheren!
Christian Wolff sagt:
#1 - 23.01.2012 um 03:03 Uhr
Bei dem FleetwoodMac-Beispiel stellt sich die Frage, ob das nicht doch dorisch ist. Man kann ja auch rootless spielen, d.h. auf den Grundton verzichten. Mein Ohr tendiert jedenfalls dazu, einen neuen Grundton dazu zu dichten.
Aggi Berger sagt:
#2 - 23.01.2012 um 15:24 Uhr
Hallo Christian, ich nehme an, du meinst den Song "Dreams"? Das Stück ist für mein Gefühl so lydisch, wie es lydischer kaum geht :-) Klar kommt man wo anders hin, wenn man die Basstöne austauscht, aber dann hat man das Stück ja schon grundlegend reharmonisiert - dann ist es natürlich nicht mehr lydisch ;-)Das Stück pendelt zwischen einem F maj 7 und einem G Dur. Wenn du beispielsweise ein D unter das F maj 7 legst, dann hast du eine astreine dorische I - IV Figur mit einem D Moll 7/9 als dorische Tonika.
Sam sagt:
#3 - 08.03.2012 um 00:32 Uhr
Hab zuffällig noch ein Song gefunden der eventuell auch zur Modalmusik gehört.Es ist aus der Werbung von der Würtenbergische Versicherung das Stück heißt
"Gymnopédie No. 1" von Erik Satie.Könnte das jemand bestätigen?
Sam sagt:
#4 - 09.03.2012 um 02:43 Uhr
Hab hier noch ein paar Modale Songs:pink-"get the party started", Beck-"I'm a Loser Baby", Madonna-"Music" Ich hoffe ich irre mich nicht mein theoretisches Wissen ist nämlich sehr bescheiden.
Gruß
Aggi Berger sagt:
#5 - 10.03.2012 um 18:56 Uhr
Hi Sam, danke für deine Beiträge!!! Zu deinem ersten Kommentar: Für mein Empfinden trägt die musikalische Untermalung zum "Fels in der Brandung" definitiv modale Elemente in sich. Es ist aber immer auch eine Frage des Hörens und bestätigen kann es letzten Endes wohl nur jeder für sich selbst. Am Anfang des Stückes, den man ja auch aus der Werbung kennt, pendelt die Harmonik zwischen einem G maj 7 und einem D maj 7. Das könnte man als eine lydische I-V Verbindung sehen oder wenn man will auch im funktionsharmonischen Sinne als eine Akkordfortschreitung in D-Dur, die auf der vierten Stufe beginnt und dann zur Tonika wandert. Beides ist berechtigt und die Frage ist, an welcher Stelle sich das Ohr zuhause fühlt. Im weiteren Verlauf nimmt die Komposition für mein Empfinden einen deutlich modal wirkenden Charakter an, am Ende der Form katapultiert uns dagegen eine ganz eindeutig funktionsharmonische Kadenz aber wieder an den Anfang zurück. Sehr schön finde ich an dieser Stelle, dass diese Kadenz eigentlich auf G-Dur zielt und direkt danach wieder das lydische G zu hören ist. Definitiv ein Hinweis darauf, dass Satie beim Komponieren einen modalen Ansatz verfolgt hat.
Aggi Berger sagt:
#6 - 10.03.2012 um 18:58 Uhr
...und es geht noch weiter! Zum zweiten Kommentar: „Get The Party Started“ ist in reinem Moll, der Bass hüpft munter zwischen Grundton und Quarte der Tonart hin und her. Das mag man vielleicht als modal (aeolisch) bezeichnen, da die Harmonik sehr konsequent in dieser einen Farbe bleibt, in diesem Fall würde ich aber keine Erbsen zählen. Der Song ist so simpel gehalten, dass es nicht viel zu Analysieren gibt. „Loser“ von Beck verhält sich ähnlich, im Refrain kommt aber die Farbe von D mixolydisch durch, und im Rest des Songs wird damit auch nicht gebrochen. „Music“ bekommt durch ein einzelnes aber oft wiederholtes Sample (die sehr kurze und leicht orgelartige Synth-Line, die immer auf „3“ beginnt) eine dorische Färbung. Ohne diese kleine Figur würde der Song wohl eher aeolisch bzw. einfach in natürlichem Moll. Zumindest im Fall der letzten beiden Songs würde ich dir also zustimmen :-) Liebe Grüße!
Sam sagt:
#7 - 29.09.2012 um 01:56 Uhr
Hi,ich hätte da eventuel noch ein paar modale Songs sie klingen für mich jedenfalls so.
1.Madonna,"La isla Bonita"
2.Gloria Estefan, "Oye mi canto"
3.Sting, "Russians"
4.Sting, "Invisibel sun"
5.Cyndy Lauper, "Time after time"
Liege ich richtig oder falsch?
Gruß Sam
chris sagt:
#8 - 17.10.2012 um 23:09 Uhr
Wenn ich mich nicht irre ist das Lied "another Sleep song" von "Graham Nash" eine sehr schoene ausfuehrung des Phrygischen Modus... (Ab-Phrygisch)
Mario sagt:
#9 - 12.08.2013 um 14:12 Uhr
Lieber Aggi, vielen Dank für deine Artikel. Für mich persönlich das (musik-theoretisch) mit Abstand erhellendste was mir jemals untergekommen ist. Ich mache selbst sehr viel phrygisch, musste mir das aber irgendwie ein bisschen selbst erarbeiten, bis ich dann mal merkte dass es eben doch auch (oder gerade?) in der sog. popular musik diese modale sichtweise auf die dinge gibt. Diese Sichtweise, bzw. Beschreibingsweise, deckt sich viel mehr mit dem was ich tatsächlich höre, bzw. fühle in der Musik. Ich werde das hier mal weiter verfolgen, vielleicht gibts nochmal hier und da ein paar mehr beispiele?
Gruss,Mario
BonedoMalte sagt:
#10 - 13.08.2013 um 16:22 Uhr
Hallo Mario, ersteinmal danke für dein Lob! Freut uns natürlich, dass wir dir weiterhelfen konnten! Hast du schon die anderen Teile der Serie gesehen? Schau mal oben rechts auf der Seite, da kannst du noch weitere Beispiele finden! Viel Spaß weiterhin!
Mario sagt:
#11 - 19.08.2013 um 11:26 Uhr
Hier noch ein traumhaft schönes beispiel für ein wunderbar schwebendes mixolydisch, ähnlich "Clocks".The Boxer Rebellion - Diamonts (C mixolydisch)http://www.youtube.com/watc...Strophe: G-moll, D-moll, C-dur (V, II, I)
Refrain: A#-dur, F-dur, C-dur (VII, IV, I)Beide folgen starten sehr mixolydisch, mit akkorden, die die kleine septe beinhalten.Am anfang der refrains wird nur ein ton ein ganzton tiefer verschoben verglichen mit strophe (G->F), wodurch einerseits das mixolydische noch verstärkt wird (A#Dur!), andereseits, dadurch, dass es jetzt ein dur akkord ist, die stimmung sich wunderbar aufhellt, was exakt genauso beim 2ten akkord des refrains so ist (D -> C; dm -> F). Toller song!
Aggi Berger sagt:
#12 - 19.08.2013 um 16:03 Uhr
Danke für deinen Beitrag, Mario. Diamonds ist definitiv ein sehr gutes Beispiel zu diesem Thema. Man kann jetzt natürlich anfangen, zu diskutieren, ob die Strophe in C Mixo oder doch in G Dorisch ist, ich kann deine Art zu hören in diesem Fall aber nachvollziehen. Das C-Dur ist durch den ganzen Song hindurch präsent und kann dadurch, dass es länger gehalten wird, prominenter als die Akkorde auf den eigentlich prominenteren Positionen wirken. Es handelt sich hier wohl (wie so oft) um eine Frage der Interpretation :-) Vor allem, und darauf können wir uns wohl einigen, schwebt die Harmonik dieses Songs wunderschön. Liebe Grüße, Aggi Berger
Mario sagt:
#13 - 21.08.2013 um 15:22 Uhr
Lieber Aggi, danke für die antwort. Bei Diamonds bleibt für mich C der immer mitschwingende grundakkord, der wohin man es nur auflösen kann, deshalb würde ich mich schwer tun im refrain von G-Dorisch zu sprechen, aber egal:)Noch einer, zufällig heute gefunden (dieser workshop inspiriert mich sehr, wie man merkt!): Tears for fears - Mad World, das ja nun mittlerweile wirklich jeder kennt, ist dorisch, und zwar in allen teilen des songs, würde ich jedenfall sagen.Strophe: am - C - G - D; refr.: am - D(!)
Aggi Berger sagt:
#14 - 21.08.2013 um 17:28 Uhr
Hey Mario, sehr schön! Mad World ist wirklich ein wunderschönes Beispiel! In diesem Fall braucht man wohl nicht zu diskutieren - das ist eindeutig ein dorischer Song. Danke dafür! Schön auch, dass dir der Workshop gefällt. Ein Gedanke noch: Man sollte auf Dauer nie vergessen, dass es für die meisten Hörer eigentlich völlig egal ist, ob ein Song nun in G Dorisch oder C Mixo ist. Hauptsache es klingt gut, und das tut es :-)
Mario sagt:
#15 - 23.08.2013 um 11:46 Uhr
Hallo Aggi, jetzt ist mir folgende, irgendwie naheliegende frage gekommen: Betrachten wir für den moment mal nur die modi, die eine große sekunde und reine quinten und quarten enthalten. Dies sind dur, mixo, dori, moll. Theoretisch ergeben sich aber 8 modi. Ich hab die mal folgendermaßen benannt: Mixo mit kl. sexte *statt* kl. sept: "M`" ("M-Strich"); Mixo mit kl. sept *und* kl. sext: "M2"; Dorisch mit gr. sept *statt* gr. sext "D`"; Dorisch mit gr. sext *und* gr. sept: "D2". Ich hab mal ein bisschen rumprobiert, mir scheint nach kurzer eingewöhungszeit gewöhnt sich das "ohr" an die skalen, und der song wird ohne "störungen" wahrgenommen. Frage jetzt: Gibt es (pop-)songs die diese tonarten verwenden? Also nicht nur für einen moment (dann ist eine funktionsharmonische sichtweise sicher angemessener), sondern konsequent? Liebe Grüße,Mario
Mario sagt:
#16 - 23.08.2013 um 13:10 Uhr
Ich seh gerade, die dorischen varianten nennt man harmonisches/melodisches moll und beides wird gern verwendet und klingt auch gut, das "M`" nennt man harmonisches Dur, wird praktisch nicht verwendet und klingt (wegen dem 3-halbton-schritt) auch ziemlich seltsam. Was bleibt ist das "M2" (Dur mit kl. sext und kl.7). Das hat anscheinend keinen name, klingt aber gut. Comments?
Haiko sagt:
#17 - 23.08.2013 um 13:19 Uhr
Hi Mario, Dur b6 und b7 nennt man mixo b13 ( 5. Modus von Melodisch Moll) und Dur b6 mit maj7 nennt man Harmonisch Dur LG Haiko
Aggi Berger sagt:
#18 - 23.08.2013 um 17:50 Uhr
Hi Mario, na da gibt aber einer Gas! Kollege Haiko hat ja schon geschrieben, wie deine "selbst erfundenen" Skalen heißen :-) Harmonisch und Melodisch Moll sind in ihrer Grundform natürlich im Pop zu finden, konsequent modale Ansätze mit Modes dieser Skalen findet man dagegen nicht so häufig. Aber hör dir doch mal den Song Uninvited von Alanis Morissette an. Die Strophe ist definitiv in Mixo b13 gehalten, wobei schon im B-Teil modal variiert wird.
Harald sagt:
#19 - 05.09.2013 um 00:27 Uhr
Hallo,bei Norwegian Wood ist meiner Ansicht nach ein Fehler. Es handelt sich nicht um H-Mixolydisch, sondern um E-Dorisch bei der Skala. Die passt dann zum H7-Akkord, oder.Harald
Aggi Berger sagt:
#20 - 05.09.2013 um 10:22 Uhr
Hallo Harald, wenn ein wie auch immer gearteter H-Akkord ohne Wechsel gehalten wird, dann wird das Ohr ganz sicher mutmaßen, dass es sich um eine H-Tonart handelt. Selbst wenn du einen indischen Morgen-Raga darüber spielst, es wird immer noch nach einer Tonart mit Zentrum H klingen - Wie kommst du gerade auf E Dorisch?
Harald sagt:
#21 - 06.09.2013 um 22:59 Uhr
... ich meine wahrscheinlich gar E-dorisch, sondern Dorisch mit dem diatonischen Material von E-Dur, sorry.
Aggi Berger sagt:
#22 - 07.09.2013 um 12:10 Uhr
In der Beziehung liegst du richtig. Das Tonmaterial kommt auf jeden Fall aus dem 4#-Bereich. Also E Dur oder C# Moll oder auch F# Dorisch und natürlich wie bei Norwegian Wood H Mixo. Das sind dann alles die gleichen Töne. Das Original ist allerdings in einer anderen Tonart. Für die Sängerin haben wir transponiert. Vielleicht ist ja das der Grund für die Verwirrung :-)
Slashgad sagt:
#23 - 10.02.2015 um 15:12 Uhr
Sehr cooler Workshop! Trotz Musikstudium mit Harmonielehre - das ist noch sehr erhellend für mich!
Und super eingesungen die Sachen!Bin wohl etwas spät dran mit meinem Beitrag ...Eine tolle Beispiel für LYDISCH ist FLYING IN A BLUE DREAM von JOE SATRIANI - gut, ist ein Intrumental.Da ist c-lydisch am Start. die #4 bzw #11 (in C das f#) ist da gut zu hören und verbreitet so eine schwebende Stimmung - sehr schön.
Gibt's natürlich vielfach auf YOUTUBE - z.B.: https://www.youtube.com/wat...VG
Aggi Berger sagt:
#24 - 10.02.2015 um 21:00 Uhr
Hey Slashgad, danke für deinen Kommentar! Zu spät kann man da glaub ich nicht sein :) Tolles Video übrigens - im Gegensatz zu den Beispielen im Workshop bleibt Mr. Satriani allerdings nicht in einem lydischen Modus mit seinen leitereigenen Akkorden, sondern verschiebt die lydische Skala immer ganz einfach und starr über den nächsten Grundton bzw. Akkord. Sowas hört man ja recht oft in der virtuosen Instrumentalmusik. Um das Konzept in diesem Workshop vorzustellen, wars mir aber ein bisschen zu viel Jazz :)
Slashgad sagt:
#25 - 10.02.2015 um 22:32 Uhr
Ja - nicht ganz sooo gutes Beispiel, weil er ja immer alles verschiebt. Aber er sagt es immerhin an hier das "lydisch". Habe ich erst nach meinem Post bemerkt - glücklicher Zufall.Das ist ja toll hier - da kriegt man noch sofort Antwort ,aus berufenem Munde!!!Aber hey !!! das ROCKT doch ganz gut für JAZZ!!! (;-)
Aggi Berger sagt:
#26 - 11.02.2015 um 01:29 Uhr
Haha, ja es rockt wirklich gut für Jazz :) Ich finde das Beispiel übrigens überhaupt nicht schlecht. Ist doch ne interessante Zusatzinformation, dass es sowas eben auch gibt.
Cornelia sagt:
#27 - 19.10.2022 um 16:56 Uhr
Hallo, müsste es bei "Keep on Loving You" nicht Am/F heißen?
Marius sagt:
#28 - 13.06.2023 um 21:17 Uhr
Hallo Aggi. Mit großem Interesse studiere ich gerade diese workshop-Reihe und frische damit viel Verschüttetes auf. Cool. Vielen DANK für die wirklich super aufgearbeiteten Ausführungen zu dem Thema. Es würde mich übrigens sehr interessieren, wer Norwegian Wood eingespielt bzw. gesungen hat.
Aggi Berger sagt:
#28.1 - 14.06.2023 um 10:46 Uhr
Hi Marius, danke für den Kommentar 🙂 Die Audios wurden alle von der wunderbaren Carolin Obieglo eingesungen.
Antwort auf #28 von Marius
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