Praxis
“Britisch Elend”? Nix da!
In der Audiobranche hat die Fertigungsqualität auch mancher sehr hochpreisiger britischer Hersteller einen eher zweifelhaften Ruf. Über “Made in Britain” wurde und wird auch insgesamt viel gespottet. Doch gibt es schließlich auch Unternehmen wie beispielsweise den Automobilbauer McLaren, dem man viel nachsagen kann, nur bestimmt nicht eine miese, nachlässige Verarbeitung. Dass der Sonora II in einem englischen Werk produziert wird, das auch Teile für McLaren, Ferrari und die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH fertigt, sollte ausreichen, um den Qualitätsanspruch zu unterstreichen. Und tatsächlich macht alleine schon das im Vergleich zum Vorgänger etwas größere und massivere Gehäuse den Eindruck, häufige Standortwechsel und auch mal versehentlich ruppigen Umgang sehr gut zu verkraften.
Bedienbarkeit ordentlich
Ausstattungsseitig kann man natürlich schnell meckern. Ein umfangreiches Metering, stufenlose HP-Filter, umschaltbare Impedanz und dann noch dies und dann noch das und dann noch jenes… Ich persönlich freue mich immer über ein umfangreiches Metering, wenngleich mein Lieblingspreamp aber überhaupt keines hat. Ich benutze ihn trotzdem, ich lebe noch, die Welt dreht sich weiterhin. Für die Fehlersuche sind aber die Ausstattungsmerkmale des Sonora II hilfreich genug, darunter die rudimentäre Pegelanzeige und die weithin sichtbare Information über eingeschaltete Phantomspeisung. Überhaupt geht die Bedienung des Preamps gut von der Hand, mit der Anordnung kann man sehr zufrieden sein, die schön kontrastreiche Beschriftung dürfte höchstens noch etwas größer sein, aber das ist eher unerheblich. Wichtiger: Die Potis des Sontronics laufen nicht zu schwer und nicht zu leichtgängig, sondern genau richtig und konstant: Sie verfügen über eine ordentliche haptische Rückmeldung, sind aber leichtgängig genug, damit sich beim einhändigen Betrieb als Desktop-Box nicht der ganze Preamp bewegt. Gut so, denn das könnte ziemlich nerven. Nicht ganz glücklich bin ich mit der Wahl der Potikappe, da man ihre Position bei manchen in Regie-, Aufnahme- oder Proberäumen und natürlich Live herrschenden Lichtverhältnissen nicht gut erkennen kann.
Britischer Charakter, aber genau das mit englischer Zurückhaltung
Füttert man die kleine schwarze Kiste mit Mikrofonsignalen, kann man sich über die Art und Weise freuen, mit der sie hochverstärkt werden: Der neue Sonora klingt frisch, aber nicht zu brillant oder gar harsch. Sicher ist “Ausgewogenheit” ein arg strapazierter Begriff, doch hier passt er. Gerade Sänger mit scharfen Konsonanten und zu kratziger, britzeliger oder dünner Stimme begegnet er mit leichten Streicheleinheiten: Ein wenig scheint er die Härte aus den Signalen zu nehmen zu können, ohne sie dabei matt oder lustlos wirken zu lassen. Ja: Es ist ein bisschen das, was man von englischen Vorverstärkern erwartet. Gegenüber der bekannten Firma mit dem Zacken-N ist er aber weitaus klarer und definierter (vielleicht einfach nicht ganz so schöngeistig und “sophisticated”). Hier macht sich bemerkbar, dass im Preamp keine Ausgangsübertrager verbaut wurden. Für sämige Popvocals mag man dahingehend etwas vermissen, doch halte ich im Gegenzug die Vielseitigkeit des Sonora II für größer. Kleinmembraner, feinste Strukturen von Ridebecken oder Akustikgitarren? Hier ist der Preamp definitiv zuhause. Ich kann den offenbar etwas unterkoffeinierten Sänger Chul-Min im Audiobeispiel zu Wort kommen lassen, der bei mir über den Preamp gesungen hat. Seinen Konsonanten wird etwas die Kantigkeit genommen, ohne dass das Ergebnis allzu indifferent oder “beschwichtigend” daherkommen würde. Auch hat man nicht das Gefühl, dass der Sontronics dem Signal seinen Stempel aufzudrücken versucht – der Charakter ist wirklich sehr subtil.
Für dich ausgesucht
Ebenfalls sehr unaufgeregt greift das Filter. Es liegt tief genug und ist nicht sonderlich steil (und damit tendenziell wellig). Zum Entrumpeln eines Signals taugt es also gut, zur Kompensation eines Nahbesprechungseffekts natürlich eher weniger.