Praxis
Erstkontakt Musikmesse
Auf der diesjährigen Musikmesse waren Soyuz mit einem eigenen Stand vertreten, wir haben von dort berichtet und das Unternehmen mit seinen beiden bisherigen Röhrenmikrofonen SU-017 und SU-011 in unsere Highlights mit aufgenommen, die ihr hier sehen könnt. Seither hatte ich mich auf den Tag gefreut, an dem ich das pillenförmige Mikrofon im Zaren-Chic auf meinen Mikroständer stöpseln kann.
Golden mit dem Goldenen Schnitt
Die Verarbeitung des SU-017 macht einen guten Eindruck, die Toleranzen sind gering, allerdings ist das Messing unbehandelt und muss dann und wann poliert werden. An die Hochpräzisionsarbeit deutscher, skandinavischer und einiger japanischer Premium-Mikrofonhersteller kommen Soyuz fast heran. Zwar hat Soyuz angeblich bei vielen Gehäuseproportionen den Goldenen Schnitt beherzigt, doch ist der Tubus um das Gehäuse perfekt rund (…was strenggenommen akustisch keine gute Lösung ist, von vielen Herstellern aber bekanntlich so gemacht wird) und gibt einen doch recht eindeutigen Ton von sich, wenn man es mit dem Fingerknöchel anschlägt. Im Klangbild konnte ich jedoch keine negativen Eigenschaften ausmachen, die auf diesen Umstand zurückzuführen gewesen wären.
Überraschend schlank und knackig
Wie üblich, begutachte ich den Sound des Soyuz SU-017 zunächst mit einem schnellen, ultra-cleanen Preamp. Es begrüßt mich aus Boxen und Kopfhörern ein überraschend klares Klangbild. Ein etwas dunkler, warmer Teint wie bei Neumanns altem U 67 kann ich trotz langer Aufwärmzeiten nicht ausmachen, eher aufgeräumte, transparente Mitten und durchaus kantige, annähernd schneidende Präsenzen. Der Detailreichtum gerade in den Höhen ist für ein Großmembran-Röhrenmikrofon wirklich erstaunlich, sodass von Texturen von Stimmen und Instrumenten, besonders aber von Rückwürfen aus Räumen fast nichts verloren geht – hier machen sich offenbar die hochwertigen Bauteile und ihre geringe Anzahl positiv bemerkbar. Zudem zeigt sich, wie gering stellenweise die Aussagekraft von Pegelfrequenzgängen ist, denn schließlich geht es wie bei jedem nicht per Elektronik kompensierten Großmembraner oberhalb von 10 kHz deutlich nach unten mit der Übertragungskurve. Etwas weiter unten im Spektrum zeigt sich ein ähnliches Bild wie in den Höhen und Mitten: Die Tiefmitten sind schlank und knackig, der Bass ist stramm, impulsfest und trocken. Es ist möglich, sich der Schallquelle stark zu nähern, ohne dass dabei der Bass indifferent und schwammig wird.
Keine übertriebene Farbe
Nun ist das Soyuz SU-017 schließlich ein Röhrenmikrofon, welches neben Glaskolben natürlich noch über einen Mikrofon-Ausgangsübertrager verfügt. Der spezielle Soyuz-Transformer scheint eher von der zurückhaltenden Sorte zu sein, denn von Grobkörnigkeit oder übertriebener Farbe ist im Signal nicht viel zu spüren. Das Soyuz legt nur einen ganz sanften Schimmerteppich über das aufzunehmende Material. Ich bin geneigt zu sagen, dass es gerne etwas mehr sein dürfte, doch dann würde wahrscheinlich die Genauigkeit dieses Mikrofons leiden. Dementsprechend profitiert das Soyuz von einem etwas charaktervolleren Vorverstärker. Statt am True Systems oder direkt am Lavry AD-11 betrieben ist die Art, mit der ein Tube-Tech MP-1A, besonders aber, wie ein Heritage `73 das Signal veredelt, ein klarer Gewinn.
Dynamisch gut aufgestellt
Es ist kein Wunder, dass das Tube-Mikro dynamisch hervorragend aufgestellt ist, wenn ich eben schon Adjektive wie kantig und detailliert benutzt habe. Es ist schnell und vermag Konsonanten sehr genau darzustellen, aber auch Anschlaggeräusche von Gitarrensaiten und dergleichen. Ein Grenzschalldruckpegel ist nicht angegeben, doch bleibt das Mikrofon auch bei hohen Pegeln lange “ruhig”, ein Versuch mit der Trompete offenbarte aber, dass es recht auffällig und ohne Warnung umbricht, wenn der Pegel deutlich zu hoch ist. Allerdings sind Mikrofonierungen von sehr hochpegeligen Signalen nicht unbedingt das Metier von Röhren-Kondensatormikrofonen. Als Outer-Bassdrum-Mike kann man es trotz fehlenden Pads getrost einsetzen.
Für dich ausgesucht
Polar-Pattern
Das Polar-Pattern des Mikrofons ist im Frontbereich ausreichend stabil, rückseitig jedoch durchaus etwas wild: Rückseitige Signale weisen teilweise ordentliche Löcher auf. Aber mal unter uns: Das ist auch bei vielen der angesprochenen Klassiker nicht anders…