PRAXIS
Installation & Inbetriebnahme
Kommen wir nun zum wesentlichen Teil des Tests. Vorab aber noch ein paar Worte zur verwendeten Hardware. Im Einsatz war ein iMac mit 2,4 GHz Intel Core 2 Duo und Mac OS 10.5.8 sowie als DAW Logic Pro 8.
Zunächst lade ich mir die Software von der Sonivox-Website herunter. Als nächstes entpacke ich das 446 MB große Zip-File und öffne die entpackte Datei. Ein Installationsmenü öffnet sich, bei dem ich wie gewohnt zunächst den Lizenzvereinbarungen zustimmen muss. Nachdem ich den Ort für den Content ausgewählt habe, startet die Installation. Diese ist innerhalb weniger Minuten abgeschlossen. Beim ersten Starten der Standalone-Version öffnet sich ein weiteres Menü zur Autorisierung der „weichen Ware“. Es stehen die beiden Optionen „Internet Aktivierung“ oder „Manuelle Aktivierung“ zur Auswahl. Ich entscheide mich für die erste Variante und werde daraufhin zur Sonivox-Website geleitet. Dort werde ich aufgefordert, diverse persönliche Daten sowie die Seriennummer einzugeben. Nachdem ich die Daten erneut bestätigt habe, geht es zurück zur Software. Und schon ist der Vocalizer aktiviert!
Um wirklich auf dem neuesten Stand zu sein, lade ich mir anschließend noch das aktuelle Update zur verwendeten Software-Version 1.0.1 herunter. Nun muss allerdings der gesamte Installationsvorgang noch einmal wiederholt werden. Nach einem Neustart des Rechners ist der Vocalizer einsatzbereit. Fein.
Ich starte Logic und erstelle ein neues Projekt mit einer Instrumentenspur – in dieser öffne ich den Vocalizer via Audio Unit (AU) als MIDI-gesteuerten Effekt. In dessen Sidechain-Menü wähle ich den Input 1 meines Audiointerfaces als Eingang für das Plugin an. Am Eingang meines Interfaces habe ich ein Shure SM 58 angeschlossen. Alternativ zu den Hardware-Inputs kann man den Sidechain auch mit den virtuellen Bussen oder direkt mit Audiomaterial der DAW-Spuren füttern – und das unabhängig vom Routing dieser Audiotracks. Thumbs up! Obwohl ich in das Mikrofon hinein spreche und die Signalwege richtig konfiguriert sind, höre ich zunächst einmal nichts. Nun, das liegt schlichtweg daran, dass der Vocalizer nur bei ankommen MIDI-Signalen arbeitet. Denn im Gegensatz zu klassischen Vocodern oder sonstigen Geräten zur Stimmen-Verfremdung verfügt dieses virtuelle Instrument weder über eine eigene Klangerzeugung, noch wird es mit einem Trägersignal gespeist. Auf diese Art kann der Vocalizer allerdings jede Art von Geräusch in einen Synthesizer-artigen Sound verwandeln.
Was mir beim Vocalizer sofort positiv auffällt, ist sein klar strukturiertes Layout und die ansprechende und funktionelle Oberfläche. Praktisch sind auch die virtuellen, blauen Status-LEDs der einzelnen Sektionen.
Die Automations-Möglichkeiten unseres Testkandidaten erweitern die Einsatzmöglichen des Vocalizers immens. So können alle Regler bzw. Parameter des Vocalizerss über die Automation einer DAW gesteuert werden. Das bedeutet außerdem, dass sich diese Werte auch via MIDI-Controller in Echtzeit verändern lassen. Beim direkten Spielen über ein Standard USB MIDI-Keyboard reagiert der Vocalizer genau wie es sein sollte, direkt und ohne spürbare Latenz. Da unser Testkandidat die CPU-Ressourcen des Rechners auch bei mehrstimmigen Harmonien nicht zu sehr belastet, steht auch diesbezüglich einem Einsatz des Vocalizers als potentielles Live-Tool nichts im Wege.
Beim ersten Hinhören klingt der Vocalizer vielleicht wie ein herkömmlicher Vocoder, und dessen Funktionsweise ist wohl hinlänglich bekannt. Synthesizer-Klänge werden moduliert, wenn jemand in ein Mikrofon spricht oder singt. Solche Sounds auf der Basis der menschlichen Sprache sind natürlich nicht wirklich neu, aber der Testkandidat verfolgt einen etwas anderen Ansatz. Der Vocalizer erzeugt eine Re-Synthese der Harmonien eines Audiosignals und erlaubt es, diese über MIDI zu steuern. Und genau diese Tatsache eröffnet völlig neue Möglichkeiten der Klangerzeugung.
Im Gegensatz zu Oszillatoren erzeugen die harmonischen Stimmen der Primary und Secondary Voice keinerlei Klänge. Die Primary Voice-Sektion kontrolliert den Anteil der geraden und ungeraden Obertöne, während die MIDI-Noten den jeweiligen Grundton festlegen. Dreht man den „Position“-Regler im Uhrzeigersinn, erhöht sich der Anteil der geraden Obertöne, während in der entgegengesetzten Drehrichtung die ungeraden Obertöne verstärkt werden. In der Mitte des Regelweges bleibt das Verhältnis der Obertöne des Signals unbeeinflusst. Der „Scale“-Drehregler hingegen verschiebt die Tonhöhe (Pitch) bezogen auf den Grundton, während der „Position“-Regler dazu dient, die Stimmung im gewählten Oktavbereich zu positionieren.
Die drei Regler der Primary Voice „Spread“, „Scale“, und „Position“ sind, wie bereits erwähnt, doppelt vorhanden. Die untere Reihe verstärkt oder schwächt die Harmonien ab, die von den oberen Reglern erzeugt werden. Bei gleichen Einstellungen der Parameter kann es daher leicht zu Feedbacks bzw. einer Eigenresonanz des Systems kommen. Hier ist Vorsicht geboten, da Feebacks nur schwer zu kontrollieren sind, aber ein bisschen Spielraum für Experimente gibt´s dadurch natürlich auch.
Die Secondary Voice-Sektion dient zur Veränderung des Grundtons. Mit den beiden Reglern „Coarse“ und „Fine Tune“ lässt sich dieser bis zu einer Oktave absenken oder erhöhen.
Der PV-Filter beeinflusst, wie es der Name bereits vermuten lässt, nur die primäre Stimme. In dieser Sektion sind fünf Filtertypen wählbar:
2x Lowpass (LP-Synth, LP-4 Pole)
1x Highpass (HP-4 Pole)
2x Disperse Filter (Disperse A, Disperse B)
Die meisten Infos über die Funktionsweise des Vocalizers in diesem Testbericht habe ich selbst recherchiert. Abgesehen vom Quickstart-Manual, das kurz und knapp die Installation, die Produktaktivierung und die Inbetriebnahme der Software als PlugIn einer DAW erklärt, sind leider keine weiteren Bedienungsanleitungen oder Informationen vom Hersteller erhältlich. Stattdessen gibt es im Netz eine Menge Videoclips, die allerdings auch nicht wirklich über den Informationsgehalt des Quickstart-Manuals hinausgehen. Sicher, viele Funktionen des Vocalizers erklären sich über seine Oberfläche mehr oder weniger von selbst, dennoch vermisse ich detaillierte Informationen, insbesondere über Funktionen der PV-Filter und der Voice-Parameter. Auch eine genaue Beschreibung des Signalflusses ist nirgends verfügbar. Daher erfordert unser Testkandidat leider etwas mehr Einarbeitungszeit als andere virtuelle Instrumente. Glücklicherweise ist die grundsätzliche Bedienung des Vocalizers nicht allzu kompliziert, aber teilweise ist es sehr schwer, vorauszusehen, wie die unterschiedlichen Einstellungen klingen. Kurzum, bei dieser Software ist vor allem Experimentieren angesagt. Doch eines wird dabei schnell klar: Allen eventuellen Schwierigkeiten zum Trotz macht die Arbeit mit dem Vocalizer enorm Spaß!
Eine relativ große Anzahl Presets ermöglicht verschiedenste Klangvariationen. Neben den Parametern der Primary- und Secondary Voice eignet sich vor allem das PV-Filter dazu, die Sounds den individuellen Bedürfnissen anzupassen. Die Effekte Delay und Chorus sind kinderleicht zu bedienen und klingen sehr hochwertig. Sie eignen sich hervorragend dazu, dem Gesamtsound die nötige Lebendigkeit zu verpassen. Als regulärer Vocoder eingesetzt, fehlt es dem Vocalizer ein wenig an der Sprachverständlichkeit. Bei Hardware Vocoder-Klassikern, wie z.B. dem MAM VF-11, wird diese u.a. durch ein gezieltes Hinzufügen von Rauschen erhöht. Daher sind die meisten nach dem herkömmlichen Funktionsprinzip arbeitenden Vocoder in dieser Disziplin dem Vocalizer überlegen.
Die EQs des Vocalizers arbeiten relativ zurückhaltend, wodurch man aufwendigere Frequenzbearbeitungen auf die DAW auslagern muss. Zudem lassen sich die vier Bänder nicht separat (de)aktivieren.
Für dich ausgesucht
Die wirkliche Stärke des Vocalizers ist, dass sich wirklich aus jeder Art von Vocal-Klängen und Geräuschen originelle und gut einsetzbare Sounds erzeugen lassen. Egal, ob Sprache, Zischen, Atemgeräusche, Gesang oder was auch immer. Mit ein wenig Übung verwandelt der Vocalizer all das in brauchbares Klangmaterial für Musikproduktionen und Sounddesigns. So kann man das Klangspektrum der eigenen Produktionen gut erweitern.
Besonders gut geeignet ist der Vocalizer, um rhythmisch harmonische Begleitspuren auf der Basis der vorhandenen Drumtracks zu erzeugen. Oder man haucht einfach die Klangstruktur des Pad-Sounds ins Mikrofon, welchen man sich gerade im Kopf vorstellt. Der Vocalizer greift dieses Klangbild auf und versorgt den Sound mit den nötigen Harmonien. Auch das funktioniert ziemlich gut.
Generell gilt: Je unmusikalischer und geräuschartiger das Rohmaterial ist, desto besser kann der Vocalizer daraus Harmonien erzeugen. Das ideale „Futter“ ist dabei weißes Rauschen, da es alle Frequenzen enthält.
Daher zeigt dieses virtuelle Instrument seine klanglichen Stärken, wenn es darum geht, nicht tonale Sounds in einen harmonischen Kontext zu stellen. Egal, ob die Fahrtgeräusche eines Autos, das Bellen eines Hundes oder eben die menschliche Stimme genutzt werden.
Mit dem Vocalizer hat Sonivox zwar sicher nicht das Rad neu erfunden, doch dessen neuartige Arbeitsweise eröffnet vielfältige Möglichkeiten der harmonischen Bearbeitung jeglichen Audio-Rohmaterials. Ich kann mir gut vorstellen, dass diverse Musikproduzenten den Vocalizer als „ihr“ Werkzeug entdecken werden. So könnte sich die Software zu einem stilprägenden Tool der Popmusik entwickeln.