Sound-Design – ein gewichtiges, klangvolles Wort. Viele Bereiche unseres Lebens sind von Sound-Design berührt. Oftmals ist es uns aber nicht bewusst, wie tief diese Klanggestaltung im Alltag verankert ist. Autobauer betreiben hohen Aufwand, damit die Autotür satt klingend zufällt oder der Motor sonor brummend dem Käufer einen schnellen Vortrieb verspricht. Opernhäuser und Kammermusiksäle werden nach speziellen Computermodellen gebaut und so eine optimale Raumakustik garantiert. Filme leben von Geräuschen, die maßgeschneidert auf Szenen gesetzt werden, um die Emotionalität von Bildern hervorzuheben. Elektrische Geräte, wie Telefone oder Waschmaschinen signalisieren uns mit Tönen ihre Bereitschaft und den Betriebszustand.
Im Musikbereich bekommen wir mit jedem Soft- und Hardware-Synthesizer unzählige Presets mitgeliefert. Ganze Industriezweige sind damit beschäftigt, Loops für die Musikproduktion zu erstellen. Dies ist nur ein kleiner Überblick aus der Welt, die wir als Sound-Design bezeichnen.
Als Musiker beschäftige ich mich mit stetig wachsendem Zeitaufwand, mit dem Kreieren und der Bearbeitung von Klängen. Ich erstelle Presets in Soft- und Hardware-Synthesizern, verwalte und katalogisiere Samples, experimentiere mit Klangstrukturen, komponiere Tonfolgen und füge Klanglandschaften zusammen. Um der schieren Vielfalt ein wenig Herr zu werden, zeige ich euch in diesem Workshop anhand von drei Beispielen die Möglichkeiten, die zeitgemäße Software bietet.
Details
Beispiel-Setup mit Dust und Adaptiverb
Die Beteiligten auf der Klangbühne im ersten Akt sind Dust von Soundmorph und Adaptiverb von Zynaptiq. Soundmorph, ein kanadisches Ein-Mann-Unternehmen, geführt von Jason Cushing und im Jahr 2013 gegründet, stellt Sample-Sammlungen und neuerdings auch Software-Plug-ins her. In Kooperation mit Jason ist eine Sammlung von dunklen, cineastischen Soundscapes entstanden, genannt Doom Drones. Sound-Design für Filme und Ambient Produktionen. Dust, das jüngste Kind von Soundmorph ist ein granularer Synthesizer, kombiniert mit einem Convolution-Reverb. Klänge können binaural im Raum positioniert und bewegt werden.
Hier seht ihr Dust als VST-Plug-in, eingebunden in Ableton Live.
Als Ausgangssound für einen der “Emitter” kommt der folgende Klang zum Einsatz:
Wie auf dem Bildschirmfoto zu sehen ist, kommt auch die Convolver-Sektion zum Einsatz und gibt dem Basis-Sample eine klangliche Färbung in Form von Eigenresonanzen und Texturen. Fast alle Parameter in Dust können ausgiebig moduliert werden. LFOs, Sequencer und MIDI stehen in Dropdown-Menüs zur Verfügung.
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Auf dem Bild seht ihr, dass Parameter wie Grain Length, Position usw. durch langsam schwingende LFOs moduliert werden. Auch die Parameter im “Flowfield”, der dynamischen, binauralen Positionen im Klangraum, können moduliert werden. Bei der Anzahl von maximal acht Emittern (also granularen Synthesizern) und der Modulation auf X/Y-Achsen im “Flowfield” kann einem schon ganz schön schwindelig werden.
Das klingt schon ganz interessant, ich möchte diesem Soundscape aber eine andere, tonale Prägung geben. Also kommt ein zweiter Spezialist zum Einsatz, das Adaptiverb von Zynaptiq. Hier sind Dust und Adaptiverb in schöner Zweisamkeit auf dem Bildschirm zu sehen:
Adapti … was? Nicht einfach ein schnödes Hallgerät, nein. Die Software analysiert den Klang und filtert spektrale Bestandteile weg oder fügt sie dem Signal hinzu. Und damit nicht genug, kann das Eingangssignal synthetisiert werden und “folgt” sozusagen der Tonhöhe oder dem Spektrum. Eine Freeze-Funktion lädt zum Experimentieren und Samplen ein.
Hier hört ihr die beiden Klangspezialisten im Zusammenspiel:
Im Klangbeispiel wird die tonale Prägung von Adaptiverb hörbar. Das Signal wird homogener, flächiger und bekommt einen anderen Charakter. Die Prozessorlast ist hoch beim Einsatz beider Plug-ins, mein iMac bekommt schon dicke Backen, aber das Ergebnis lohnt sich und wird als Audiofile gerendert.
Vorhang auf zum zweiten Akt. Die Klangbühne betreten nun: Native Instruments Form Synthesizer, die Spektral-Effekte von Michael Norris, der Granular-Synthesizer Mangle sowie das Earverb 2. Zunächst der Ausgangssound:
Der Klang ist mit Form erstellt. Ein Sample-Synthesizer mit einigen Raffinessen, der in Reaktor 6 läuft. Mit ihm lässt sich vortrefflich experimentieren. Samples können per Drag’n’Drop in ein Fenster zur Weiterbearbeitung gezogen werden. Nachdem man einen Bereich ausgewählt hat, in dem das Sample wiedergegeben werden soll, können in der Syntheseabteilung Formanten verschoben und die “Abspielrichtung” mit verschiedenen Kurven festgelegt werden. Eine Art Tonkopf rotiert über das Sample und gibt es mit einer granularen Charakteristik wieder.
Die eigentliche Klangdesign-Arbeit übernehmen dann die Spektral Effekte von Michael Norris. Diese stellt er kostenfrei zur Verfügung.
Ich empfehle diese Sammlung wärmstens. Es lohnt sich sehr, damit Klänge spektral zu bearbeiten. Überraschungen sind garantiert, versprochen.
Hier seht ihr den Spektral Drone Maker in Aktion:
Ich benutze den Nugen Audio Visualizer zur Darstellung der Frequenzverteilung und der Beurteilung verschiedener anderer Parameter. Sehr gut im oberen Bild ist zu erkennen, wie sich die Intensität der tiefen Frequenzen verteilt. Hier in Gelb, Orange und Grün dargestellt.
Auf der rechten Seite seht ihr ein Fenster mit dem Plug-in von Michael Norris, dem Spektral Drone Maker. Wie der Name schon andeutet, macht es genau das aus jedem Klang, eine schwebende Spektralwolke:
Mit den Parametern “Interpolation Length” und “Interp Length Variance” lässt sich die Form der Klangwolke formen. Es gibt noch eine Combfilterbank, Filterresonance, ein Gate und High/Lowcut-Einstellungen der Gesamtfrequenz. Letztere filtert die Frequenz der Klangwolke im hohen und tiefen Frequenzbereich.
Mit dem Plug-in Grain Streamer lassen sich weitere, ungewöhnliche Klänge formen:
Das granulierte Signal lässt sich auf der Zeitachse manipulieren. Es lässt sich einfrieren – Freeze Probaility und die einzelnen Klangpartikel/Grains lassen sich in der Länge, jeweils Start- und Endpunkt variieren. Das hört sich schon sehr abgefahren an, oder?
Beim Gate and Hold Plug-in lassen sich eine größere Menge an Parametern einstellen. Es lässt sich zunächst festlegen, welche Teiltöne/Partials angesprochen werden sollen. Die Anzahl der Partials ist einzustellen sowie die Haltelänge, Haltezeit usw. Ein wahrer Experimentierbaukasten!
Der resultierende Klang:
Eine obertonreiche, schwirrende, metallische Klangstruktur. Sehr interessant. Das inspiriert mich, den Mangle Granular-Synthesizer auf die Klangbühne zu holen und flux einen Sound aus dem Hut zu zaubern:
Der “Spectral Gate and Hold” Sound wird in Mangle zu Grains zerlegt und von einem LFO langsam durchfahren. Es entsteht eine Art “Mandolineneffekt” oder “Balalaikaeffekt”. Die Transienten des Samples werden rhythmisch getriggert. Ich habe eine kurze Tonfolge in Live eingespielt, mit der das Instrument angesteuert wird.
Ein weiterer Mitspieler ist das Earverb 2 von eaReckon und liegt im Signalfluss hinter Mangle. Der gespielte Klang wandert im Stereopanorama von links nach rechts und von der Hörposition weg. Das lässt sich mit einem weißen Punkt in der POS- (Position) Abteilung bewerkstelligen.
Im dritten und letzten Akt betreten Madrona Lab’s Kaivo und der Fog Convolver von Audio Thing die Klangbühne.
Kaivo besteht aus einem Granular-Synth, gekoppelt mit einer ausgewachsenen Resonatorabteilung. Der Clou ist eine grafische Modulationsmatrix, ein Fenster in der Mitte des Synthesizer Plug-ins, in der farblich kodierte “Strippen” gezogen werden können, um Parameter zu modulieren. Das kann alles sein, was nicht bei zwölf auf den Bäumen ist. Von der Position der Grains bis zur Größe der Resonatoren.
Als Ausgangsklang in der Grain-Abteilung befindet sich:
Dieser Sound aus dem Kontour-Synthesizer von Native Instruments, entwickelt von Stephan Schmitt (Begründer von Native Instruments und Nonlinear Labs), regt mit seiner obertonreichen Struktur die Resonatorkammern von Kaivo an.
Der daraus resultierende Klang ist ein hybrides Instrument, irgendwie synthetisch und doch mit akustischer Anmutung. Je nach gewähltem Resonatormodell klingt es nach Gitarre, metallisch nach Glocke oder nach einer Sprungfeder.
Ich habe den Resonator “Nylon String” ausgewählt. Ein LFO moduliert die X/Y-Position der Grains kontinuierlich (Im Kaivo Fenster links unten zu sehen) und imitiert so spielende Finger auf den virtuellen Saiten. Ich habe damit ein wenig improvisiert und eine Spur in Ableton Live aufgenommen.
Der Fog Convolver, rechts im Bild, prägt der hybrid, virtuellen Gitarre ein flirrendes Hintergrundgeräusch auf. Das Ausgangssignal hierfür ist ein Geräusch, das entsteht, wenn Dachziegel über einen Steinboden gezogen werden. Die Obertonstruktur und die Transienten werden dem Gitarrenklang aufgeprägt. Diese Technik, auch als Faltungshall bekannt, fasziniert mich sehr. Mit ihr lassen sich sehr ungewöhnliche Klänge basteln.
Für den Kaivo-Klang habe ich im Fog Convolver die tiefen Frequenzanteile des IR-Samples herausgefiltert (Highpass-Filter) und das “Wet-Signal” auf 50 Prozent gedreht. Es ist deutlich zu hören, wie sich die Gitarrenklänge im Hintergrund wie eine Fahne nachziehen und eine strahlende Hintergrundtextur bilden. Damit fällt der Vorhang der Klangvorstellung und ich möchte euch noch ein paar Tipps mit auf den Reiseweg geben.
In meiner Arbeit als Musiker und Sound-Designer sind MegaTonnenTerrabyte an Klangmaterial auf den Festplatten gelandet. Fieldrecordings, Samples, Soundstrukturen und so weiter und so fort. Eine Software, diese Datenmengen zu sortieren, hat mir dabei sehr geholfen:
Das ist meine “Schaltverwaltzentrale” für alle Sounds. Hier verwalte ich meine Samples, kann sie sortieren, schneiden, normalisieren und mit Tags versehen. Sehr wichtig im unübersichtlichen Klangdschungel.
In der täglichen Arbeit suche ich nach bestimmten Sounds. Wenn ich sie nicht an ihrer Bezeichnung wiedererkenne oder an ihrer charakteristischen Wellenform, dann finde ich sie mit Hilfe von “Tags”. Das Tag-basierte System sortiert mir automatisch nach Wunsch Klänge mit der Eigenschaft “metallisch”, “rhythmische Struktur” usw.
Die Software ist vorbildlich aufgebaut. Im linken Feld werden alle verfügbaren Laufwerke angezeigt. Im Hauptfenster sind die Einzelklänge mit einer Wellenformdarstellung, Dateigröße, Erstellungsdatum, Bit-Auflösung usw. aufgelistet. Rechts im Fenster werden die Metadaten angezeigt. Plug-ins werden mit eingebunden und ein ausgewachsener Sample-Editor ist auch mit an Bord. Sound-Designer-Herz, was willst du mehr. Und das Ganze ist auch noch sehr erschwinglich.
Noch ein kleiner Tipp zum Thema Festplatten und Speicher: Ich setze auf redundante Systeme. Die Sounds, die ich in stunden-tage-wochenlanger Arbeit kreiert habe, speichere ich immer auf mehreren Laufwerken. Jetzt schließt die Klangwerkstatt. Abschalten, entspannen und über neue Klänge nachdenken.
Viele Grüße
Arovane