Mit dem SPL Iron hat Wolfgang Neumann, seines Zeichens SPL-Chefentwickler und Firmenmitinhaber, sich den Wunsch nach einem eigenen Kompressor für das Mastering erfüllt. Fünf Jahre und zahlreiche Prototypen später hat er seine eierlegende Wollmilchsau auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Jetzt mag sich der eine oder andere berechtigt fragen, ob diese Welt wirklich noch einen weiteren analogen Kompressor braucht. Und ohne Umschweife kann ich klar mit Ja antworten, denn 120V-Technik, Dual-Tubes und ein so umfangreich konfigurierbares Gleichrichter-Netzwerk hat die Studiolandschaft bisher noch nicht gesehen! Darf ich vorstellen: Der SPL Iron – geboren, um zu bleiben.
Details
Allgemeines
Der SPL Iron ist ein mit Röhren und Übertragern ausgestatteter Stereo-Limiter/Kompressor. Der Hersteller selbst spricht von einem Mastering-Compressor. Das ist insofern richtig, da alle Parameter gerastert sind und das Gerät über einen Stereo-Link verfügt.
Dank des „Doppel-Mono“-Aufbaus eignet sich das 4 HE große 19-Zoll-Monster aber auch für Einzelsignale und Stereo-Busse im Allgemeinen. Es gibt das 11 kg schwere Gerät mit roter (Model 1524) und schwarzer (Model 1520) Alu-Front, die Verarbeitung ist in beiden Fällen exzellent und sehr hochwertig.
Historischer Nerd-Talk
Historisch gesehen orientiert sich auch dieses Gerät am allseits beliebten Fairchild Kompressor Klassiker, der zur Kategorie der „Variable Bias“-Kompressoren gehört. Als Bias bezeichnet man die negative Spannung am Gitter einer Röhre, welches von der Steuerspannung in seiner Öffnung reguliert wird und man damit quasi einen Voltage Controlled Amplifier zwischen Anode und Kathode erhält. Mehr Bias bedeutet mehr Gain-Reduction, aber das nur am Rande. Manchmal wird Bias auch mit „Mu“ bezeichnet – und schont wisst ihr, warum der Manley Vari-Mu so heißt, wie er heißt. Und ja, auch dieser ist ein Variable-Bias-Kompressor.
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Erweitertes Dual-Tube-Konzept
Trotzdem hat der Iron mit diesen Kompressoren – abgesehen von überwiegend identischer Parametrisierung – nicht mehr so viel zu tun, da sein Konzept deutlich weiter geht. Zum einem arbeitet das Gerät mit der für SPLs Mastering-Geräte typischen internen Betriebsspannung von 120V an den proprietären Operationsverstärkern, um Headroom und Signal-Rauschabstand zu maximieren.
Zum anderen befinden sich pro Kanal gleich zwei parallel betriebene Röhren vom Typ 12AX7 (Sharp-Cutoff) und 12AU7 (Remote-Cutoff) im ein- und ausgangsseitig trafosymmetrierten Signalweg. Das soll für einen besonders klaren Sound – auch bei extremeren Kompressionen – sorgen, da sich die Regelcharakteristika der beiden Röhren quasi in ihren optimierten Arbeitsbereichen mischen. Der speziell für SPL gewickelte Übertrager ist übrigens aus Eisen und damit für die Namensgebung des Kompressors verantwortlich.
Extrem umfangreicher Sidechain
Hinzukommt ein extrem umfangreich konfigurierbarer Steuerspannungsweg, welcher für die rückwärts gerichtete Regelung der Verstärkung zuständig ist. Alle zugehörigen Bauteile befinden sich dabei nicht im Audio-Signalweg – welcher somit ziemlich puristisch und färbungsfrei bleibt – sondern nur im Sidechain-Weg.
Zu diesen Elementen gehört unter anderem der Rectifier (Gleichrichter), welcher hier mittels Auswahl verschiedenster Dioden(-Kombinationen) umfangreich beeinflusst werden kann. Als Ergänzung dazu sorgt ein eigenständiges und vorwärtsgeregelte Opto-Element dafür, das Pegelspitzen in der Steuerspannung abgefangen werden.
Selbst der Tube-Bias lässt sich verändern, wodurch der Arbeitspunkt der beiden Röhren verschoben wird. Attack und Release sind grundsätzlich ohne Zeitwerte versehen, da diese eben programmabhängig sind und damit ständig variieren – vor allem in Kombination mit den unterschiedlichen Rectifiern (Germanium, Silizium, LED und Germanium-Silizium-Kombination).
SPL verfügt über eine Liste an theoretischen Zeitkonstanten, wobei diese aber vollkommen schnuppe sind, da ein Kompressor eben immer mit den Ohren und nicht mit dem Taschenrechner eingestellt werden sollte. Nur soviel: Mit minimalen Werten von 0,1 ms (Attack) und 20 ms (Release) gehört der Iron für einen Tube-Compressor zur äußerst fixen Sorte.
Ferner gibt es auch einen Sidechain-EQ, der zusätzlichen Einfluss auf das Regelverhalten nimmt und mit vier verschiedenen Kurven auch sehr umfangreich konfiguriert werden kann. Die Filter-Kurven wurden von Wolfgang „Wolf“ Neumann höchstpersönlich entworfen und gründen sich auf seinen persönlichen Erfahrungsschatz. Wem dieser nicht passt, kann rückseitig über eine unsymmetrische Klinkenbuchse auch externe SC-Signale zuführen, was unter anderem auch Duckings ermöglicht.
Üppige Bedienoberfläche
Die Front des Iron mag auf den ersten Blick einschüchtern. Wenn man sich langsam herantastet, ist diese aber schnell zu durchschauen. Die meisten Elemente sind ohnehin doppelt vorhanden, wobei die meisten Nutzer sicherlich auf den via eines kleinen Kippschalters aktivierbaren Stereo-Link zurückgreifen werden. Dann werden die Regelparameter von beiden Kanälen von der rechten Seite bestimmt. Ausgenommen sind davon nur Input und Output Gain, wobei es hier eine kleine Besonderheit gibt: Beide Regler werden von einem +/0/– Kippschalter begleitet, wodurch der Gain-Hub nicht nur deaktivierbar ist, sondern im positiven sowie negativen Bereich angewendet werden kann. Konkret: steht einer der Regler auf 4 dB und es wird „–“ aktiviert, so wird der Pegel um 4 dB abgesenkt, schaltet man um auf „+“, wird der Pegel entsprechend um 4 dB angehoben. Sollte man „0“ aktivieren, hat der Regler gar keine Bedeutung mehr.
Äußerst fetter Threshold-Regeler
Mit dem Threshold wird der Arbeitspunkt bestimmt. Der Regler ist leicht gerastert (42 Positionen in 1dB-Schritten) und sehr groß, was ich äußerst praktisch finde, da man hiermit am meisten herumkurbeln wird, weil sich der Arbeitspunkt je nach Rectifier- und Bias-Einstellung mehr oder weniger deutlich verschiebt.
Entsprechend schön ist die Platzierung des großen VU-Meters über dem Threshold-Regler, wodurch man sehr deutlich die aktuelle Gain Reduction fein aufgelöst angezeigt bekommt. Ein kleiner Kippschalter ermöglicht aber auch die Anzeige des Ausgangs-Pegels (0 dB und +10 dB). Besonders schön: Im Link-Mode (Stereo) kann man sich Ausgangspegel und GR gleichzeitig anzeigen lassen.
Massive Sechs-Positionen-Drehschalter
Rund um den Threshold-Regler sind die übrigen Regler angeordnet, wobei es sich bei allen um Drehschalter mit hart-gerasterten Positionen handelt. Attack, Release, Input, Output, Side-Chain-EQ und Rectifier, jeder kennt sechs Positionen.Tube-Bias (Low, Mid, High) wird hingegen mit einem kleinen Kippschalter bedient.
Zentral gelegen sind die beiden hinterleuchteten Bypass-Taster sowie der Link- und der EQ-Kippschalter. Der EQ bietet neben dem Bypass zwei Settings, welche sich „AirBass“ und „Tape Roll-Off“ nennen. Ersteres bietet eine leichte, edle Hi-Fi-Badewanne, was ideal ist, falls man vor allem die Mitten verdichtet hat. Zweiteres ist ein Low- und High-Cut, dessen Wirkung aber recht minimal ist.
Darunter wurde der Auto-Bypass platziert, welcher das Gerät selbständig zwischen Bypass und „Action“ umschaltet, sodass man den Sweet Spot dafür nicht unbedingt verlassen muss. Die Funktion kann übrigens auch als Kopierschutz bei Online-Dienstleistungen verstanden werden, denn so könnt ihr für das Test-Rendering den Kompressor nur streckenweise im Song aktivieren. Außerdem gibt es einen Link-Schalter, durch den die rechte Seite dank unzähliger Relais die Steuerung der linken Seite stellvertretend übernimmt.
Übersichtliche Rückseite, minimaler Lieferumfang
Die Rückseite ist im Gegensatz zur Front äußerst minimal gehalten: XLR-Ein- und Ausgang, Sidechain-Input (TS-Buchsen), Ground Lift, Main Power – und das war es! Etwas schade finde ich es allerdings schon, dass sich der Hauptschalter nur auf der Rückseite befindet. Das mag sicherlich auch Geschmackssache sein – ich finde es jedoch unpraktisch!
Die bewusst einfach gehaltene Umverpackung bietet durchaus eine kleine Vorschau auf den Lieferumfang: SPL-Aufkleber, Stromkabel und ein gedrucktes Handbuch. Und das war es. Das finde ich gut, denn bei einem 5000-Euro-Kompressor muss man wirklich nicht mit bunten und komplizierten Kartons um Aufmerksamkeit buhlen.