Praxis
Aufbau des Synthesizers
Die Architektur des Liven XFM zeigt sich in zwei Ebenen, welche durch zwei völlig verschiedene Bedienlayouts voneinander getrennt sind. Per Edit-Button gelangt man in den Maschinenraum der Groovebox. Hier hilft das mitgelieferte Overlay, denn fast alle Regler und Schalter bedienen nun völlig andere Funktionen. Die vier Trackanwahl-Schalter dienen jetzt zur Anwahl der Operatoren, die Regler zur Soundanwahl unter dem Display regeln im Quick Edit-Mode die Mixer Receive Levels der einzelnen Operatoren und im Deep Edit deren Feedback (positiv und negativ).
Alles ist mit allem verbunden
Die Verbindungen der Operatoren sind bereits in der Firmware angelegt und man dreht nur noch die Stärke der Receive Levels und Feedback-Intensitäten mit den Potis rein. Hier sollte man sich nicht von der Terminologie verwirren lassen. Wenn Operator 1 also von Operator 2 ein Signal erhält („Receive“), entspricht das natürlich dem Senden eines Signals von Operator 2 an Operator 1 bei anderen FM-Synths. Im Edit Mode werden entweder Sounds von Grund auf erstellt oder per Copy-Befehl aus der Library zur Bearbeitung in die Edit-Ebene hineinkopiert. Die graue Ebene des Overlays repräsentiert „Quick Edit“. Auf Page 1 regelt man z. B. mit den vier Potis unter dem Display die Mixer Receive Levels der vier Operatoren. Auf Page 2 bedienen die gleichen Potis das Feedback des einen OPs in den anderen.
Ähnlich läuft das mit den acht Potis in der zweiten Reihe von oben, wo die Tunings und Lautstärke-Levels der Operatoren verhandelt werden. Darunter liegt dann der „Deep Edit Mode“. Hier stehen die Hüllkurven, Time Scales und des angewählten Operators bereit. Alle OPs greifen auf das gleiche Parameterset zurück. Im Edit-Modus kann der Sequenzer nicht spielen, sodass Sounds nicht im Groove des Patterns editiert werden können. Der Sound eines Tracks liegt auch nicht automatisch im Edit-Mode an, sondern muss erst gesucht und geladen werden. Das ist wenig intuitiv und bremst den kreativen Fluss.
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Sequenzer
Die Step-Programmierung ist denkbar intuitiv: Keyboardtaste drücken, Step wählen und fertig. Bei Nutzung des internen „Keyboards“ wird die Velocity per Regler editiert, per MIDI einfach übernommen. Die Länge kann in 16tel-Schritten bis auf 64 Steps geschraubt werden. Per Parameterlock lässt sich pro Step eine andere Soundeinstellung festhalten. Leider geht das nur per Step-Eingabe. Noten können hingegen auch per Real-Time-Recording eingespielt werden. Hier wird nicht nur der Note-on-Befehl von den Step-LEDs repräsentiert, sondern auch längere Noten mit entsprechenden LEDs dargestellt. Falsch sitzende Noten müssen alle einzeln mit der „Clear“-Taste gelöscht werden. Bedauerlicherweise kompliziert.
Effekte
Beim Durchschalten der Effekte fallen starke Lautstärkeunterschiede auf, weil Send-und-Insert-Effekte durcheinandergemischt aufeinander folgen. Sowas sollte man im Livebetrieb nicht unbedingt machen. Sowieso bratzt der Klang beim Einsatz der Effekte schnell digital und mittig. Hier wäre ein Equalizer zum Bändigen störender Frequenzen angebracht, ist aber natürlich im minimalistischen Gerätekonzept so nicht vorgesehen. Also muss man des Öfteren mit dem Volumenregler gegensteuern, dabei aber aufpassen, dass man nicht unbeabsichtigt an den Regler zwischen Effekt- und Gesamtlautstärke kommt, denn das ist der Temporegler. Ich empfand es auch als störend, dass der Effekt-Send-Anteil mit gedrückter Shift-Taste geregelt wird, die beiden anderen Effektparameter allerdings ohne. Bei gedrückter Shift-Taste regeln die FX-Potis nämlich die Anschlagdynamik und die Pattern-Lautstärke, was bei unvorsichtiger Schrauberei zu ungewünschten Ergebnissen führen kann.
Gut gefiel mir der brauchbare Chorus. Der Flanger kann sehr metallisch klingen, aber die Range ist mir zu klein. Auch das Send-Delay macht viel Spaß, weil man mit dem Speed-Regler schön verstimmte Dub-Effekte hinbekommt. Allerdings fehlt mir hier ein Feedback-Parameter, es gibt nur Regler für Send, Return und Delay-Zeit.
Die folgenden Audiobeispiele zeigen den Einsatz der einzelnen Effekte in der Reihenfolge des Auswahlmenüs:
Morphing als Klanggestaltungsmittel
Morphing ist ein echtes Highlight des XFM. Hier kann man eigene Patches erstellen, ohne erst tief in die FM-Synthese abtauchen zu müssen. Dazu stehen drei verschiedene Engines zur Verfügung. Mit der X-LAB Engine werden zwei FM-Sounds in einem per Regler definierbaren Verhältnis zu einem neuen Sound gemorpht. Mit der XFORM Engine morpht der Synth selber in einer dynamisch einstellbaren Zeitspanne. Und in der X-LFO Engine erledigt der namensgebende LFO das Morph-Tempo. Jede Engine ist mit einem Color-Regler ausgestattet, der entweder direkt oder per Shift erreichbar ist. Die „Farben“ red, orange, yellow, green, blue und purple sind farbenfrohe Umschreibungen für das das Morph-Verhalten. Am besten versteht man die „Morph-Farben“ als „Einfärbung“ des Morphens, was bei jeder Farbe andere Ergebnisse hervorbringt. Hier heißt es experimentieren. Ist ein interessanter Morph-Sound erstellt, kann dieser abgespeichert und später wieder aufgerufen werden.
Das funktioniert ganz gut, aber der spektakuläre Aha-Effekt blieb bei mir aus. Am effektivsten ist das Morphen mit dem X-LFO-Algorithmus. Der erzeugt spektakuläre Wabber- und Blubber-Sounds, die sich gerade im Zusammenhang mit dem Sequenzer sehr ergiebig nutzen lassen.
Zufallsfunktionen
Random und Stutter sind zwei beliebte Kreativfunktionen, die manchmal begeisternde Ergebnisse liefern. Zufall würfelt oft die schönsten Sequenzen, auf die Musiker sonst nie kommen würden und Stutter lockert Live-Jams so zuverlässig auf wie der kleine Break des Drummers alle 16 Takte. Beide Funktionen sind auch im Liven XFM enthalten, aber klingen nicht sonderlich ergiebig. Schön zu haben, aber kaum genutzt.
Was stört?
Zuerst einmal ist es wichtig, sich stets gegenwärtig zu sein, in welchem Modus sich der Liven XFM gerade befindet. Es dauert eine kleine Weile, bis man die interne Logik des Geräts verinnerlicht hat und das Jammen und Programmieren ohne Blick ins Onlinehandbuch vonstattengeht. Über die Inkonsistenz der Reglerbedienung – mal ohne Function-Key, mal mit – hatte ich ja schon berichtet. Ebenfalls stört es, dass die Regler zur Soundauswahl direkt vor dem Display positioniert sind, sodass die eigenen Finger immer im Weg sind, wenn man Klänge auswählen oder abgleichen möchte.
Es sind Layout-Inkonsistenzen wie diese, die es dem User schwermachen, beim Schrauben einfach den Kopf abzuschalten, den Gefühlen zu folgen und sich im Sound zu verlieren. Der eingebaute Lautsprecher klingt nicht gut, aber gut genug, um schnell mal unterwegs ein paar Noten einzuspielen. Der sollte per Funktionstaste abgeschaltet werden, denn der Speaker ertönt ansonsten auch weiter, wenn ein Kabel im Line-Ausgang steckt. Die automatische Abschaltung sollte man ebenfalls ganz schnell deaktivieren, wenn man nicht mit Batterien arbeitet, denn sie ist eine tickende Zeitbombe: Alles, was bis zur Selbstabschaltung nicht gespeichert ist, geht beim Abschalten unwiederbringlich verloren. Schlussendlich verliert das Overlay auch irgendwann seinen Old-School-Charme, wenn man es immer wieder hervorkramen und auf dem XFM platzieren muss, um einen Sound zu editierten.
Für wen ist das?
Der Liven XFM ist ein schöner Einstieg in die wunderbare Welt der Frequenz-Modulation und mit dem integrierten Sequenzer eröffnen sich einzigartige Programmierungsmöglichkeiten für inspirierende Klänge und Sequenzen. Wer die Lernkurve nicht scheut, wird mit rohen, rauen Sounds belohnt, die sich in der DAW prima weiterverarbeiten lassen und eine echte Alternative zu den Klängen subtraktiver Synthese darstellen. Die Preset-Sounds hauen mich hingegen nicht vom Hocker. Wer einfach und schnell edle Killer-Sounds für die nächste Produktion sucht, wird mit dem ungeschliffen klingenden Liven XFM nicht glücklich werden.
Alternativen
FM in der Groovebox, das gab es schon einmal beim Yamaha DX200. Die „Loop Factory“ verfügt zwar über nur einen FM-Part, dafür protzt dieser aber mit der Engine des DX7, mit sechs Operatoren und 16-stimmiger Polyphonie. Der DX200 kann sogar DX7-Patches laden. Zusätzlich gibt es eine 32-stimmige AWM2-Sampleplayback Engine mit Drums und Bass-Sounds. Dank der vielen Potis bietet der DX200 mächtige FM-Synthese mit Hands-On-Appeal und ist immer noch ein sehr guter Gebrauchtkauf. Eine weitere noch nicht so alte FM-Groovebox ist die Korg Volca FM. Nur dreistimmig, aber dennoch mit der Kraft der sechs Operatoren. Mit dem eingebauten Lautsprecher, Batteriebetrieb und der spielzeughaften Anmutung ist der Volca FM schon eher mit der Liven XFM vergleichbar. Die Sonicware-Groovebox bietet mehr Funktionen und dank der vielen Regler auch einen spontaneren Zugang zur nicht immer einfach zu durchschauenden FM-Synthese. Dafür kostet der etablierte Volca FM auch gleich 100 Euro weniger.
Die folgenden Audiobeispiele zeigen die drei Morphing-Engines X-LAB, X-FORM und X-LFO.
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