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Songwriting-Workshop Modale Kadenzen #3

Bonusrunde

Du bist ja immer noch da! Reicht es denn noch nicht?! Wie du willst … aber jetzt heißt es anschnallen, denn die Reise geht weiter, und dieser Weg wird ganz bestimmt kein leichter sein.
Von der Abbey Road nach Andalusien
Unser nächster Halt nach Akropolis und Abbey Road ist Spanien mit seiner traditionellen Flamenco-Musik. Wer die Originalaufnahme des Songs „White Rabbit“ kennt, erinnert sich vielleicht, dass diese in ihrem rhythmischen Arrangement schon einige spanische Elemente trägt. Echter Flamenco verwendet allerdings meistens nicht die phrygische Tonleiter, sondern eine Variation davon, bei der den sieben Tönen des phrygischen Modes ein weiterer achter Ton hinzugefügt wird – die große Terz über dem Grundton der Tonart.
Das Ergebnis ist eine sogenannte Oktatonik, was schlicht und einfach bedeutet, dass es sich hier um eine Skala handelt, die statt aus den üblichen sieben Tönen aus acht Tönen besteht. Bezeichnet wird diese spezielle Oktatonik als die spanisch-phrygische Tonleiter bzw. im Englischen als die Phrygian Dominant Scale oder einfach die Flamenco-Skala.
Prinzipiell lassen sich mit den Tönen dieser Skala insgesamt dreizehn (!) verschiedene Dreiklänge der Grundformen Dur, Moll, Vermindert und Übermäßig aufbauen. Dies alles durchzurechnen würde aber auch in dieser Bonusrunde etwas zu weit führen, denn in der Praxis wird die zusätzliche große Terz größtenteils auf der ersten Stufe verwendet. So entsteht dort eben ein Dur-Dreiklang statt dem leitereigenen Moll-Dreiklang der phrygischen Skala. Aus diesem Grund verzichten wir also diesmal auf die Darstellung aller leitereigenen Akkorde, und stattdessen hörst du im Player direkt nach der Tonleiter eine kurze Flamenco-typische I-II-III-II-I Kadenz. Die erste Stufe wird dabei, wie gesagt, immer als Dur-Akkord harmonisiert, und wir können erleichtert sein, denn all das klingt bei weitem nicht so kompliziert, wie die Theorie es vermuten lässt.

Audio Samples
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C- Spanisch Phrygisch
WS_ModKad3_12span-phryg

Warum machen wir überhaupt diesen Ausflug in die Welt des Flamencos? Ganz einfach: Die Flamenco-Skala findet sich in der Rock- und Popmusik mindestens genauso häufig wie die eigentliche phrygische Tonleiter. Mit dem „Pyramid Song“ von Radiohead wird es jetzt richtig komplex. Sehr interessant ist hier auch die Rhythmik der Akkorde, die in diesem Fall definitiv Teil der kompositorischen Essenz des Stückes ist. In den meisten Fällen sind Songwriter und Arrangeure darum bemüht, „krumme“ Taktarten wie 5/8 oder 7/8 möglichst gerade klingen zu lassen. In diesem Fall haben sich Thom Yorke und Kollegen das Gegenteil zur Aufgabe gemacht und das rhythmische Gefüge des 4/4-Takts so verschleiert, dass das zugrundeliegende Metrum kaum noch erkennbar ist. Um das Mitzählen zu erleichtern, habe ich mit erlaubt, nach dem Intro eine Bassdrum in Viertelnoten als Click-Ersatz hinzuzufügen.

Audio Samples
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Pyramid Song (Radiohead)

Pyramid Song – Die Noten als PDF

Neben der zugrundeliegenden Skala sind, wie man in den Noten sieht, auch die Akkorde komplexer geworden. Dies liegt aber vor allem daran, dass in der Kadenz der ersten vier Takte ein Sopranpedal verwendet wird. Dabei handelt es sich sozusagen um das Gegenteil des Basspedals, das wir in der zweiten Folge bereits kennengelernt haben. Während die Akkordstrukturen von der ersten zur dritten Stufe und wieder zurück wandern, bleibt als höchste Stimme die Oktave der Tonart (also ein fis) liegen.
Bei der Stelle „Black eyed angels…“ wird die erste Stufe daraufhin vermollt. Wir erinnern uns: In der Flamenco-Skala gibt es beides – eine große und eine kleine Terz. Erst das dem Fis-Moll-Dreiklang folgende E-Dur sprengt die Grenzen der Tonleiter und klingt in diesem Moment wie eine siebte Stufe aus Fis aeolisch. Die Rückbewegung zur Flamenco-Skala vollzieht sich mit dem Gmaj7 Akkord im Folgetakt recht deutlich und wird zusätzlich durch die Melismen in der Gesangslinie deutlich gemacht, die wieder die große Terz der Tonart einführen.
Anspieltipps zu Songs/Parts im Phrygian Dominant Mode

Song (Interpret)

Songteil

Make Over (Christina Aguilera)

Kompletter Song

Baba (Alanis Morissette)

Strophe

Ojos Así (Shakira)

Kompletter Song

Hunter (Björk)

A-Teil

Hava Nagila (Traditional)

Ja, wirklich!

Ausblick
Die Flamenco-Skala hat uns gezeigt, dass sich modale Kadenzen nicht nur von den Kirchentonarten, sondern auch von Tonleitern mit anderen grundlegenden Intervallstrukturen ableiten lassen. Häufig verwendete Kandidaten sind Harmonisch-Moll und Melodisch-Moll. Wer sich für ersteren interessiert und zufällig auch noch eine Gitarre bedienen kann, dem möchte ich einen Blick auf das Harmonisch-Moll Special meines geschätzten Kollegen Hansi Tietgen ans Herz legen. Auch Nicht-Gitarristen finden hier alles Wissenswerte über diese Skala.  
Und jetzt: Abschalten!  
Ende… Ganz bestimmt!

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Songwriting-Workshop Modale Kadenzen #3. (Foto: Bonedo)

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Kommentieren
Profilbild von Clemens

Clemens sagt:

#1 - 26.06.2011 um 15:24 Uhr

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"Und jetzt: Abschalten!"Nein - anfangen und bekannte Song modal zu transformieren. Das macht Spass.Danke für die Anregung.Clemens

Profilbild von Jakob

Jakob sagt:

#2 - 27.08.2011 um 00:54 Uhr

0

Super Workshop! Gut erklärt und ausgezeichnete Hörbeispiele! Das lädt zum Selbermachen ein :)

Profilbild von leo

leo sagt:

#3 - 27.10.2011 um 17:08 Uhr

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Wer so Musiktheorie erklärt, sollte lieber Kindergärtner werden!!!!!!!

Profilbild von glofi

glofi sagt:

#4 - 29.02.2012 um 01:41 Uhr

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Genial!!! Super aufbereitet, danke sehr!!! @Leo: Du scheinst Dich ja auszukennen.

Profilbild von Jens

Jens sagt:

#5 - 29.02.2012 um 03:13 Uhr

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Sauberer Workshop!!
Weiter so!
Grüße vom studierten Jazzer

Profilbild von Michael

Michael sagt:

#6 - 05.10.2012 um 10:46 Uhr

0

Echt super Workshop, danke erstmal!! Habe lange nach einer sauberen Erklärung zu dem Thema gesucht.
Eine Frage hätte ich allerdings noch: Abseits der modal charakteristischen Akkorde wurden in den Beispielen ja noch andere Stufenakkorde verwendet. Kann man da bis auf den verminderten Akkord alle verwenden, solange der Charakter des Modus noch erkennbar ist? Oder gibt es da noch Richtlinien?
Mich würde auch noch interessieren, welche Auswirkungen es hat, wenn man Vierklänge benutzen möchte statt Dreiklängen. Bei dorisch zum Beispiel wäre doch dann die 4. Stufe ein Dominantseptakkord, der zur 7. Stufe hinstrebt und somit aus dem Modus ausbrechen möchte. Sehe ich das richtig, dass es dann unter Umständen andere MDA als bei Dreiklängen gibt?

Profilbild von Aggi Berger

Aggi Berger sagt:

#7 - 07.10.2012 um 03:26 Uhr

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Hi Michael, schön, dass dir der Workshop gefällt :-)Zu deinen Fragen: Können tut man im Prinzip ja immer alles. Vor allem aber leitereigene Akkorde kannst du bedenkenlos in vollem Umfang und jederzeit verbraten. Bei Vierklängen wird ein Tritonus innerhalb eines Akkordes gerne vermieden, da er dazu tendiert, seinen funktionsharmonischen Sog zu entwickeln und alles in Richtung der ionischen Tonika oder zumindest eines Trugschlusses befördern zu wollen. Das macht der Dominantseptakkord mit seinem enthaltenen Tritonus genau so wie du es beschrieben hast. In diesem Fall könntest du dich elegant für ein Sus-Voicing entscheiden. Prinzipiell ist jeder Akkord, der eines der MCI enthält ein modal charakteristischer Akkord. So kann ein Dm6 in dorischem D schon alleine ausreichen, um den Modus halbwegs zu definieren. Oder darf es ein Pendel zwischen Dm und Am add9 sein? :-) Solange du leitereigenes Material und dabei die MCI verwendest, musst du dir keine Sorgen um den Verlust des modalen Schwebegefühls machen... und wenns gut klingt, ist sowieso alles erlaubt. Liebe Grüße!

Profilbild von Michael

Michael sagt:

#8 - 07.11.2012 um 23:46 Uhr

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Hi Aggi,
danke für deine Antwort! Die Idee mit dem Sus-Voicing ist super und stimmt na klar, dass alles erlaubt ist, solange es klingt :)
Zeit mal wieder, was Neues auszutesten :D
Liebe Grüße!

Profilbild von Aggi Berger

Aggi Berger sagt:

#9 - 09.11.2012 um 00:41 Uhr

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Profilbild von Thomas

Thomas sagt:

#10 - 11.02.2013 um 18:41 Uhr

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Super Workshop - großes Lob auch für die aktustischen Beispiele, sehr geschmackvoll eingespielt...

Profilbild von Frank

Frank sagt:

#11 - 18.02.2016 um 13:30 Uhr

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Den Kommentar eines Mitlesers mit dem Kindergärtner habe ich nicht verstanden.
Ich finde, das ist großartig erklärt. Mich, als nicht studierten Musiker hat das sehr erhellt. Vielen Dank. Gibt es denn irgendwo Übungen zum Thema. Z.b. Stücke dahingehend zu analysieren oder In andere Modi umzuschreiben.

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