Praxis
Konzept
Der Soulsby Atmegatron ist ein wahres Chamäleon, denn über ein (leider nicht beiliegendes und ca. 15 Euro teures) USB-TTL-Kabel können verschiedene Synths hinein geladen werden. Mehr noch: Wer will, kann selbst Hand anlegen und anfangen zu coden. Dazu muss man sich die Arduino Software herunter laden, allerdings nicht die aktuellste Version, denn die macht Probleme. Hat man die 130 MB auf dem Rechner, so muss man noch die Atmegatron Librarys herunter laden und schließlich den Quellcode für die einzelnen Synthesizer. Da alle Programme völlig offen vorliegen, kann sich der geneigte Hacker hier also in die Anfänge der DSP-Programmierung einarbeiten und das Ganze dann in den Atmegatron laden. Für die schon vorhandenen Synths gibt es Overlays, also Schablonen zum Ausdrucken, denn die Bedienelemente haben dann natürlich auch ganz andere Funktionen. Wir haben es hier also mit einer Art Mini-Nord G2 zu tun, bei der man sich die Software am Rechner zusammenstellen kann, um sie dann in die Hardware einzuspielen – allerdings auf einer ganz anderen Ebene, nämlich tatsächlich auf der Programmierebene. Leider gibt es hier nicht viel Unterstützung, das ist also eher etwas für Leute, die wirklich Lust auf Programmierung und ein paar entsprechende Vorkenntnisse haben. Im Vorwort der Anleitung heißt es dann auch richtig: Der Atmegatron ist für Performer, Programmierer und Hacker konzipiert. Weil sich am grundsätzlichen Klang des Synthesizers aber nicht viel ändert, beschäftigen wir uns im Folgenden ausführlich mit der Hauptmaschine selber, dem Atmegatron, um dann noch einen Blick auf die verfügbare andere Software zu werfen.
Klangerzeugung
Der Atmegatron beruht auf Wave Table PWM Synthesis, zu deutsch Wellentabellenpulsbreitenmodulationssynthese, was auf deutsch wie auf Englisch natürlich Quatsch ist. Konkret haben wir es mit Wavetables zu tun, in diesem Fall mit einfachen single cycle Schwingungsformen, die man analog der klassischen Pulsbreitenmodulation über den LFO modulieren kann. Wavetable bedeutet hier also nicht das Durchfahren von Klanglandschaften wie weiland beim PPG Wave oder dem Fairlight CMI und heute wieder beim Waldorf Nave, sondern ziemlich direkt klingende Sounds in der Tradition der Computerspiele der späten 1980er Jahre, Stichwort: Tracker Software und Chiptunes. Allerdings gehörig aufgebohrt, denn beim Atmegatron gibt es 32 Schwingungsformen zur Auswahl, und die sind sehr schön ausgewählt: Neben den üblichen Erscheinungen gibt es hier den Octave Square des Juno-60, einige Schwingungsformen aus dem PPG und dem Casio CZ-101 sind dabei und sehr schön auch eine „Pulse Wave (RP2A07)“. Die Internetsuche offenbart: Es handelt sich um einen Chip von Ricoh für das Nintendo Entertainment System. Donkey Kong 3 anybody?
Weil nun aber nur ein Oszillator zur Verfügung steht und einfache Schwingungsformen ziemlich statisch klingen, können alle diese von einem LFO in der Pulsbreite moduliert werden, was zumindest ein bisschen periodische Bewegung in die Klänge bringt und die Klänge schon auf Oszillatorebene anreichert. Aufgrund der niedrigen Bitrate fängt es hier also schon ein bisschen an zu knarzen und auch beim LFO kann man aus 15 Formen auswählen, die allesamt invertiert werden können. Eine Besonderheit ist hier das letzte Setting, das einfach einen DC Offset liefert und die ganze Schwingung nach oben verschiebt.
Danach kommt das Filter, und hier gibt es von moderat bis brachial alles zu haben. 15 Stück stehen zur Auswahl, und gerade das High Pass Filter oder die High Shelf Filter drehen ganz gehörig auf und sorgen für Stoff. Technisch interessant sind hier aber auch je zwei Butterworth- und Bessel-Filter, die beide ohne Resonanzkontrolle kommen und eine möglichst große Linearität besitzen. Musikalisch sind aber sicher einige der derber zupackenden Filter interessanter, denn nur sie können aus der 8-Bit-Maschine auch die entsprechenden kratzenden Klänge herauskitzeln.
Das Filter hat eine eigene ADS-Hüllkurve, die invertiert werden und auch auf die Tonhöhe des Oszillators einwirken kann. Die zweite Hüllkurve ist für die Lautstärke zuständig und im gängigen ADSR-Prinzip aufgebaut. Mit einer maximalen Dauer von sechs Sekunden kann man damit allerdings keine epischen Klanggebilde erzeugen.
Zuletzt kommen drei Effekte, als da sind eine Art Phaser, ein „Wave crusher“, was in der Tat so etwas wie ein Bit Crusher ist und schließlich ein Verzerrer. Danach geht es zum Audioausgang, der über den oben angesprochenen recht milden „Bass Booster“ verfügt.
Weiterhin bietet der Atmegatron einen Arpeggiator mit 15 Patterns und eine Portamento-Funktion. Der einzelne LFO, der auch für die Pulsbreitenmodulation zuständig ist, kann zugleich auch auf Tonhöhe, Filter, Lautstärke und Phaser einwirken.
Alles in allem lässt sich das alles über die Oberfläche des Atmegatron sehr schnell regeln. Wer sich allerdings schon über Alpha-Dials aufregt und am liebsten alles gleichzeitig im direkten Zugriff hat, wird hier wohl kaum glücklich werden, denn im Prinzip funktioniert das ganze Gerät so: links Funktion auswählen, rechts Wert einstellen. Dazu gibt es einige direkt steuerbare Parameter und wer mehr will, kann das über MIDI regeln. Gleichzeitig ist es natürlich aber so, dass sich niemand merken kann, auf welchem Platz sich jetzt welche der 32 Oszillatorwellen oder der 15 verschiedenen LFO-Schwingungsformen befinden. Da hilft also nur im Handbuch nachzuschauen, da findet man es dann aber auch recht schnell. Die 15 Filter sind übrigens im äußersten Kreis um den rechten Speed-Dial abgedruckt, was so schön aussieht, dass man überhaupt erst auf den zweiten Blick bemerkt, um was es sich da überhaupt handelt.
Sound
Klanglich ist der Atmegatron natürlich schon durch den Aufbau beschränkt: Ein einzelner Oszillator durchläuft ein Filter und eine Lautstärkehüllkurve, das ist natürlich eher dünne Kost. Und weil die Oszillatoren selbst schon ein bisschen dünn klingen, kommen die Effekte auch nicht so sehr zum Tragen, zumal es ja auch nur diesen einzelnen LFO gibt, der alleine für die „Lebendigkeit“ zuständig ist. Wer bei der Kombination von Wavetable-Oszillatoren und einer Anzahl an unterschiedlichen Verzerrern übrigens auch nur für einen kleinen Moment an den DSI Evolver gedacht hat: nein, nein und nein. Die digitalen Oszillatoren des Evolvers sind 12-bittig, haben 128 Schwingungsformen, beherrschen Ring-, FM- und Cross-Modulation… das ist schon vom Ansatz her eine völlig andere Baustelle. Der Atmegatron verspricht deshalb zurecht Chiptune-Ästhetik und behauptet, das wäre mit dem Arpeggiator auch zu schaffen. Allerdings muss man hier bedenken, dass Chiptunes meistens mindestens dreistimmig sind, während der Atmegatron eben nur eine Stimme produzieren kann.
Für dich ausgesucht
Weitere verfügbare Software
Am bemerkenswertesten sind hier sicherlich der Atmegadrum, eine Drummachine mit 16 Klängen und das Delayertron, ein Art Effekt-Looper. Für diese beiden Synthesizer gibt es übrigens nicht nur Overlays zum selber drucken, sondern auch für kleines Geld zu kaufen.
Der Atcyclotron, der vier unterschiedliche Wavetables durchlaufen kann, will eher zeigen, dass das möglich ist als dass er ein wirklich zu gebrauchendes Synth wäre. Das Gleiche gilt für den Atpolytron, ein vierstimmiger Synth, der aber immer noch auf Version 0.2 steht. Dann gibt es noch einen Duotron, ein zweistimmiger paraphoner Synthesizer und ganz neu den Odytron, der eigentlich ein ganz neuer Synthesizer von Soulsby ist, aber in naher Zukunft auch auf dem Atmegatron laufen soll.
Alternativen
Was gibt es an Alternativen: Der oben erwähnte Ploytech πλ² ist ein sehr preisgünstiger 8-Bit Kleinstsynthesizer mit einem wirklich fiesen Sound, allerdings ohne Regler und an den Sourcecode kommt man auch nicht heran. Der Meeblip anode ist da schon näher dran und ist dem Atmegatron auch vom Aufbau her gar nicht so unähnlich, denn auch er beruht auf Wavetables. Auch dieser Synthesizer ist sehr preisgünstig und es werden nur 500 davon hergestellt werden. Wer auf der Suche nach einem Effektgerät ist, wird beim OTO Biscuit fündig, der ab Firmware Revision 2 auch zu einem Monosynth samt Overlay wird. Das Ganze heißt dann „Der Mask“ (sic!), ist aber preislich um einiges teurer.
Wer mehr in Richtung Selber-Programmieren gehen will, kann sich von Soulsby den miniAtmegatron oder den Arduino Piggyback Synthesizer von Tasty Chips anschauen. Beide Geräte laufen nur in Verbindung mit einem Arduino Board und bieten als eigenständige Synthesizer noch nicht richtig viel, sind also eher Bastelboards und kosten auch nur so viel. Für die vielen, vielen Projekte, die auf Arduino laufen, sei hier stellvertretend der inzwischen ausverkaufte SJS-ONE Synth genannt. Aber auch diejenigen, die lieber analoge Oszillatoren verwenden, aber trotzdem programmieren wollen, werden nicht allein gelassen: Sehr schön sind hier der PAiA FatMan und erst seit kurzem eine kleine Wundermaschine, die sich sogar ins beliebte Eurorack Format eingliedert: der NS1nanosynth von soundmachines. Preislich liegen die beiden letztgenannten Synthesizer in der gleichen Liga wie der Atmegatron.