Praxis
Instrumente und Artikulationen
Ich lade mir alle 17 Samplerinstrumente auf zwei Kontakt-Player verteilt und spiele mit den Artikulationen herum. Gleichermaßen auffällig wie logisch ist dabei: Standards wie Horn, Posaune und Trompete haben wesentlich mehr Artikulationen parat als z. B. das Euphonium und die Basstrompete. Das ist unter dem Stichwort „Tagesgeschäft“ zwar absolut zu verstehen, in Sachen „Experiment“ aber ein bisschen bedauerlich. Warum nicht gleich richtig draufhauen, wenn man schon eine Basstrompete sampelt? Klanglich ist dafür alles erstklassig. Vielleicht insgesamt etwas dünn im Sound, aber das wird sich im Mix vermutlich eher als hilfreich erweisen. Außerdem sind die Samples teilweise angenehm unvollkommen. Das geht hier und da bis zu einem deutlichen De-Tuning, oder einem krassen Luftanteil im Ton, was dann auch ein bisschen viel des Guten sein kann. Aber prinzipiell ist da Leben drin und das ist fein.
Ähnliches gilt auch für die Instrumente in zwei Fassungen, Horn Solo 1 und Horn Solo 2 zum Beispiel. Die klingen wirklich sehr unterschiedlich, weshalb ich hier auch noch einmal kurz auf die Artikulationen zurückkomme, denn, was mir wie so oft nicht einleuchtet, ist das uneinheitliche Artikulationsangebot: Horn 1 Solo und Horns a4 bieten zum Beispiel beide Triller, Horn Solo 2 nicht. Warum das so ist, wissen nur der liebe Gott und Spitfire Audio. Ähnliche Phänomene finden sich auch bei den Trompeten. Außerdem nicht ganz einleuchtend für mich: Die kurzen Artikulationen reagieren auf Anschlagsvelocity, die langen hingegen nicht. Vielleicht nicht unbedingt tragisch, aber doch eine Umgewöhnung, die beim Einspielen insofern nervt, als dass einem die langen Artikulationen default-mäßig stets fortissimo um die Ohren fliegen.
Mikros und Regler
Was die Mikros angeht, hält Studio Brass drei Optionen bereit: den Easy-Mix: ein Fader mit den Grenzwerten Close und Far, zwei Stereomixes und sechs Mikrofonsignale: Close 1&2, Tree 1&2, Ambient und Outrigger. Für die Mikrofone gilt das Gleiche wie für alle weiteren Gestaltungsmöglichkeiten der Library: Die Unterschiede sind hörbar, aber stets eher subtil als drastisch und aus dem Ambient-Signal wird auch nach viel gutem Zureden keine Konzerthalle. Für die Dynamik sind die Regler Dynamik und Expression zuständig. Während Expression das allgemeine Volume regelt, steuert Dynamik unterschiedliche Dynamik-Layer. Am schnellsten erzielt man realistische Ergebnisse, indem man beide Regler mit dem gleichen CC-Befehl belegt und sie gleichzeitig fährt. Es bleiben die selbsterklärenden Regler Vibrato, Reverb und Release sowie der nützliche Regler Tightness. Per Tightness lässt sich der Startpunkt des Tons beeinflussen, denn der Anfang eines Tons ist nicht unbedingt hörbar, Stichpunkt „Einschwingphase“. Insofern ist Tightness beim genauen Einspielen hilfreich: erst den Regler nach rechts verschieben, um sauber einzuspielen, danach wieder solange nach links zurückschieben, bis das Ergebnis natürlich klingt.
Mikrotuning; Stereoweite und Round Robins
Das Feintuning für Babyohren lässt sich hier erledigen. Die Bearbeitung der Stereoweite führt noch zu relativ deutlichen Unterschieden im Klang, was ich von den vier Presets für Round Robin Layering nicht behaupten kann. Die Töne werden etwas voller, was ja auch Sinn macht, wenn ein Layer zugeschaltet wird. Aber ich kann nicht behaupten, dass es zu deutlich wahrnehmbaren Veränderungen kommt. Hier geht es also um mehr Body im Millimeterbereich und für diesen hat man verschiedene Layering-Optionen zur Verfügung, was für mehr Leben sorgt. Insofern zeigt sich auch hier, dass sich die Library dem Realismus verschreibt. Um starke Eingriffe im Sinne von Hybridisierung geht es nicht, alles bezieht sich auf eine lebensnahe Darstellung und auf Werkzeuge zum Justieren von Details.
Time Machine
Die Time-Machine-Instrumente bieten den Regler Stretch zur zeitlichen Feinabstimmung. Und der macht Spaß, denn gerade bei Bläsern ist kurz ja nicht gleich kurz. Mit Stretch kann man die Tonlänge deutlich hörbar dehnen oder stauchen und das Ergebnis klingt hervorragend. Mit diesem Regler lässt sich etwas herstellen, für das andere Libraries individuelle Sample-Sets bereithalten. Natürlich darf bei diesem Patch auch der Regler für Tightness nicht fehlen. So hat man mit zwei Tools alles, was man braucht, um die Tonlängen den jeweiligen Bedürfnissen genau anzupassen. Stretch führt dabei eher zu natürlichen Ergebnissen, während sich die Töne per Tightness auch so hart anschneiden lassen, dass das Resultat ausgesprochen artifiziell anmutet.
Für dich ausgesucht
Ostinatum
Das Ostinatum hat sich mir nicht gleich erschlossen. Ich musste erst draufkommen, dass ich eine kurze Artikulation anwählen muss, um überhaupt Zugriff auf Ostinatum zu bekommen. Und dann hat sich etwas geöffnet, das wie ein anti-intuitiver Arpeggiator aussah. Allerdings hat es sich recht bald als etwas ziemlich anderes herausgestellt: „Kern“ ist ein Fenster, in dem ich aus neun rhythmischen Notenwerten auswählen kann (von ganzer Note bis 64tel, inklusive 8el- und 16tel-Triolen) und in dem ich bis zu sechzehn Notenwerte manuell eingeben kann. Der Clou ist, dass die zur Verfügung stehenden Notenwerte sich frei kombinieren lassen und stoisch nacheinander abgespielt werden. Das heißt, nach einer Achtel kann eine einzelne 16tel-Triole kommen, danach kann eine Viertel auf eine 32tel folgen, auf die wiederum eine 8el-Triole folgt usw. Daraus ergeben sich Rhythmen, die sich in der realen Welt nicht spielen und notieren lassen, da es so etwas wie eine alleinstehende 8el-Triole dort nicht gibt, sondern diese immer nur im Verbund mit zwei weiteren 8el-Triolen auftaucht. So können mit Ostinatum extrem artifizielle Rhythmen mit organischen Sounds kreiert werden. Durch sukzessive Tonverschiebung lässt sich außerdem bereits mit einem Pattern viel Abwechslung erreichen, und wenn man die drei verschiedenen Optionen zur Reihenfolge der Tonwiedergabe nutzt (wie angeschlagen, aufwärts, abwärts), kann man dieses eine Pattern gleichzeitig vertraut und doch immer wieder anders klingen lassen.