Praxis
Arbeiten mit Sonicware Liven Bass&Beats
Die Soundpalette ist gut bestückt und die Drums geschmackvoll gewählt. Hier finden sich weniger die üblichen Roland XOX-Collections, sondern gut zusammengestellte Kits für Genres jenseits von Techno und House. Während mich die Kits für Four-to-The-Floor-Musik nicht vom Hocker hauen, finde ich die Kits für Drum n’Bass. Dubstep, Vaporwave, Hip-Hop, Trap und Future-Pop frisch und inspirierend. Die Klangqualität dagegen ist nicht umwerfend, denn man hört immer ein leichtes Rauschen. Das kann daran liegen kann, dass die Liven-Instrumente nur Ausgänge im Miniklinken-Format verbaut haben. Für solch ein kompaktes und preisgünstiges Gerät geht der gebotene Sound aber voll in Ordnung.
Sound-Editing mit Hindernissen
Zum Deepdive in die Maschinenräume der beiden Soundgeneratoren aktiviert man einen der beiden Edit-Modes. Hier haben Schalter und Drehknöpfe teilweise völlig unterschiedliche Funktionen. Deshalb muss man zur besseren Übersicht eine der beiden Schablonen auf das Gerät legen, welche die Edit-Parameter der Potis und Schalter zeigen. Auch hier sind Fehlbedienungen anfangs wieder unvermeidbar, weil z. B. der Bass-Lautstärkeregler im Minimixer des Performance-Menüs (Drum-Menü) das Tuning des angewählten Instruments bewirkt. Im Bass-Edit-Menü regelt er die Anschlagdynamik. Die beiden anderen Mixerregler wiederum regeln die per Assign zugewiesenen Parameter, welche im Performance-Mode dann jedoch von den beiden mittleren oberen Regler unter dem Display ausgeführt werden. Confusing? Absolutely! Zumindest eine gewisse Einheitlichkeit der Funktionen in den Edit-Menüs wäre hier hilfreich.
Ohne Schablonen geht wenig
Auch sonst fehlt mir eine geradlinige Verknüpfung der verschiedenen Modi. So kann man nicht einfach von der Performance-Ebene in den Sound-Editor wechseln, sondern muss sich den Sound oder das Kit merken, um es dann im jeweiligen Editmodus (auf-) zu-suchen. Das ist sehr ungelenk und gar nicht direkt. Bei der Performance kann man also tatsächlich nur an den Macros vorher erstellter eigener Presets schrauben. So pfiffig das Konzept auch ist: ohne die Schablonen (oder ohne ein extremst fotografisches Gedächtnis) ist man ziemlich aufgeschmissen, wenn man ins Eingemachte will. Und so portabel der Bass&Beats ist: Wer unterwegs editieren möchte, muss die Schablonen auch immer dabeihaben. Nicht die eleganteste Lösung.
Gute Kombination – Bass&Beats und Pocket Operators
Immerhin kann man Patterns oder Klangparameter exportieren, importieren, das Gerät per MIDI-Keyboard auch anschlagdynamisch spielen und es integriert sich dank MIDI, Sync und Audio-Ein-und-Ausgängen easy in verschiedenste Liveset-Umgebungen. Ganz besonders schön klappt das mit Teenage Engineerings Pocket Operator-Serie: Mit einem Stereo-Miniklinkenkabel werden via Line-In sowohl das Audiosignal als auch der Sync eines Pocket Operators übertragen, supereinfach und ohne geteiltes Spezialkabel. Ein tolles Feature für alle Freunde der kleinen schwedischen Grooveplatinen.
Bass&Beats-Effekte mit Einschränkungen
Die 13 internen Effekte sind etwas willkürlich auf Send- und Insert-Effekte aufgeteilt. Es handelt sich um mehrere Hall- und Delay-Effekte, Modulations-Effekte wie Chorus und Flanger, Verzerrungs-Effekte wie Crush und Distortion, Filter-Effekte wie Tief- und Hochpass, Isolator und Kill-EQ. Editieren ist nicht möglich, die Effekte können dem Signal lediglich dazu gemischt werden. Das ist wirklich schade. Dafür spendiert Sonicware der Bass&Beats einen Side-Chain-Kompressor, um den internen Bass-Synth und externe Audiosignale zu ducken. Das funktioniert okay, aber einen Instant-Daft-Punk-Habenwollen-Pump-Effekt erzielt die Bass&Beats nicht.
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Klangbeispiele zu Sonicware Liven Bass&Beats
So klingen die ersten 16 Presets der Liven Bass&Beats
Hohe Lernkurve durch eigene Workflow-Philosophie
Bei den meisten Herstellern hat sich eine gewisse vereinheitlichte Bedienlogik durchgesetzt, sodass erfahrene User ein neues Gerät ohne Bedienungsanleitung zumindest teilweise erkunden können. Sonicware hat da eine ganz eigene Workflow-Philosophie. Die ist anders und kompliziert! Einige Funktionen wie die Programmierung des Drum-Step-Sequenzers lehnen sich noch an die bekannte Roland XOX-Bedienung an. Viele Funktionen werden jedoch völlig eigen gedacht. Langjährig erworbene Erfahrung im Programmieren von Synthesizern und Grooveboxen hilft hier nicht wirklich weiter. Wer hingegen die Bedienung der anderen Liven-Maschinen verinnerlicht hat, ist klar im Vorteil. Alle anderen werden ohne das 48-seitige PDF-Handbuch nicht allzu weit kommen. Diese hohe Lernhürde ist der größte Kritikpunkt am Liven Bass&Beats. Zu oft drückt man eine Taste oder dreht an einem Regler und etwas völlig anderes als das Gewünschte passiert. Man befindet sich im falschen Menü, was aufgrund der bisweilen verwirrend zugepflasterten Bedienoberfläche nicht sofort deutlich wird. Das kann sehr frustrierend und nervig werden.
Gewöhnungsbedürftiges Schablonenkonzept
Mit Shift erreicht man die alternativen Funktionen aller Drehregler. Mit Function die alternativen Funktionen aller Schalter sowie die Edit-Modi, die wieder eigene Shift- und Function-Ebenen haben. Dies und andere Dinge gilt es sich zu merken. Mehr als einmal befand ich mich „lost in the machine“, aber eben nicht im positiven Sinne. Ich drehte an Reglern und bewirkte etwas völlig anderes als gewünscht, weil ich mich nicht in dem Menü befand, in dem ich mich wähnte. Die von vielen Drummachines und Grooveboxen über viele Jahre gelernten Bedienstrategien muss man hier erstmal komplett vergessen und sich auf ein neues Abenteuer einlassen wollen.
Kurzum: wer wie ich Geräte mit singulär zugewiesenen Reglern oder grafikfähige LC-Displays mit pro Menü zugewiesenen Knobs schätzt, wird sich mit dem Schablonenkonzept der Bass&Beats nicht anfreunden können. Ich möchte auch nicht verschweigen, dass das Gerät nach mehreren Wochen gegen Ende der Testphase aus unerfindlichen Gründen nicht mehr zum Einschalten zu bewegen war. Weder mit Batterien, noch mit Netzteil-Stromversorgung. Die Ursache war nicht erkundbar. Immerhin hielt der Liven Bass&Beats lange genug durch, um einen Eindruck des Gebotenen zu erhalten.
Für wen eignet sich die Liven Bass&Beats Groovebox?
Wer sich neuen Instrumenten am liebsten hands-on nähert und erst mal damit jammed, um die Möglichkeiten kennenzulernen, wird hier sehr schnell merken, dass ohne Bedienungsanleitung gar nichts geht. Wie schon die anderen Liven-Grooveboxen fordert auch die Bass&Beats viel Liebe, Leidenschaft und Zeit von ihren Usern ein. Wer wenig Geld, aber viel Geduld in ein sehr komplexes und durchaus mächtiges Stand-Alone-Instrument investieren möchte, das stilistisch vor allem in Genres wie Drum n’ Bass. Dubstep, Vaporwave, Hip-Hop, Trap und Future-Pop zu Hause ist, erhält eine passable portable Groovebox. Diese kann man obendrein mit Batterien betreiben und hat sogar einen bescheidenen Minilautsprecher an Bord. Auch Pocket Operator-Fans finden hier einen kongenial passenden Kompagnon für ihre Groove-Platine.