Sounddesign und Mixing mit dem Soundtoys 5 Bundle! Wir zeigen euch, wie Mixe professioneller klingen und das Sounddesign noch abgefahrener wird. 808s mit dem Decapitator böse klingen lassen, Loops mit dem Crystallizer akustisch zum Glitzern bringen, Vocoder-Effekte, mit Little AlterBoy und Echoboy nicht nur Delays, sondern auch Reverb in Studioqualität erzeugen: Das alles und noch viel mehr zeigen wir euch auf fünf Leveln.
- Unter der Haube – versteckte Einstellungen und Tipps für alle Soundtoys
- Böse 808s mit Decapitator und Wah Wah mit Filterfreak
- Stereobreite mit Little Microshift und exponentielle Rhythmen mit Tremolator
- Sie-Q für cremige Hihats und Funky Ghost-Notes im Drumloop mit Echoboy
- Futuristischer Hall mit Echoboy Jr. und glitzernde Synths mit Crystallizer
- Lo-Fi-Telefon-Vocals mit Echoboy und Vocoder mit Little Alterboy
- Fazit
Kaum ein Plugin-Effekt-Bundle ist so beliebt wie Soundtoys 5. Die 21 Effekte bieten von zarten Saturation-Plugins über edle Platten-Hall- und Delay-Emulationen für Vintage Vibes bis hin zu granularen Zerstörern fast alles, was es für abgefahrenes Sounddesign und professionelles Mixing braucht. Grundsätzlich gilt bei Soundtoys: Ohne analoge Färbung geht es nicht. Wer also eher einen neuen Kompressor oder EQ zum Mixing sucht oder sein Arsenal an Faltungshall-Plugins ausbauen möchte, ist bei anderen Herstellern besser bedient.
Einige der Plugins gibt es in Groß und Klein: Echoboy etwa hat auch eine Juniorversion. Weiter sind mit Little Microshift, Little PrimalTap und Little Radiator insgesamt vier Miniausgaben von großen Soundtoys-Effekten erhältlich. Außerdem erfreuen sich Little AlterBoy und Little Plate großer Beliebtheit, ohne dass es von ihnen (bisher) große Versionen gibt. Alle Soundtoys-Plugins eint das etwas in die Jahre gekommene Skeuomorph-Design mit Holzrändern, virtuellen Schrauben und dreidimensionalem Poti.
Unter der Haube – versteckte Einstellungen und Tipps für alle Soundtoys
Unter dieser altbackenen Oberfläche sind einige Überraschungen versteckt. YouTuber Noize hat zwei sehr nützliche Tipps verraten, und zwar „Parameterwerte anzeigen“ und „Parameter Lock“. Wer lieber mit genauen Parameterwerten arbeitet, als Regler nach Gehör einzustellen, klickt einfach den Titel jedes einzelnen Potis an. Dieser zeigt dann den gerade eingestellten Wert an. Jeder Parameter kann in den Soundtoys-Plugins festgeklebt werden, damit er beim Preset-Wechsel auf der eingestellten Position bleibt. Dafür hält man auf dem Mac Alt und Ctrl (Windows: Strg + Alt) gedrückt und klickt auf den jeweiligen Poti, woraufhin der sich dann rot färbt und eben dort bleibt. Außerdem kann jeder Poti per Doppelklick auf seinen Standardwert zurückgesetzt werden. Feinjustierungen in kleineren Schritten werden auf Macs an jedem Regler mit Maus und gehaltener CMD-Taste (Windows: Shift) vorgenommen.
Bei einigen Soundtoys-Effekten befindet sich auf der rechten Seite ein „Tweak“-Button (links bei PrimalTap). Über den kann unten am Plugin eine weitere Seite mit Detail-Einstellungen aufgeklappt werden. So wird bei rhythmisch modulierenden Plugins wie Tremolator oder Filter Freak beispielsweise ein eigener, bis zu 32 Takte langer Rhythmus mit individueller Wellenform programmiert. Die Wellen lassen sich mit gehaltener ALT-Taste im Raster dabei auch anteilig senken und verschieben (siehe Bild 3). Diese individuell gestalteten Wellen und Rhythmen können weiter in allen Soundtoys-Plugins mit Rhythmusfunktion (FilterFreak 1+2, PanMan, PhaseMistress, Tremolator) abgespeichert und geladen werden.
Böse 808s mit Decapitator und Wah Wah mit Filterfreak
808s – hier geht es um die Basssounds aus Trap, Drill und Hyperpop, nicht um die Kick der gleichnamigen Drum Machine – können einfach nicht groß und böse genug klingen. Effekte für Verzerrung und Sättigung helfen dabei. Bei Verzerrungen im Bassbereich ist kein Soundtoys-Plugin so mächtig wie der Decapitator. Fünf Verzerrungsalgorithmen, die alle auf alten Studiolegenden (A = Ampex 350 Bandmaschine, E = Chandler/EMI TG-Channel, N = Neve 1057 Input, T = Thermionic Culture VultureTriode, P = Thermionic Culture Vulture Pentode) basieren, bieten für 808s jeder Couleur Mixing-Varianten von sanftem Anwärmen bis zur kompletten Zerstörung.
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Welcher der fünf Verzerrertypen passt, hängt vom Sound der 808 ab. Wir empfehlen, wie im Soundbeispiel bei der A-Einstellung zu bleiben. Sie lässt den Bass voller und wuchtiger klingen und weniger kratzig als die anderen. Die drei Regler „Low“, „High“ und „Tone“ in der Mitte beeinflussen das Signal, bevor es in die Verzerrungsstufe kommt. Stellt „Low“ auf 56 Hz. So werden alle Frequenzen des Eingangssignals darunter gefiltert, der Decapitator verzerrt nur darüber. Dazu bringt „Tone“ bei -6 dB die richtige Anhebung im Bassbereich für noch mehr Druck (siehe Bild).
Filter Freak 1 macht den Wah Wah. Am besten klingt der Effekt bei besonders dynamischem Audiomaterial. Sprich, je höher die Pegelspitzen sind, desto ausgeprägter das Wah. Filter-Freak-Version 1 reicht mit einem Filter vollkommen aus. In der Mitte ist das Plugin standardmäßig auf den „Envelope“-Modus eingestellt. Und bei diesem bleibt es auch. In diesem Modus wird die Lautstärke des Eingangssignals als Modulationsquelle genutzt. „Thresh“ gilt es so einzustellen, dass das Plugin nur auf die lauteren Signalanteile reagiert (siehe Bild). Noch ist vom Wah nichts zu hören, denn in Filter Freak 1 muss der Cutoff links noch so tief eingestellt werden, dass überhaupt eine Modulationsbewegung möglich ist. Gut 300 Hz sind für den Gitarrenloop passend. „Mod“ bestimmt dann, wie stark der Cutoff bewegt wird. Stellt hier am besten einen Wert von 0.5 ein. Letzte Zutat zum Wah Wah: „Resonance“ auf 6 dB stellen.
Stereobreite mit Little Microshift und exponentielle Rhythmen mit Tremolator
Vocals in die Breite schieben, das Synth-Solo doppeln, ohne es noch einmal einzuspielen: Stereo-Widening-Effekte sind im Mixing sehr wichtig. Diese Breite erreichten Hardware-Studiolegenden wie der Eventide H3000 mit einer Dopplung des Monosignals und dann jeweils leichter Tonhöhenmodulation links und rechts. Auf zwei Presets des H3000 basieren die Soundtoys-Effekte Microshift und Little Microshift. Zweiter reicht für Widening im Vintage Style vollkommen aus. Wählt für das Rhodes-Piano Modus I und stellt den Mix auf 70 Prozent.
Was kryptisch klingen mag, ist vom Prinzip her simpel. Ein exponentieller Rhythmus beginnt entweder sehr langsam und wird immer schneller oder eben umgekehrt. Glitch Artist Mr. Bill nutzt diese Rhythmen häufig in seinen Tracks. Ohne jede Automation ist so ein Rhythmus mit dem Tremolator möglich. Zum Einstieg klappen wir rechts im Plugin Tweak auf und wählen bei „Shape Preset“ die Wellenform „RampDown“. Diese ist spitzer als die voreingestellte Sinuswelle. So ist der Tremolo-Effekt deutlicher zuhören, da die Modulationsbewegung nun abgehakter ist.
Als Audiomaterial braucht es idealerweise einen Loop oder eine Aufnahme mit deutlichen Dynamikunterschieden. Das liegt daran, dass Tremolator in der jetzt folgenden Einstellung auf Lautstärkeunterschiede reagiert. Der Regler für die exponentiellen Rhythmen heißt „RateMod“ und befindet sich im Tweak-Bereich. Je mehr ihr diesen in Richtung „Fast“ aufdreht, desto schneller schießt die Geschwindigkeit an lauten Stellen in die Höhe.
Sie-Q für cremige Hihats und Funky Ghost-Notes im Drumloop mit Echoboy
Im Schatten der großen Decapitator- und Echoboy-Effekte fristet der simple Analog-Equalizer Sie-Q sein Dasein – zu Unrecht! Denn so, wie der simple Drei-Band-Equalizer butterweiche Höhen, Mitten und druckvolle Tiefen im Signal anhebt, klingt das ganz schön gut, und das spielt bei Analogemulationen ganz vorne mit. Der virtuelle Nachbau des Siemens w295b bietet zwar keine besonderen Tricks oder Geheimnisse, ist aber beispielsweise beim Bearbeiten von zu spitz oder dünn klingenden Hi-Hats sehr nützlich. Wir nutzen ihn im Beispiel so: Zum Dämpfen der spitzen Höhen wird das High-Band um -7 dB gedämpft. In den Mitten wird es um 5 dB bei 3,5 kHz angehoben.
Einer der vielseitigsten Effekte im Bundle ist Echoboy. Fünf Delay-Modi, 31 Delay-Färbungen, unterschiedlichste Notenwerte von Triolen über punktierte hin zu eigenen Delay-Rhythmen, zwei Swing-Parameter – hier bleiben kaum noch Wünsche offen. Mit wenigen Klicks ist aus dem Delay-Effekt schnell ein schleppend groovender Ghost-Notes-Produzent gemacht. Bei Schlagzeugrhythmen verkörpern Ghost Notes besonders leise Snare-Schläge, die den Groove stark verändern oder unterstützen können (berühmtes Beispiel: Led Zeppelin – Fool in the Rain). Mit Echoboy könnt ihr diese Ghost Notes in jedem Drum Loop erzeugen.
Zwei Zutaten braucht es: Die Delays müssen erstens stark gefiltert werden, damit sie möglichst eindeutig nach dumpfer, leiser Snare-Drum klingen. Sie dürfen weder zu viel Bassanteil, noch zu spitze Höhen enthalten. Low-Cut (0.6) und High-Cut (0.8) werden dementsprechend eingestellt. Für den eigentlichen Groove stellen wir zweitens bei „Rhythm“ gerade Sechzehntel ein und drehen das Feedback dann auf 0.9. Das Triolische und Treibende kommt jetzt von den beiden Reglern „Groove“ (0.085) und „Feel“ (0.065). Beim Einstellen werdet ihr merken, wie stark sich selbst kleinste Veränderungen der beiden Regler auf das Feeling auswirken. Außerdem wählt ihr bei der Delay-Färbung unten rechts im Plugin noch „Space Echo“ aus. Das bewirkt, dass sich die Echos klanglich ähnlich wie der gleichnamige legendäre Roland-Delay-Effekt „Space Echo RE-201“ färben.
Futuristischer Hall mit Echoboy Jr. und glitzernde Synths mit Crystallizer
Auch wenn er natürlich nicht ganz so viele Möglichkeiten bietet, sollte man den Junior der Echoboy-Familie nicht unterschätzen. So hat er zum Beispiel einige Delay-Modi im Gepäck, die es in der großen Version nicht gibt. Und diese lassen sich hervorragend als Hall nutzen. Richtig gehört, mit den passenden Einstellungen wird Echoboy Jr. zum Reverb! Stellt dazu „Ambient“ als Echo-Modus in der Mitte ein, wechselt die Delay-Geschwindigkeitseinteilung links auf „Time“ und dreht dann die „Echo Time“ auf 0,0 Sekunden. Dreht ihr nun „Feedback“ auf und lasst „Mix“ auf 100 Prozent „Wet“, könnt ihr auf eurem Signal einen metallischen und sehr eigen klingenden Hall hören.
Crystallizer ist einer der spektakulärsten Effekte im Soundtoys-Bundle. Der Granular-Delay zaubert aus der zartesten Klaviermelodie mit den richtigen Einstellungen wunderschöne Glitzerwolken und im nächsten Moment bitterböses Donnergrollen. Wir verschönern hier einen typischen House-Keys-Loop. „Pitch“ wird im Plugin dazu auf 1200 cents gestellt. Damit sind die flirrenden Grain-Delays eine Oktave höher als das Eingangssignal. Anschließend stellt ihr „Recycle“ auf 0.6 und „Delay“ auf „0 Notes“. Der „Recycle“-Regler funktioniert ähnlich wie das Feedback in Delay-Effekten. Je höher der Wert ist, desto mehr Granular-Delays sind zu hören. Für den Loop reicht uns 0.740.
„Splice“ in der Mitte bestimmt, wie schnell Crystallizer neue Granular-Echos erzeugt. Hier kommt es sehr auf die Art des Signals an, ob eher kleine oder große Werte passen. Bei perkussiven Sounds wie unserem House-Keys-Loop eigenen sich am besten kurze „Splice“-Werte wie Sechzehntel. Bei einem sphärischen Pad-Sound, der langsam ein- und ausfadet, führen halbe oder sogar ganze Noten zu besseren Ergebnissen. Zum Schluss wird der High-Cut-Filter im Tweak-Bereich noch auf 4750 Hz gestellt. Die Höhen der Delays werden auf diese Weise stark genug gedämpft, um den Sound nicht zu spitz werden zu lassen.
Lo-Fi-Telefon-Vocals mit Echoboy und Vocoder mit Little Alterboy
Echoboy, die Dritte! Wir kombinieren, was wir in den vorherigen Echoboy-Tipps angewendet haben. Als erstes nutzen wir eine der 31 Delay-Färbungen im großen Echoboy, und zwar „Telephone“. Um nur den Telefoneffekt ohne zusätzliche Echos zu hören, nutzen wir den 0-Sekunden-Trick von Echoboy Jr. Also Zeiteinstellung von „Echo Time“ auf „Time“ stellen und dann den Regler nach ganz links auf 0,0 Sekunden. Nun noch links den „Mix“ auf 100 Prozent drehen – fertig sind die Lo-Fi-Vocals!
Little Alterboy gehört bei Hyperpop-Produzenten neben Auto Tune zunehmend auch im Trap und Hip-Hop zu den beliebtesten Vocal-Effekten. Gerade der Formant-Regler, der unabhängig vom Pitch-Regler verändert werden kann, wird bei Vocal-Loops oft für Alien-Effekte genutzt. Aber wusstet ihr, dass Little Alterboy auch als Vocoder einsetzbar ist? Das Plugin kann mit MIDI-Noten gesteuert werden. Dafür müsst ihr eine leere MIDI-Spur erzeugen und sie in Little Alterboy auf die Audio-Spur routen. In den meisten DAWs lässt sich der Spurausgang bei leeren MIDI-Spuren in andere Spuren routen. Hier sollte Little Alterboy dann, wie auch im Bild bei Ableton Live zu sehen, direkt als Routing-Option erscheinen. Stellt anschließend in der Mitte des Plugins den „Robot“-Modus ein. Mit diesem wird jede melodische Bewegung im Eingangssignal unterdrückt und alles bleibt auf einer Tonhöhe. So steuern allein die MIDI-Noten die Tonhöhe.
Erzeugt nun einen Clip mit einigen MIDI-Noten in unterschiedlicher Tonhöhe auf der leeren MIDI-Spur. Wichtig: Little Alterboy reagiert nur auf Noten aus dem Bereich zwischen C2 und C4, achtet also darauf, dass eure Melodie in diesem Notenbereich liegt. Spielt ihr nun ab, folgt Little Alterboy der Tonhöhe eurer Noten. Leider erlaubt das Plugin nur „Monophonic Voice Manipulation“, mehrstimmige Akkorde könnt ihr nicht hineinschicken. Für echten Vocoder-Sound braucht es die aber. Das geht mit dem Plugin nur über den Umweg beide Spuren zu duplizieren (Audiospur mit Gesang, Little Alterboy und leere MIDI-Spur). Und das so oft, wie man Noten für Akkorde braucht. In unserem Beispiel wurde das Setup noch zweimal dupliziert und die Noten dann in jedem MIDI-Clip angepasst. Wie ihr im finalen Beispiel hören könnt, lohnt sich der Aufwand!
Fazit
Mit diesen kleinen Tutorial konnten wir tatsächlich nur an der Oberfläche der Möglichkeiten von Soundtoys 5 kratzen. Wie ihr sehen konntet, geht aber viel mehr, als man zu vermuten vermag. So konnten wir euch hoffentlich ermutigen, eigenen Experiment zu vollführen, neue Sounds zu entdecken und die Kreativität sprudeln zu lassen. Vielleicht konnten wir aber auch einfach nur klären, ob sich für euch das ganze Bundle lohnt oder ob ihr doch nur einzelne Plugins braucht.