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Spitfire Audio Albion Solstice Test

Praxis

The Solstice Orchestra

Ich beginne mit dem Solstice Orchestra. Die Anzahl der Kontaktinstrumente der einzelnen Ensembles variiert deutlich, von sechs Instrumenten („The Blaggards“) bis zu einem („The Mystics“) ist alles dabei. Streicher sind natürlich immer interessant, also beginne ich mit Octet und Sextett, die unter dem Namen „The Elders“ zusammengefasst sind. Zu den üblichen langen und kurzen kommt eine ganze Reihe weiterer Artikulationen, die von Spitfire vermutlich eigene Bezeichnungen für bestimmte Spieltechniken bzw. teils auch Spielanmutungen erhalten haben: z. B. Circular, Sinister und Malevolent. Außerdem gibt es ein eigenes Patch für sechs verschiedene Evolutions, also Töne, die sich über einen langen Zeitraum subtil verändern. Klanglich ist das alles wie gewohnt ganz großes Kino. Ich mag auch den Erfindergeist, der hinter diesen klanglichen Expeditionen steckt und diese neuen Artikulationen hervorbringt. Schade ist lediglich, dass die Technik (noch) etwas hinter dem klanglichen Anspruch zurücksteht. 
Am Beispiel einer Evolution soll das bedeuten: Ich spiele einen Ton, der sich wunderschön organisch entwickelt; kleine Schwankungen in der Intonation, Bogengeräusche, kleinere und größere Artefakte hier und da, je nachdem. Und dann möchte ich an diesen Ton anschließen, spiele einen weiteren Ton und – es geht nicht. Denn natürlich beginnt genau dieselbe Entwicklung wieder von vorn. Das ist sehr bedauerlich, weil etwas, das sehr lebendig und organisch klingt, brutal auf den Ist-nur-ein-Sample-Boden zurückgezerrt wird. Somit taugt dieses erstklassige Angebot viel zu oft nur für Flächen, die sich zwar klanglich, aber nicht harmonisch entwickeln können. Ich freue mich auf die Zeit, in der man den Evo-Anteil dieser Patches endlich unabhängig regeln kann. Das wäre wirklich Next-Level-Shit. Trotz allem ist das wirklich Gemecker auf sehr hohem Niveau: Die Streicher klingen fantastisch und versorgen einen mit Artikulationen und Möglichkeiten ohne Ende. Mal gucken, was der Rest so kann. 

Die anderen acht Ensembles

„The Callers“ sind Brass und Winds; also Saxophone, Klarinetten, Posaunen, Euphonium und Tuba in einem. Das klingt in den meisten Fällen entsprechend holzig, gleichzeitig aber qualitativ sehr gut. Natürlich gibt es hier auch Langes und Kurzes sowie Evolutions (klanglich sehr interessant) und natürlich die typischen Bläserartikulationen wie Rips, Falls, kurze Glissandi nach oben und unten und nicht ganz so typische Patches wie z. B. Overblown. 
Es folgen ein paar Ensembles, die sich eher zur Farbgebung eignen, „Pipes“, die mittelalterlich angehauchte Band „The Blaggards“ mit Drehleier und allem Drum und Dran sowie der Nursery (Bells und Mallets). Für den eigenständigen Vordergrund ist das meiner Meinung nach alles eher nichts, zum Auffüllen aber durchaus.
Es folgen ein paar Kandidaten, die aus unterschiedlichen Gründen erwähnenswert sind. Der erste von ihnen ist „The Hosts“, also der Chor. Bei ihm handelt es sich wie bei allem anderen in Solstice um kleines Besteck, und er klingt streckenweise wirklich toll. Auch hier muss man je nach Patch wieder mit kleinen Abweichungen und Entwicklungen innerhalb eines Tones rechnen, man erhält also keinen cleanen klassischen Kammerchor. Aber: Man hört sehr genau, welche Töne eingesungen und welche anschließend gepitcht wurden. Und diese gepitcheten Töne klingen teils wirklich wie mein erster Casio. Das geht gar nicht und wirkt so billig, als hätte Spitfire bei der Programmierung irgendwann einfach keinen Bock mehr gehabt. Setzen, Sechs!
„The Generator Trio“ besteht im Gegensatz zum kompletten Rest aus zwei E-Gitarren und einem E-Bass, teilweise normal per Strumming und Picking gespielt (ist okay), teilweise mit Ebow (richtig geil.)
Das Schlusslicht bildet das Percussion-Ensemble „The Marauders“. Hier gibt’s sowohl Loops (teils in Stems) als auch Kits. Dank der Bodhrán fühlt man sich sofort nach Schottland oder Irland versetzt, aber hier geht es ja auch um Folk.

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The Solstice Orchestra – The Elders Octet – Sul Tasto The Solstice Orchestra – The Elders Sextet – Sul Tasto The Solstice Orchestra – The Callers – Overblown The Solstice Orchestra – The Mystics – Long The Solstice Orchestra – The Blaggards – Bellows The Solstice Orchestra – The Hosts – Wavering The Solstice Orchestra – The Generator – Overdriven Bow The Solstice Orchestra – The Gut Circle – Scattered The Solstice Orchestra – The Nursery – Chatter FX The Solstice Orchestra – The Marauders – Grooves 90bpm The Solstice Orchestra – The Visitor – Grooves 90bpm

Zwischenfazit

Mein Eindruck bis jetzt: ein hervorragender Bastelkasten, mit dem sich eine Menge anstellen lässt, für den es aber auch Plan und Methode braucht, da viele Patches Texturen darstellen, die an sich zwar super, aber eben auch unveränderlich sind. Um daraus ein organisches Ganzes zu machen, muss man sich schon sehr genau überlegen, was wann warum passieren soll.

The Cassette Orchestra

Die vier Instrumente des Cassette Orchestra unterscheiden sich nach ihren Quellen. „The Classics“ bedient sich aus Streichern und Bläsern, „The Band“ aus „The Blaggards“ und „Pipes“, etc. Ich klicke mich wahllos durch die Presets, um mir einen Eindruck zu verschaffen und bekomme genau das, was ich erwartet habe: die Sounds des Solstice Orchestra durch den Synthiewolf gedreht. Das klingt aber wirklich phänomenal und ist eine erstklassige Möglichkeit, die Welt der Library elektronisch zu erweitern.
Die eDAN-Engine ist eine gewaltige Waffe, deren detaillierte Beschreibung diesen Test locker sprengen würde, zu der aber doch so viel gesagt sei: Man kann zwei Klangquellen miteinander kombinieren, durch Wobbles, Filter und allerhand Effekte schicken. Wem das nicht reicht, der wird auch noch mit Gate, Sequencer und Mastereffekten versorgt. Da geht also einiges und es ist ein Jammer, dass Spitfire diese Engine noch nicht als eigenständigen FX anbietet, denn in der vorliegenden Form lassen sich leider keine eigenen Sounds in die Engine laden.

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The Cassette Orchestra – The Classics The Cassette Orchestra – The Traditional The Cassette Orchestra – The Band The Cassette Orchestra – The Visitor

The Drone Grid

Das Drone Grid ist komplett selbsterklärend; ein Steckfeld, das die Klaviatur beim Stecken automatisch in Zonen unterteilt und innerhalb dieser Zonen verschiedene Artikulationen aus bis zu fünf verschiedenen Instrumentengruppen abspielt. Stecken lässt sich von Hand oder per Zufallsgenerator, der dafür acht verschiedene Optionen bietet. Im Ernst, es ist eigentlich völlig egal, wie man es macht, denn das Ergebnis ist eh komplett unvorhersehbar. Faul, wie ich bin, benutze ich also verschiedene Optionen des Zufallsgenerators. Klanglich ist auch das beeindruckend. Klar, die Sounds sind ja dieselben wie im Orchestra. Was die Kombinationen angeht, ist allerdings Fingerspitzengefühl gefragt, denn der Klang ändert sich teils drastisch, wenn man von sechs gespielten Tönen auch nur einen ändert. Obwohl komplett digital schließt das Drone-Grid qua Funktionalität somit an alte Synthie-Erfordernisse an: entweder die ganze Zeit gleich mit aufnehmen oder jede Einstellung, die gefällt, sichern – und sich außerdem die Noten notieren. 
Zum Erzeugen von Drones ist das Gerät jedenfalls eine echte Wundertüte. Aber auch hier gilt: Weniger ist mehr und allzu schnell findet man sich in dickem Soundschlick wieder, da ein Akkord mit fünf verschiedenen Artikulationen schnell gegriffen ist. Einziger Wermutstropfen: man kann nirgends sehen, welche Artikulationen eines Ensembles angetriggert werden – Schade. Andernfalls könnte man vorab dafür sorgen, dass es nicht zu wirr durcheinander geht. Oder richtig wirr wird.

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The Drone Grid – Randomise with All The Drone Grid – Randomise with The Elders The Drone Grid – Randmise with The Callers & Mystics The Drone Grid – Randomis with The Band The Drone Grid – Randomise with The Hurdy Gurdy
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