Praxis
Betrachtet man Gewicht und Solidität, bekommt man beim Soundcraft GB2R auf jeden Fall viel Hardware für sein Geld. Dafür verantwortlich ist in erster Linie das sehr stabile Metallgehäuse im 19“-Format, das auf meiner häuslichen Waage mit immerhin neun Kilogramm Lebendgewicht zu Buche schlägt. Wie schon erwähnt, lässt sich das Anschlussfeld des Mixers zum Einbau in ein Rack in zwei Positionen verändern. Die Anschlüsse können nach hinten zeigen und stehen so gut sichtbar sofort zum Anschluss der Peripherie zur Verfügung, oder man wählt die Variante des festen Einbaus und klappt das Anschlussfeld unter das Mischpult. Das allerdings bedeutet je nach späterer Mischpultposition, dass man unter Umständen keinen permanenten direkten Zugriff auf die Anschlüsse des Pultes mehr hat. Für diese Umbauaktion sollte man sich auf jeden Fall sehr gute Kreuzschlitzschraubendreher zurechtlegen, denn die betroffenen Schrauben sitzen alle extrem fest und sind wohl maschinell angezogen. Das wiederum spricht natürlich für ein extrem roadtaugliches Gerät.
Eine farblich übersichtlich gestaltete Oberfläche mit „richtigen“ 100mm-Fadern liegt vor mir. Das erste kleine Problem ergibt sich bei der Kanalbeschriftung: Es ist auf dem GB2R keine Fläche frei, auf der man durchgehend einen Klebestreifen unter oder über die Kanalfader zur Kennzeichnung der Eingangssignale befestigen kann. Ich entscheide mich für kleine Papieraufkleber (55 x 15 mm), die ich hochkant neben die einzelnen Fader klebe – etwas gewöhnungsbedürftig, aber es erfüllt seinen Zweck.
Die Position der Mischpultanschlüsse ist sehr übersichtlich und logisch, sodass die notwendige Verkabelung für eine Testanordnung schnell erledigt ist.
Zum Einpegeln der verschiedenen Eingangssignale liegt ungefähr in der Mitte der langen Fader die PFL-Taste mit ihrer roten LED-Anzeige. Leider greift dieser Messpunkt das PFL-Signal vor der Klangregelung im Kanal ab. Bei Stimmen oder Instrumenten mit extrem angehobenen oder abgesenkten Frequenzen könnte es hier schnell zu einer extremen Fehleinschätzung des Signalpegels kommen.
An den Direktausgängen auf dem Anschlusspanel habe ich eine Mehrspurmaschine angeschlossen. Das ausgehende Signal liegt hinter dem Gain-Regler, dem Fader und hinter der Klangregelung. Schaltet man diesen Ausgang auf Pre, so erhält man ein Audiosignal vor dem Fader und ebenfalls vor der Klangregelung. Ein stressfreies Multitrack-Recording ist also mit diesem Mischpult ebenfalls schnell und einfach möglich. Erste Entzerrungsversuche an der Vier-Wege-Klangregelung mit zwei parametrischen Mitten verzücken das Ohr. Alles ist möglich und sauber hörbar. Die Höhen können mit +15 dB extrem angehoben werden, ohne ein ungewolltes Rauschen zu addieren. Der gesamte Mittenbereich klingt sehr sauber, und wenn gewünscht, lässt sich der richtige Punch im Bassbereich hervorzaubern. Alles klingt sehr offen und keineswegs elektrisch oder künstlich. Rastende Gain-Regler in der Klangreglung und der EQ On/Off-Schalter helfen auch wieder mal bei der schnellen Kontrolle des Eingestellten. Es gibt einen sehr großen Headroom am Gain-Regler. Auch bei permanent leuchtender roter Übersteuerungsanzeige passiert im Klangbild noch gar nichts. Diese neuen Vorverstärker von Soundcraft heißen GB30 und werden beim Hersteller auch in den großen Mischpult-Brüdern eingesetzt. Sie zeichnen sich durch Rauscharmut und sehr hohe Übersteuerungsfestigkeit aus.
Das ist wirkliche Audioqualität.
Persönlich finde ich die festgelegte Frequenzwahl für die Stereoeingänge beim Bass etwas zu tief und beim Höhenregler mit 13 kHz ein wenig zu hoch angesetzt, was aber durchaus auch eine Geschmackssache sein kann. Mag sein, dass die Kuhschwanzregelung bei der Korrektur bestimmter Signale auch dabei Sinn macht. Die Klangregelung des GB2R überzeugte aber sonst ohne Einschränkung. Kein Addieren von nervigem Rauschen in den Höhen und ein sehr klarer und gut klingender Bass sowie eine saubere Mittenreglung. Die parametrischen Regler überlappen sich und so bleibt kein Frequenzbereich unbearbeitet. Man hat permanent das Gefühl, beim Anheben von Frequenzen auch eine klangliche Wärme zu erzeugen und den Grundsound zu verbessern. Das ist wirklich ein großes Feature der GB30-Technik und sicherlich auch ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für die Anschaffung dieses Pultes. Auf jeden Fall macht es richtig Spaß, mit diesen 18 sehr leichtgängigen 100mm-Fadern seine Audioarbeit zu mischen. Der Anschluss von externen Dynamikprozessoren ist denkbar einfach und die Ein- und Ausgangspegel dafür machen absolut keine Probleme. Externe Hallgeräte oder Verstärker für Monitorboxen lassen sich sofort mit vernünftigen Arbeitspegeln speisen, und die wartenden Musiker lächeln tatsächlich immer noch, da alles sehr schnell geht.
Lobenswert sind die Aufmachung und der Inhalt der Bedienungsanleitung. Es wird sehr einfach und verständlich das Handling des Mischpultes erklärt. Ein Blockschaltbild zeigt den strukturellen Aufbau und ein kleiner Fehlerkatalog versucht bei Verbindungsproblemen zu helfen. Für das grafische Festhalten von allen Einstellungen und zum Archivieren gibt es in der Bedienungsanleitung eine Seite mit leeren Einstellnotizen. Man kann sich Fotokopien machen und manuell die einzelnen Reglerstellungen in das Blatt eintragen. Hilfreiche Zeilen zum Thema Lautstärke, Überlegungen zur Verkabelung und zur Fehlersuche fehlen ebenfalls nicht. Ein weiterer Zusatz in der Anleitung erklärt die Belegung der verschiedenen Anschlusskabel und eine Zeichnung hilft beim Umbau der Anschlussplatte. Wenn diese umgesetzt wird, ist nach Fertigstellung das gesamte Gehäuse wieder in sich mechanisch geschlossen.
Für dich ausgesucht
Für Havariefälle gibt es im Mixer einen Anschluss für ein externes Netzteil. Das ist natürlich eine große Hilfe, sollte das Netzteil unterwegs seinen Geist aufgeben. In der Praxis braucht es allerdings etwas Zeit, bis man das Mischpult geöffnet und diesen Anschluss gefunden und freigelegt hat. Eine nicht unbedingt sehr praktikable Lösung, aber im Falle des Falles zumindest eine rettende Option. Sollte der Wunsch aufkommen, die Lage der Ausspielwege zu verändern, so kann ein Soundcraft-Fachhändler diese umschalten und zum Beispiel Aux 1 bis 4 vor EQ und Fader legen. Dieser Eingriff darf aber nur von einer autorisierten Werkstatt vollzogen werden, da sonst die Garantie des Neugerätes erlischt.